Fragen stellen ist so wertvoll

Neulich las jemand meinen Beitrag über „Inneres Auge und inneres Ohr“ und stellte mir die Frage: Wie malst du, wenn du vor deinem inneren Auge nichts siehst?

Diese Frage war Teil eines längeren Gespräches, kam ehrlich neugierig und sehr passend daher. Sie löste in mir so viel aus.

Der erste Gedanke: Ich kann nicht gut malen. Nein, ich sehe nichts vor dem inneren Auge, dass ich abmalen könnte. In dem Moment erkannte ich, dass andere diese Möglichkeit haben.

Dann begann ich mein kindliches Malverhalten zu reflektieren. Ich habe mich immer wieder ähnliche Motiven versucht.

Lange habe ich mich bemüht ein Pferd zu malen, was mir nicht besonders gut gelang. Proportionen bereiteten mir Schwierigkeiten. Mit einem Zeichenbuch versuchte ich einen Sommer lang Menschen zu zeichnen. Während ich aus dem Buch abzeichnete, klappte es deutlich besser. Mein bestes Kunstprojekt, nicht von den Noten her, sondern, meiner eigenen Einschätzung nach, war ein Stilleben, das ich selbst arrangierte und von einem Foto abmalen durfte. Das Bild hatte meine Mama sogar aufgehängt.

Abzeichnen ist also ein wichtiges Element für mich und möglicherweise auch andere, die dafür Visualisieren.

Sketchnotes

In der Sketchnote Community wird propagiert: Jede*r kann zeichnen. Das habe ich angenommen und es versucht. Auf einem virtuellen Barcamp habe ich an einem Workshop teilgenommen und die Idee, dass alles aus einfachen Formen besteht, hat mir gut gefallen.

Auch hier war Abzeichnen für mich wieder ein Faktor, der mir nicht bewusst war. Selbst Dinge in einfache Formen zu zerlegen fiel mir schwer. Ich kann jetzt nachvollziehen, wie es für andere leichter ist. Stell mir einen realen Gegenstand hin, dann schaffe ich das auch. Meine ursprüngliche Schlussfolgerung war, ich sei nicht visuell kreativ.

Idee mehr Üben

Wie ich Sketchnotes für mich nutzen könnte, dazu hatte ich einige Ideen, mir selbst welche ausdenken, war schwierig.

Ich kaufte mir Bücher und übte. Am Tisch sitzen und die Figuren aus dem Buch abzeichnen war eine entspannte Tätigkeit. Dieselben Figuren aus dem Gedächtnis zeichnen, gelang nicht. Es kam mir vor wie Vokabeln lernen und ich dachte, ich müsse einfach mehr üben.

Dennoch fehlt der Transfer

Es gelang mir nicht, die Formen auswendig zu lernen, mir Anwendungen aus dem Gedächtnis zu überlegen und möglicherweise auch noch neue Formen auszudenken.

Ich nahm erneut an einer Sketchnote-Session teil, die völlig frei war von Vorgaben. Mal mal, sagten sie und gaben mir noch einen Impuls. Wäre das ein Schreibimpuls gewesen, hätte ich begeistert losgelegt. So zeichnete ich was auf mein Blatt und mir war bewusst, dass ich keine Sketchnote-Techniken anwandte. Es gelang mir einfach nicht. Das Bild zeigte ich nicht und verließ die Session auch vorzeitig. Den Menschen, die diese Art von Treffen so sehr liebten, verriet ich nicht, wie mies ich mich währenddessen gefühlt habe.

Es ist Ok anders zu sein

Kein visuelles Vorstellungsvermögen zu haben wird als Aphantasie bezeichnet. Als ich das gelesen hatte, war ich erschüttert. Ich sollte kein phantasievoller Mensch sein.

Blödsinn!

Vor einer Weile behauptete ich das in einem LinkedIn Kommentar, man könne auch ohne Dinge vor dem inneren Auge zu sehen, ein kreativer und phantasievoller Mensch sein. Die Person sagte, nein, das sei unmöglich. Wir sind da unterschiedlicher Meinung, ich habe es so stehen lassen. Damals hat es mich verletzt.

Dagegen sind viele Menschen erstaunt, wenn ich erzähle, ich könnte vor meinem inneren Auge nichts sehen. „Du? Wirklich?“

Und warum reagieren sie so? Weil sie mich als phantasievoll und kreativ erleben.

Ich bin anders als viele Menschen. Es sind wohl nur 4% der Menschen, die nichts vor ihrem inneren Auge sehen. Also zähle ich zur Minderheit.

Das ist ok und es wird immer mehr ok für mich, je besser ich mein Anderssein verstehe.

Es hat übrigens auch Vorteile. Kennst du dieses unangenehme Kopfkino? Wenn du Bilder im Kopf hast, die du lieber nicht sehen möchtest? Habe ich nicht.

Unangenehme Töne, Gerüche oder Schmerzen dagegen kann ich auch wahrnehmen. Ich bin nämlich auch empathisch und phantasievoll. Vorstellen kann ich mir das Kopfkino auch, es ist aber eher wie einen Film mit geschlossenen Augen sehen.

 

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