Hologrammatica ~ Tom Hillenbrand
Hologrammatica ~ Tom Hillenbrand

Was wäre die logische Antwort auf die Frage nach der Rettung der Erde? Frei von Moral und Emotion, was wäre die effektivste Methode?

Wenn eine KI das Umweltproblem lösen würde, wäre eine Dezimierung der Menschheit nicht ein konsequente, wenn auch unethische Lösung, sofern wir nicht bereit sind unser Verhalten im Umgang mit der Umwelt zu ändern?

Das ist Stoff für zahlreiche Dystopien und Science Fiction Romane. Tom Hillenbrand nahm diese These auf und schrieb einen spannenden SciFi-Thriller „Hologrammatica“.

Eine gute Geschichte braucht eine gute Figur

Tom Hillenbrands Figur heißt Galahad Singh. Er zeigt uns seine Welt im Jahre 2088, seine Sorgen, seinen Alltag und nimmt uns mit auf die Suche nach seinen Milchtüten. Milchtüten bezeichnet vermisste Personen, in Anlehnung an die Bilder von vermissten Personen, die in den 80ern auf Milchtüten gedruckt wurden. Im Jahre 2088 verschwinden noch immer Menschen, viele von ihnen freiwillig. Ihre Gesichter werden nicht auf Milchtüten gedruckt, es werden private Ermittler engagiert, um sie wieder zu finden. Es würde auch nichts nützen ihre Bilder zu verbreiten, denn gerade diejenigen, die freiwillig in der Absicht ein neues Leben zu beginnen, verschwinden, verändern ihr Aussehen.

Faszinierende technische Fortschritte verändern das Leben völlig. Ein nicht zu unterschätzender Faktor ist der Einfluss der sich verändernden Umweltbedingungen, die im Roman tatsächlich Sibirien zu einem attraktiven Ziel werden lassen.

Galahads Geschichte ist eine gute Mischung aus Kriminallfall, sozialen und politischen Themen. Ein faszinierender Blick in eine mögliche (?) Zukunft.

Würdest du eine Datensicherung von deinem Gehirn anfertigen?

Eine gruselige, wie reizvolle Vorstellung. Das eigene Gehirn sichern. Die gesicherten Daten in einen neuen Körper hochladen und in diesem weiterleben oder eine gewisse Zeit verbringen. Traum oder Albtraum?

In Hologrammatica ist dies unter einer entscheidenden Einschränkung möglich: Der Aufenthalt in einem fremden Körper ist nur begrenzt möglich, auch wenn dies ein eigener Klon ist. Dies kann viele Vorteile haben, den eigenen Körper in gefährlichen Situationen schützen oder auch Entfernungen zurücklegen, indem nur die Daten transferiert werden.

Es geht nicht um Unsterblichkeit. Es geht um Wandelbarkeit. Um Spaß.

Hologrammatica, Tom Hillenbrand, Seite 162

Zukunftsszenarien – Wie wollen wir leben?

Eine KI kann alle zukünftigen Szenarien durchspielen, so wie ein Schachcomputer alle Zugkombinationen.

Hologrammatica, Tom Hillenbrand, Seite 477

Genau das machen zahlreiche Autoren von SciFi-Romanen und Dystopien. Jeder einzelne Roman ist ein Szenario, das mit gewissen Wahrscheinlichkeiten tatsächlich eintreffen könnte. Es liegt in unserer Hand zu wählen welches Realität wird. Wir müssen unsere Zukunft aktiv gestalten.
Zentrale Themen sind immer wieder: die Rettung der Erde vor den Menschen oder Bedrohungen aus dem Weltall, die Verhinderung einer Klimakatastrophe und die technologische Entwicklung. Viele Fortschritte erleichtern uns das Leben, wir müssen bedenken, welchen Preis wir für welche Entwicklung bezahlen. Sind wir dazu bereit? Eine Frage, die sich nicht erst in der Zukunft stellen wird, sondern bereits heute. Persönliche Daten sind bereits eine äußerst wertvolle Währung.

Spannende Lektüre mit Stoff zum Nachdenken

Die Figuren sind detailliert ausgestaltet und werden sehr lebendig dargestellt. Ebenso ist die Welt in sich stimmig und faszinierend komplex. Allerdings habe ich meine Schwierigkeiten mit dem Schreibstil. Die Geschichte wird im Präsens erzählt, was mein Kopf automatisch ins Präteritum übersetzt. Es dauert einige Kapitel, bis ich bemerke, warum ich das Lesen als so anstrengend empfinde, während mich die Geschichte so fasziniert.

Was mir besonders gut gefällt ist, dass das Buch keine klare Antwort gibt, ob die Künstliche Intelligenz gut oder böse ist. Kann sie überhaupt gut oder böse sein, wenn sie rein rational logisch auf Basis von Daten entscheidet? Entscheidend ist, dass eine KI eben nur auf Basis der Datenlage lernen und entscheiden kann. Welche Daten stehen zur Verfügung und auf Basis welcher Variablen werden die Entscheidungen getroffen?

Das offene Ende ist allerdings gemein zu lesen, denn auch ich hätte gerne mehr Antworten, wenn ich es aber richtig verstanden habe, wird es keinen zweiten Band geben.


Das Buch wurde mir von Kiepenheuer & Witsch zur Verfügung gestellt.

Hologrammatica (Link zur Verlagsseite mit Leseprobe und Buchtrailer)
Tom Hillenbrand
Kiepenheuer & Witsch, 2018
ISBN: 978-3-462-05149-0