Natürlich habe ich schon von Nelson Mandela gehört, doch wirklich viel weiß ich über ihn nicht. Zwei Fragen und zwei erste Assoziationen, an was denkst du als erstes?
An was denkst du, wenn du den Namen Nelson Mandela hörst?
Ich denke an Afrika und Menschenrechte.
An was denkst du, wenn du Afrika hörst?
Auch wenn ich inzwischen einiges mehr über Afrika weiß, fallen mir die Kontraste Armut und Safari-Tourismus als erstes ein.
Sind das Vorurteile? Nein, es sind Stereotype, beruhend auf den vorliegenden Informationen. In meiner Kindheit war die Aussage „die armen Kinder in Afrika“ sehr präsent, ebenso und das gilt auch heute noch, die vielen Hilfsprojekte. Erst in meiner Jugend habe ich begriffen, wie vielfältig die Länder in Afrika sind. Ägypten, Togo, Süd-Afrika. Genau wie in Europa haben diese Länder gemeinsam, dass sie auf dem selben Kontinent liegen und doch haben sich ganz eigene Kulturen entwickelt. Noch immer weiß ich über viele Länder Afrikas sehr wenig. Daher bin ich sehr schnell auf den Vorschlag eingegangen, ob ich nicht das Jugendbuch über Nelson Mandela und Südafrika lesen mag. Zuerst habe ich gezögert, weil ich mich bisher noch nicht so sehr für Biografien begeistern konnte. Allerdings handelt es sich um ein dünnes Buch und es ist keine ausschließliche Biografie.
Nelson Mandela
Nelson Mandela wuchs während der Apartheit in Südafrika auf, Schwarze lebten getrennt von den reichen Weißen. Er hatte das ungewöhnliche Glück, Bildung zu erleben, sogar studieren zu können. Ein besonderer Wesenszug ist dem jungen Mann bereits zu eigen: Er hasst den Unterdrücker nicht, strebt aber nach Freiheit.
Im Gegensatz zu den anderen Ländern, die von den Kolonialmächte befreit wurden, wurde die Situation in Südafrika nach dem zweiten Weltkrieg schlimmer. Nelson Mandela ging schließlich in den Untergrund, führte eine Widerstandsbewegung an und galt als Terrorist.
Es ist der Kampf des afrikanischen Volkes, der aus eigenen Leiden und eigenen Erfahrungen hervorgegangen ist. Es ist ein Kampf für das Recht auf Leben. (Nelson Mandela)
Von 1963 bis zum Februar 1990 saß Nelson Mandela im Gefängnis.
Der Mensch ist frei, und wäre er in Ketten (Friedrich Schiller).
Dort schrieb er viel, verlor seine Würde nicht und ließ sich nicht brechen.
Niemand wird geboren, um einen anderen Menschen wegen seiner Hautfarbe, seiner Lebensgeschichte oder Religion zu hassen. Menschen müssen zu hassen lernen, und wenn sie zu hassen lernen können, dann kann ihnen auch gelehrt werden zu lieben, denn Liebe empfindet das menschliche Herz viel natürlicher als ihr Gegenteil. (Nelson Mandela)
Nach seiner Freilassung setzte Mandela sich für die Demokratie ein und wurde am 2. Mai 1994 zum ersten gewählten Präsidenten Südafrikas. Er lebt eine Politik der Aussöhnung. Er beendet seinen politischen Weg 1999 und starb 2013 im Alter von 95 Jahren.
Der ehemalige Rassenkonflikt ist einem Klassenkonflikt gewichen. Armut, Aids, Gewalt sind die größten Probleme der jungen Republik. (Christian Nürnberger)
Es war schwierig für mich zu lesen, nicht schwierig von der Wortwahl, sondern schwierig zu begreifen, was da passiert ist. Wie konnte es dazu kommen, dass eine weiße Minderheit so viel Macht über so viele Menschen in ihrer eigenen Heimat bekam? So geht es mir nicht nur mit dieser Geschichte, auch vielen anderen Unterdrückungs-Szenarien unserer Weltgeschichte. Die Tatsache, dass einige sich als wertvoller, menschlicher betrachten, als andere Menschen, will einfach nicht in meinen Kopf. Der zweite Teil des Buches vertieft die Ereignisse in Südafrika, konzentriert sich aber vor allem auf die Entwicklung nach der Apartheit.
Aus dem Radikalinski der frühen 1960er-Jahre war im Gefängnis im Grundsatz aber eben doch eher ein Mahatma Gandhi geworden. (Stephan Kaußen)
Südafrika
Südafrika war und ist ein Land von Schwarz und Weiß. (…) Es ist bunt und gleichzeitig matt.(…) Eines ist Südafrika aber praktisch nie: Emotionslos. (…) Es ist so heterogen, wie eine Gesellschaft nur sein kann. Es ist jeden Tag, ja jede Stunde und jedes Jahr aufs Neue auf der Suche nach sich selbst. Nach dem neuen Südafrika.
Insbesondere die ersten Seiten von Stephan Kaußens Teil über „Mandelas Südafrika“ lassen die Lebendigkeit des Landes spüren. Es liegt eine Leidenschaft in den Worten, eine Faszination für ein außergewöhnliches Land, in dem es auch heute noch sehr viel Leid gibt.
In einem Land, das länger als jedes andere systematisch an der Trennung der Rassen festhielt, konnte ein ehemals strikt Benachteiligter Präsident werden. Respekt!
Nelson Mandelas Einfluss wird auch als Madiba Magic bezeichnet. 1995 kam es zu einem legendären Auftritt Mandelas bei der Rugbyweltmeisterschaft in Johannesburg. Er überreichte im Trikot der „Springboks“ der bis auf eine schwarze Ausnahme, weißen Nationalmannschaft den Weltmeisterpokal.
Der ganze Ellis Park war geschockt. Positiv geschockt. ganz Südafrika war geschockt. Positiv!
Diese Geste verdeutlichte das neue WIR in Südafrika. Es war eine Geste der Versöhnung und Versöhnung stand im Fokus von Mandelas Politik.
Das Buch macht einen weiten Bogen, ordnet die Ereignisse in Südafrika historisch und aktuell in das Weltgeschehen ein. Stephan Kaußen hebt die Sonderrolle Südafrikas hervor und beschreibt schließlich die aktuelle Lage Südafrikas nach dem Tod Nelson Mandelas. Sein Geist ist noch lebendig, doch noch immer gibt es Ungleichheit, Armut und viele Probleme.
Es gibt inzwischen für Schwarze mehr Möglichkeiten. Inzwischen leben auch schwarze Millionäre und ein paar ärmere Weiße in Südafrika, doch noch immer viele sehr arme Schwarze, die leben wie früher.
The problem is that you can´t eat democracy. (Erzbischof Desmond Tutu)
Nelson Mandela machte als erster Präsident lediglich den Anfang. Seine Nachfolger stehen vor zahlreichen Problemen. Wie gut sie mit diesen zurecht kommen, wie sehr sie in alten Traditionen verharren und welche Versuchungen die Machthaber Südafrikas verführen, wird gegen Ende des Buches diskutiert.
Und somit ist das Südafrika des Jahres 2018, in dem Nelson Mandela 100 Jahre alt geworden wäre, im Vergleich zum Jahr 1999, als er abtrat, weit zurückgefallen. Kulturell. Politisch. Sozioökonomisch. Gesellschaftlich.
Bildung als Schlüssel, in diesem Sinne ist das Buch eine Leseempfehlung, ein Blick über den eigenen Horizont auf die Sûdhalbkugel unserer Erde. Vielleicht stellst du fest, dass die Geschehnisse in Südafrika gar nicht so weit entfernt von deiner eigenen Lebenswelt sind.
Fazit zum Buch
Die Lebensgeschichte Mandelas und die Entwicklung Südafrikas werden in dem Buch kompakt und verständlich dargestellt. Die Ereignisse lassen sich ohne Anstrengung lesen und gut verstehen. Besonders gut hat mir gefallen, wie Stephan Kaußen die Entwicklung Südafrikas in einen größeren Kontext eingeordnet hat, nämlich das Weltgeschehen, insbesondere die Entwicklung Europas und der USA. Größere Zusammenhänge werden deutlich. Nicht immer ist es wertneutral geschrieben, dafür mitreißend und fesselnd. Die Kritik am aktuellen Präsidenten Südafrikas erscheint mir berechtigt.
Für mich war die Lektüre der 100 Seiten sehr wertvoll, informativ, bildend. Das Buch richtet sich an Jugendliche ab 13 Jahren. In der Eignung für Jugendliche ohne Vorkenntnisse stimme ich zu, empfehle es aber auch Erwachsenen zur Erweiterung der Allgemeinbildung.
Lesung und Diskussion in Bonn
Zu Ehren von Mandelas 100. Geburtstag, den er dieses Jahr gefeiert hätte, gibt es zahlreiche Veranstaltungen. In Bonn findet am 4. Dezember eine Lesung und Diskussion mit Stephan Kaußen statt:
WANN: 4. Dezember um 19 Uhr
WO: MIGRApolis, Brüdergasse 16-18, 53111 Bonn
Der Eintritt ist frei.
Was ist aus seinem Traum einer „wahrhaft afrikanischen Regenbogen-Nation“ geworden? Was können wir von einem der größten Friedensstifter und Brückenbauer der Menschheit gerade HEUTE noch lernen?
Die Lesung ist eingebunden in die Bonner Woche der Kulturen und Teil der Bonnections #WalkTogether Story Telling Reihe zum 100. Geburtstag von Nelson Mandela. (Auszug der Beschreibung aus der Facebook Veranstaltung)
Das Buch wurde mir vom Thienemann-Esslinger Verlag zur Verfügung gestellt.
Nelson Mandela (Link zur Verlagsseite mit Leseprobe)
Christian Nürnberger & Stephan Kaußen
Gabriel Verlag, 2018
ISBN: 978 3 522 30500 6