Einleitende Gedanken zu grenzenlosen Möglichkeiten des Internets
Früher war Amerika das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, jetzt haben sie Trump … Nein, darauf wollte ich eigentlich nicht hinaus …
Jetzt ist das WWW unser Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Wir haben theoretisch rund um die Uhr und von überall (wenn wir mit mobilen Endgeräten unterwegs sind) unbegrenzten (sofern wir einen Zugang haben) Zugriff auf nahezu alles, was wir uns vorstellen können: Informationen, Produkte und Kontakte.
Die Einen feiern das Internet, die Anderen verteufeln es.
Die Einen nutzen es gewinnbringend, die Anderen erfahren viel Leid im Netz.
Die Einen nutzen es gelegentlich bis regelmäßig, die Anderen werden süchtig und kommen offline nicht mehr zurecht.
Die Einen sind Experten, die Anderen tappen in jede Falle.
Einige stellen sich bewusst den „Gefahren“ des Netzes, Andere versuchen sich wie hinter Fort Knox zu verschanzen.
…
Diese Liste könnte ich beliebig lang fortsetzen und ein breites Spektrum an Internetnutzern oder auch Vermeidern zeichnen.
Jeder, der sich ins Netz wagt, versucht dort irgendwie zurecht zu kommen.
Ist das Internet ein Ort an den ich gehen kann? Wenn ja, was ist es für ein Ort?
Gibt es ein soziales Netz?
Wie kann ich, will ich, soll ich das Internet für mich und meine Themen nutzen?
Kann ich das Internet zu einem „besseren Ort“ machen?
Das gilt es herauszufinden – jeder muss für sich seinen eigenen Weg ins Netz finden. Manchmal versuchen wir es auch gemeinsam, diskutieren online wie offline auf Barcamps und Fachtagungen.
Der Fachtag #SozialImNetz der Caritas am 24. Januar 2017
Beschreibung auf der Facebook-Veranstaltungsseite
Sozial im Netz – Die Zukunft der Sozialen Arbeit ist digital! #sozialimnetz
Fachtag für alle Interessierten und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Sozialen Arbeit und Pflege.
Wie wird Soziale Arbeit in der Digitalen Welt zukunftsfähig? Wie gelingt eine gezielte Ansprache und Kommunikation über Social Media? Und wie bringen wir das Soziale ins Netz? Spannende Keynotes mit Raul Krauthausen und Prof. Felix Stalder, Workshops, Best-Practice-Beispiele und neue Diskussionsformate bringen neue Impulse.
Abwägen
Lange habe ich überlegt, ob ich mich zum Fachtag der Caritas anmelden soll. Bei Fortbildungen und Tagungen stellt sich immer die Frage der Kosten und Nutzen Abwägung.
Kosten: 1 Tag Zeit, zum Glück keine Reisekosten + 90 €
Nutzen: Kann ich dort etwas lernen? Kann ich dort interessante Leute/ berufliche Kontakte treffen? Können sich darauf eventuell Projekte /Kooperatioonen entwickeln?
Zur Caritas selbst habe ich eigentlich keinen persönlichen Bezug, aber zur Sabine Depew, die sich intensiv mit dem Thema Digitalisierung der sozialen Arbeit einsetzt. Sie probiert vieles aus und teilt in ihrem Blog Erfahrungen und Ideen. Ich weiß es nicht genau, aber ich glaube, sie ist diejenige, die entscheidend dazu beiträgt, dass die Caritas neue Wege geht und sich für die digitalen Medien und auch neuen Konferenzformaten öffnet, wie z.B. auch dem Sozialcamp, dass ich im letzten Herbst besucht habe.
Soziale Arbeit und Psychologie sind für mich eng verwandte Felder, die sich gut vernetzen sollten.
Also bin ich hier doch richtig!
Der Fachtag live in den Sozialen Medien
Wer nicht vor Ort dabei war, konnte trotzdem über die Sozialen Medien mit dabei sein. Schaut euch auf den verschiedenen Kanälen mal nach dem Hashtag #SozialImNetz um, wundert euch aber nicht, es gibt auch „andere“ Kommentare von außen, die veranschaulichen, dass im Internet eben alles möglich ist.
Für mich eignet sich Twitter am besten, um solche Tage zu begleiten und ich war auch fleißig mit dabei. An einer Zusammenfassung der Tweets als Moment habe ich mich versucht, das Tool lässt mich aber nicht auf alle Tweets zum Fachtag zugreifen, hätte gerne ein Best of aller Teilnehmer gemacht …
Raul Krauthausen live
Als Keynote war Raul Krauthausen eingeladen. Wer ihn nicht kennt, hat etwas verpasst!
Er ist ein kleiner Mann mit einer großen Klappe. Er hat aber nicht nur eine große Klappe, sondern er steht (blöde Sprache) mit seiner ganzen Person zu dem was er sagt und er ist ein Macher. Er handelt und er lässt sich nicht von Hass aufhalten!
Er hat das Wissen eines Professors und spricht die Sprache des einfachen Mannes. Deutschland braucht mehr solche Menschen, die einfach machen und für ihre Themen einstehen. Ich wünsche mir, dass mehr Leute in ihm Raul sehen, nicht den Behinderten, sondern den Menschen, der frech und lieb zugleich sein kann.
Kleiner Rat von Raul, frei zitiert:
Wenn sie „Behinderter“ schreiben, ersetzen Sie das Wort kurz durch „Blonder“, klingt es blöd, dann lassen Sie es weg!
Er ist Aktivst mit Humor. Mit diesem Humor begeistert er! Er bringt die Dinge auf den Punkt, scheut sich nicht vor Provokation, spricht über ernste Themen und bringt die Zuhörer dabei zum lachen und nachdenken.
Es war schade, dass er nach dem Vortrag zu einer Pressekonferenz verschwunden ist und danach nicht mehr dabei war.
Angefangen hat alles mit einer kleinen Idee – wo kann ich als Rollstuhlfahrer eigentlich hin? Die Idee kam zum richtigen Zeitpunkt, da ist Raul ganz ehrlich und bescheiden. Google Maps war gerade für die breite Masse bekannt geworden und so konnten viele mit der Idee, ein Art „Google Map“ für Rollstuhlfahrer zu basteln, etwas anfangen.
Viele halfen mit. Interessenten aus dem Ausland meldeten sich. Es wurde immer weiter übersetzt, sogar auf klingonisch. Braucht man das? Nein, aber es geht! – Die Wheelmap dagegen wird von vielen gebraucht und aktiv genutzt.
Das ganze wurde immer größer und auch teurer. Finanziert wird alles jetzt durch den Verkauf von „verfickten Rampen“ (vereinfacht dargestellt).
Schaut euch einfach mal an was er und die Sozialhelden alles machen. Es ist großartig!
Was Helden sind, haben wir auch geklärt. Jenseits von Comichelden und Kriegshelden gilt frei nach Zimbardo: Helden kennen keine Ausreden, sie widerstehen der Versuchung ihre Taten zu rechtfertigen. Sie handeln!
Es sind Kleinigkeiten, die die Welt ein kleines bisschen besser machen. Kleinigkeiten wie eine Wheelmap, die plötzlich ganz groß und wichtig werden.
Übrigens: Menschen sind nicht behindert, sie werden behindert, von ihren Mitmenschen und ungünstigen Umständen!
Kleiner Rat von Raul, frei zitiert:
Wenn Sie jemanden treffen, der an einen Rollstuhl gefesselt ist, dann binden sie Ihn bitte los!
Denn der Rollstuhl ist nicht das Problem, das Problem liegt beim Laden um die Ecke, der keinen barrierefreien Zugang hat.
EINFACH MAL MACHEN!
Workshop „Digital mit Jugendlichen“
In diesem Workshop wurden interessante Projekte zur mobilen Jugendarbeit der Caritas zur präsentiert. Thematisiert wurden dabei Ansätze und Grenzen des Einsatzes von digitalen Medien. Immer wieder kam auch die Forderung nach einem Diensthandy auf. Es gibt zwar welche, diese ermöglichen aber oft nicht alles Benötigte.
Was funktioniert bereits?
- Facebook-Seiten von Projekten
- Kommunikation via WhatsApp
Was sind die Probleme?
- Grenzen durch den Träger (nicht nur Caritas)
- Schneller Wandel – es gibt endlich Facebook-Richtlinien, aber die Jugend nutzt diese Plattform kaum noch
- Unsicherheit – Was darf ich?
- Abgrenzung – Wie weit darf ich gehen? Privatsphäre der Jugendlichen, Erreichbarkeit
- Private Accounts – wer kein Diensthandy hat, kann schnell mit seiner privaten Nummer unfreiwillig in Whatsapp-Gruppen mit Klienten landen
Nach der Vorstellung der Projekte, erfolgte eine Vorstellungsrunde der Workshopteilnehmer. Jeder berichtete kurz, in welchem Setting er arbeitet und welche Erfahrungen er mit digitalen Medien bereits gemacht hat.
Reflektion zu angesprochenen Themen
- Viele, der überwiegend jungen Kollegen und Kolleginnen in der Runde, haben selbst relativ wenig Erfahrungen im Umgang mit den digitalen Medien, die sie einsetzen wollen. Die Jugend ist ihnen voraus, sie sind selbst verunsichert.
Meine Einstellung: Sei offen für neues und sei bereit von Jugendlichen zu lernen!
- Viele sind unsicher die Waage zwischen professioneller Distanz und Nähe zu finden, die Grenzen verschwimmen schneller durch den Einsatz digitaler Medien.
Meine Einstellung: Probiere dich selbst aus und ziehe deine persönliche Grenze mit der du dich wohl fühlst!
Schalte das Gerät aus, wenn du für dich Feierabend machst. Willst du für den Notfall erreichbar sein, wenn gerade eine akute Geschichte läuft, dann ignoriere/vertage anderen Anfragen. Entgegen der Möglichkeit 24 Stunden erreichbar zu sein, steht auch die Möglichkeit Kommunikation zu steuern! Ich antworte, wenn ich bereit dazu bin! Dein Gesprächspartner wird das lernen, wird merken, du antwortest verlässlich, aber nicht zwingend sofort und das genügt. Ein Gespräch kann jederzeit mit klaren Worten beendet werden, wenn deine Grenze überschritten wird.
- Hauptproblem ist und bleibt – Ich weiß nicht wie und ob ich darf
Meine Einstellung: Probiere es aus! Überlege, was du erreichen möchtest und such dir jemanden, der dir vielleicht dabei helfen kann. Wenn du nicht weißt, ob du darfst, frag deinen Vorgesetzten, aber bringe ihm Argumente mit, warum du es probieren möchtest. Gegenargumente gibt es immer, im Zweifelsfall: Ging ja bisher auch ohne.
Frage dich, was das Schlimmste wäre, was passieren kann und ob es wirklich schlimm wäre.
Habe den Mut Fehler zu machen, habe auch den Mut einen Shitstorm zu riskieren.
Meine Mutter hat als Kind zu mir gesagt: Du wirst es niemals allen Recht machen können. Recht hat sie!
Äußerst du dich im Internet, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass es jemand liest und vielleicht auch kommentiert, der eine andere, vielleicht auch radikale Meinung vertritt.
Es gibt zwei Möglichkeiten in dem Fall: Ignorieren bzw. Löschen oder Antworten und sich der Diskussion stellen.
Beides kann richtig oder falsch sein. Die beiden Kolleginnen vom Jugendcafe haben es erlebt, haben reagiert und versucht sachlich zu diskutieren. Es uferte aus, führte zu radikalen Beschimpfungen und endete in einer Löschung des Themas. Im Hintergrund gab es zahlreiche Diskussionen mit Meinungsverschiedenheiten. Das ist gut so! Es ist gut, dass sie es sachlich probiert haben. Sie haben dem Kommentierer ein Gespräch angeboten und keinen Hass entgegen gesetzt. Als sie gemerkt haben, dass ein Dialog nicht möglich ist, haben sie es beendet.
Das ganze hat viel Zeit und Energie gekostet, aber war auch eine hilfreiche Erfahrung im Umgang mit den sozialen Medien.
Eine Frage, die ich im Nachhinein noch gerne stellen würde: Sind Sozialarbeiter nicht auch im realen Leben oft Hass und Kritik ausgesetzt. Begegnen nicht gerade denen, die auf der Straße Prokjekte anbieten, radikale Parolen?
Ein Satz fiel im Workshop: „Jetzt, wo die Flüchtlinge da sind, kommt ihr. Wo wart ihr vorher?“ – Knappe und zielführende Antwort darauf war: „Wir sind jetzt da, nutzt unser Angebot.“
Lassen sich diese Erfahrungen und Strategien auf Konflikte im digitalen anwenden? Sind erfahrene Sozialarbeiter nicht schlagfertig und daher prädistiniert mit Kommentaren in den Sozialen Netzwerken zurecht zu kommen?
Ein Vorteil hat das Netz: Man ist nicht allein, kann schwerer isoliert werden als in der Realität und man kann es ausschalten.
Raul hat hierzu einen hilfreichen Rat, sehr frei zitiert:
Man kann Hater auf Twitter „Stumm“ schalten. Sie merken nicht, dass du ihnen nicht mehr zuhörst. Die Option „Blockieren“ schenkt ihnen dagegen Aufmerksamkeit und gibt ihnen das Gefühl gewonnen zu haben. Zieh dich zurück, wenn es zu viel wird! Zehn Leute im Netz können sich wie eine Armee aus Hass anfühlen. Du musst dich dem nicht stellen.
Die Schlussthese:
Die Aufgabe war, eine abschließende These zu erstellen und diese zu twittert. Es war lustig, wie aus dem ersten Satzvorschlag die Zeichen gezählt wurden und drum herum dann Schlagworte ergänzt wurden, weil es noch passte. Das Ergebnis wurde dann von unserer Projektpatin Laura getwittert:
#seidlautfür : Professionelle Rahmenbedingungen mit Freiheiten für Social Media mit & für Jugendliche. SOFORT! #sozialimnetz
— Laura F. (@lau_fi95) 24. Januar 2017
Live-Schaltung Professor Felix Stalder
Interessante Möglichkeit, jemanden via Skype einen Vortrag halten zu lassen.
Leider konnte ich aus diesem nicht viel mehr mitnehmen, als die Kernaussage: Das Internet ist nicht schuld!
Ich bin nicht sicher, ob es an mir, dem Format oder dem Referenten lag.
Thementische
Die Thementische boten eine gute Gelegenheit mit verschiedenen Personen zu unterschiedlichen Themen ins Gespräch zu kommen. Es war ähnlich, wie bei der Poster-Session von der ich auf dem Kongress in New Orleans so begeistert war.
Allerdings war es hier noch reglementierter: 20 Minuten pro Tisch waren vorgesehen, dann sollte man Wechseln. Es klingelte die Triangel – Speed-Dating quasi.
Mein persönliches Fazit
Raul Krauthausen live zu erleben war eine tolle Erfahrung! Er macht Mut, dass man mit kleinen Schritten tatsächlich etwas erreichen kann.
Es gab viele interessante Gespräche. Persönlich habe ich mich besonders gefreut Sabine Rupp kennen gelernt zu haben, die als Ehrenamtliche mit dabei war. Mit viel Herzblut und auch Know-How unterstützt sie den Vrings-Treff in Köln, ein Ort der Begegnung für Wohnungslose in freier Trägerschaft.
Zum Stichwort #sozialimnetz gehe ich mit dem Gefühl nach Hause, persönlich auf einem guten Weg zu sein, denn das Fazit des Tages „einfach mal machen“ ist genau meine Einstellung zum Thema Digitale / Soziale Medien.
Probiere aus, gehe in Kontakt, mache nach was die gefällt und lass bleiben, was dir missfällt.
Über meinen Einstieg in die „moderne“ Online-Welt habe ich bereits im Zusammenhang mit dem Sozialcamp geschrieben. („Modern“ deswegen, denn es gab da auch eine interessante Zeit vor dem Studium, eine Online-Welt bestehend aus Foren. Damals, als diese Seite noch kein Blog war …, zu Beginn dieses Jahrtausends).
Mein Rat an euch
Lest den Blog von Sabine Depew und schaut euch die Projekte der Sozialhelden an.
Ansonsten: Einfach mal machen!
Lasst dabei Herz und Verstand gemeinsam machen. Dann könnt ihr auch darauf vertrauen, dass es für jeden Problem eine Lösung geben wird.
Edit:
Weitere Berichte zum Fachtag:
Kathrin Reinert berichtet im Care Camp Köln Blog u.a. über den Workshop „Senioren werden digital“