Diese Woche ist meine Oma 91 Jahre alt geworden, ich war einen Tag nach ihrem Geburtstag da, damit es ihr nicht zu viel wird. Der Geburtstag selbst war toll, eine Freundin war da, meine Mama, ihr Bruder und meine Tante, meine Cousins und Cousinen mit ihren Kindern.

Das Bild stammt von der eisernen Hochzeit meiner Großeltern vom 2022 und ich fand es noch einmal passend, wegen des Spruches am Blumengesteck „Thank you for beeing a Key part of ourlives“

Wenn vieles nicht mehr geht …

Mein Opa war der erste, der nicht mehr gut sah und hörte. Irgendwann fing es bei Oma auch an, dann kam mehr dazu. Die Frage, kann sie noch in der Wohnung bleiben, braucht es mehr Pflege, steht schon länger im Raum.

Nach und nach ging vieles nicht mehr, was ihr wichtig war. Meine Oma war immer sehr aktiv gewesen, war großartig in Handarbeiten, früher war es mal Stricken gewesen, dann war es besticken von Tischdecken, jede Menge hat sie für den Weihnachtsbasar der Kirche angefertigt. Dazu Gelee eingekocht und Plätzchen gebacken. Handarbeiten gehen schon seit Jahren nicht mehr, irgendwann konnte sie auch keine Plätzchen mehr backen. Aus dem Lesen von Büchern wurde das Hören von Hörbüchern und im Sommer habe ich noch mit ihr auf dem Balkon gesessen und nach Spielen gesucht, die sie Spielen kann.

Auch das geht nicht mehr.

Erinnerungen

Ferien bei Oma und Opa war immer auch Zocken. Wir haben auch tolle Ausflüge gemacht, ich habe Bücher gelesen und es wurde immer viel gespielt, meist schon nach dem Frühstück. Als erstes Enkelkind habe ich sehr viel Zeit mit Oma verbracht, Opa hat damals noch gearbeitet.

Es war eine tolle Zeit, eine besondere Zeit, an die ich mich gerne zurück erinnere. Ein Ausflug war Pflicht und der ging zur Burg Linn. Dort habe ich vor vielen Jahren mit meinen Cousinen und Cousins zusammen ein Shooting gemacht, eine riesige Collage hängt heute im Flur meiner Großeltern.

Eines ist mir bewusst geworden, als ich diese Woche da war, Oma, die nichts tut, gab es nie. Sie war immer beschäftigt.

Oma im Sessel

Jetzt sitzt Oma im Sessel, ich weiß nicht, wie viel sie mitbekommt, von dem, was ich ihr erzähle. Weiß sie, wer ich bin? Weiß sie, dass ich da bin?

Ich glaube, sie bekommt mehr mit, als es den Anschein hat. Sprechen scheint anstrengend, sie ist auch nicht immer gut zu verstehen. So habe ich bei ihr gesessen, mal etwas erzählt, ohne sicher zu sein, ob sie mir zuhört. Manchmal fallen ihr die Augen zu, doch wenn ich mich frage, ob sie schläft, blinzelt sie wieder. Sie ist noch da, also rede ich weiter, erwarte keine Antwort.

Zwischendurch schweige ich, will nicht zu viel sein. Es ist anstrengend, wenn jemand die ganze Zeit redet, finde ich und ich merke, dass ich meiner Oma in vielem ähnlich bin.  Mir fällt es auch schwer, gar nichts zu tun. Es erstaunt mich selbst, wie leicht es mir fällt, einfach neben ihr zu sitzen, ohne ein Spiel.

Verbundenheit

Wir sitzen zusammen, ich streichle ihr den Arm, sie greift meine Hand. So sitzen wir da, ohne zu reden oder zu spielen. Haben wir glaube ich noch nie gemacht. Außer damals als ich krank war, Mandelentzündung in den Sommerferien, es gab viel Eis. Da habe ich viel Zeit auf dem Sofa verbracht, Oma war viel bei mir, hat mir vorgelesen. Irgendwas haben wir zusammen gemacht, sie hat dafür gesorgt, dass mir nicht langweilig wird.

Was uns diesmal blieb, war die Nähe. Ich habe gespürt, dass es ihr gut tat, dass ich da war. Es gab auch einen Moment der Traurigkeit, sie hat geweint und ich habe sie im Arm gehalten, dann haben wir gemeinsam geweint.

Das sei ok, habe ich ihr gesagt.

In den letzten Jahren habe ich meine Großeltern nur noch selten gesehen. Ein Teil meiner Familie wohnt in derselben Stadt, die sehen sich öfter. Sehr weit ist es nicht, ich könnte öfter hinfahren, habe ich aber nicht.

Ich war froh, dass ich diese Woche da war, es war anders, ruhiger und intensiv. Ich konnte meiner Oma sagen, wie viel sie mir bedeutet und ich durfte selbst spüren, wie verbunden ich mich ihr fühle, das hat uns beiden gut getan, hoffe ich.

Schrecklich gerne würde ich mehr für sie tun. Früher hat sie mal gesagt, sie wünsche sich nichts, hauptsache wir wären da und genau das ist das wertvollste, was ich ihr jetzt geben konnte.

***

Dieser Beitrag entstand in der 50. Blognacht von Anna Koschinski, zum Impuls „Eine starke Verbindung“, Ein Jubiläum, ein 91. Geburtstag und ganz viel Verbindung, zu Anna, der Blognacht und die Verbindung zwischen mir und Oma. Es passte mal wieder herrlich zusammen.

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