Wer bin ich und wer will ich sein?
Zentrale Fragen unseres Leben und für mich auch zentrale Frage in Tanja Voosens Geschichte „Nova & Avon“. Darüber habe ich bereits zum ersten Band geschrieben. Im zweiten Buch geht es auch ein bisschen mehr um die Frage:
Wer sind die anderen?
Wem kann ich vertrauen? Jemand, der sich nett verhält, hat nicht immer die besten Absichten. Jedem gleich zu unterstellen er oder sie wolle etwas von mir, bloß weil sich jemand mal nett verhält, führt auch zu nichts gutem.
Woher wissen wir, wer es wirklich gut mit uns meint?
Woher wissen wir, wer die anderen wirklich sind?
Wir wissen es nicht, aber durch zunehmende Erfahrungen können wir lernen, wem wir vertrauen können und welche Menschen uns eher nicht so gut tun. Keine leichte Aufgabe. Grundsätzlich niemandem zu vertrauen und an sich heranzulassen ist keine gute Lösung, um ein glückliches Leben zu führen. Dazu sind wir Menschen zu soziale Wesen. Wir brauchen einander. Je näher wir jemand anderen an uns heran lassen, desto eher gehen wir das Risiko ein, verletzt zu werden, eine ambivalente Wahrheit.
Nova & Avon
Im ersten Buch ist Nova eher das „arme kleine Mädchen“, die mit den verrückten Eltern, Mobbing-Opfer in der Schule und ihr passieren lauter blöde Sachen. Als wäre all das nicht schon genug hat sie auch noch mit Avon zu kämpfen, ihrem bösen Zwilling. Ich verrate sicher nicht zu viel, wenn ich sage, dass am Ende alles besser wird, schließlich ist es ein Kinderbuch. Die Geschichte war für mich wunderbar abgeschlossen und ich hatte keine Idee, wie es weiter gehen könnte.
Entsprechend beginnt die zweite Geschichte auch genau anders, alles ist prima. Die nervigen Mädchen aus der Schule sind immer noch nervig, aber Nova kann inzwischen besser damit umgehen. Ihre Eltern befassen sich immer noch mit dem übernatürlichen Kram und haben im Moment kaum Zeit für ihre Tochter. Hier entsteht ein ganz neues Problem, mit neuen magischen Konsequenzen … Möglicherweise ist Avon die einzige, die helfen kann.
Nicht nur Nova hat sich verändert, auch Avon …
Gut und Böse
Wenn Avon der böse Zwilling ist, ist Nova dann die Gute? Aber kann ein Mensch immer nur gut sein? Definitiv nicht. Nova hat auch ihre Schwächen und eine unbedachte Aussage im falschen Moment, hat für sie und ihre Eltern ernste Konsequenzen.
Im Umkehrschluss bedeutet das aber genauso, dass niemand durch und durch böse ist. Bei manchen Menschen ist das vielleicht schwer vorzustellen, doch das reine Schwarz-Weiß-Denken funktioniert nicht bei menschlichen Eigenschaften. Außerdem hat menschliches Verhalten immer auch einen Grund, egal ob wir ihn sehen und verstehen können. Oft kennen wir ihn auch selbst nicht. Hinter unserer Persönlichkeit stecken Gene, Erziehung und viele Erfahrungen. Verhaltensweisen, die nicht funktionieren, die nicht zielführend sind, lassen wir eher sein, als Verhaltensweisen, mit denen wir scheinbar Erfolg haben. Will man ein bestimmtes Verhalten eines anderen Menschen wirklich verstehen, muss man seine Gründe und Erfahrungen verstehen.
Mir gefällt gut, wie Tanja Voosen diese gute und böse Seite darstellt, die sich nicht ganz trennen lassen. Zunächst war ich etwas unzufrieden, hatte mir eine deutlichere Erklärung zu Nova & Avon gewünscht, aber so lässt sie uns noch Raum zum Überlegen und Interpretieren.
Hand aufs Herz, hast du auch einen bösen Zwilling? Wann kommt dieser zum Vorschein und kämpft darum, die Existenz zu übernehmen?
Fazit zum Buch
Auch der zweite Teil von „Nova & Avon“ ist ein schönes Kinderbuch über Freundschaft und die erste Verliebtheit. Beim Lesen der Geschichte hatte ich aber doch zunehmend das Bedürfnis Nova wachzurütteln, damit sie endlich versteht, was um sie herum los ist. Auf Seite 189 steht dann folgender Satz am Ende des Kapitels:
Doch da war auch diese innere Stimme, die an ihr nagte und ihr zuflüsterte: Du übersiehst etwas!
Ja verdammt!, kann ich da nur sagen. Nachdem Avon dann tatsächlich zurückgekehrt ist, wird es zunächst lustig und dann spannend und böse …
Nova & Avon – Avons Rückkehr
Tanja Voosen
Carlsen, 2018
ISBN: 978-3-551-65382-6