Als Tina Skupin mir ihr Buch „Valkyrie“ zur Verfügung stellte, deutete sie an, sie wäre für „Aktionen offen“. Die Beschreibung des Buches las sich für mich so: Sagenhafte Wesen tauchen im modernen Stockholm auf. Sagenwesen prallen auf Realität und aufeinander. Da kam mir doch gleich eine verrückte Idee, Tina eine besondere Aufgabe zu stellen.
Was wäre, wenn ihre Sagengestalten plötzlich in meinem Bonn auftauchen? Sie stellte sich der Herausforderung, bekam von mir Fotos und eine kleine Route zur Inspiration. In der folgenden Szene kommen die Norsen aus „Valkyrie“ nach Bonn … Es gibt keine Spoiler zum Roman, ihr könnt die Szene lesen, ohne das Buch zu kennen. Eine kleine Kostprobe von Tinas humorvoller Schreibweise.
„Heute ist nicht das Ende aller Tage, denn Frida hat Urlaub!“, intonierte Bragi mit dramatischer Stimme. Ich kicherte. An dem kleinen Näckar war ein Schauspieler verloren gegangen.
„Wo ist das schon wieder her?“, rief ich ihm zu.
Er grinste und zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht mehr. Aber klingt cool, oder?“
Wir glitten unter den steinernen Bögen einer Brücke hindurch. Vom Ufer erklang ein Singen, als wollte es uns am Rhein willkommen heißen.
„Das war die alte Rheinbrücke, jetzt sind wir fast da“, rief Maja. Ich blickte auf.
„Seit wann bist du so enthusiastisch?“
„In Bonn gibt es das allerbeste Eis! Und abgesehen davon, weißt du, wann ich das letzte Mal Urlaub hatte?“
„Erklärt ihr mir noch mal das Konzept?“, fragte ich.
Bragi schüttelte den Kopf. „Das kann doch nicht sein, dass du keinen Urlaub kennst?“
„Ich sag dir doch: Auf Asgard gab es so etwas nicht.“
„Also: im Urlaub fährt man an einen anderen schönen Platz, man isst und trinkt gut, und man umgibt sich mit netten Leuten.“
„Deswegen haben wir Loki zuhause gelassen?“
„Genau!“
Ich blickte auf und erschrak, als ich das Ufer näherkommen sah. „Leute? Wir rammen gleich den Rand! Maja, was ist los mit dir?“ Maja war an die Reling getreten und summte die Melodie mit, die vom Ufer herüber schallte. Ihre vier eichenbraunen Arme hielten sich fest. Ich rannte zum Steuerrad, aber es war blockiert. Maja kontrollierte das Schiff, und es gehorchte niemand anderem. Ich griff meinen Becher und schüttete ihr das Wasser ins Gesicht, aber auch das konnte sie nicht aus ihrer Trance wecken. Das Holz unter uns zitterte. Gleich würden wir aufsetzen, wenn ich nicht sofort etwas unternahm. Ich packte Maja und warf mich mit ihr über den Rand.
Die Maisonne war in Deutschland viel wärmer als in Skandinavien, aber das Wasser des Rheins war eiskalt. Und es erfüllte seinen Zweck. Sobald wir eintauchten, brach der Gesang ab und Maja begann, in meinen Armen zu zappeln. Ich hielt sie fest und schwamm zurück an die Oberfläche.
„Frida, verdammt, was sollte das?“
Ich schüttelte den Kopf. „Das frag ich dich! Du hättest uns fast auf Grund gesetzt! Maja?“ Ich folgte ihrem Blick und sah eine blonde Frau an Ufer stehen.
„Wer ist das?“, fragte ich.
„Lorelei!“
Wir legten an einer Plattform an, die auf den Rhein hinauswies. Eigentlich war dieses keine offizielle Anlegestelle, aber da die Menschen unser Boot nicht sahen, war das kein Problem. Wir setzten unsere menschlichen Tarnungen auf und machten uns auf den Weg.
„Warum schielst du da hoch, Frida?“, fragte Bragi.
Ich wies auf die Festungsmauer vor uns. „Da oben stehen Kanonen.“
„Die funktionieren nicht mehr.“
„Bist du sicher? Warum stellen sie die auf?“
„Zur Dekoration. Um zu zeigen, wie es früher war.“
Ich seufzte. Menschen!
Wir ließen das Rheinufer hinter uns und überquerten eine große Straße. Ein riesiges gelbes Gebäude ragte vor uns auf. „Universität Bonn“ informierte mich ein Schild über den Zweck. Das hätte ich aber auch so erraten können, denn die Wiese nebenan war voll mit Studenten. Sie lagen und lasen, oder sonnten sich. Einer der Jungen zog gerade sein T-Shirt aus und ich blieb stehen, aber die anderen zogen mich weiter.
„Komm, Frida! Wir wollen dir die Sehenswürdigkeiten zeigen.“
„Ich finde das hier sehenswürdig!“, protestierte ich.
„Es gibt Besseres!“
„Was denn?“
„Eiscreme!“
Ich zögerte einen Moment. „Okay, da hast du Recht!“
Wir erreichten den großen Marktplatz, mit seinen zahlreichen Cafés. Die linke Seite lag noch im Schatten, aber es war so warm, dass wir uns hinsetzen konnten. Frühling war doch etwas Wundervolles!
Aber das Beste war das Eis. In Deutschland gab es Cafés, die Eis servierten. So etwas sollten wir in Schweden auch einführen! Ich wollte gerade bestellen, als ich die Frau am Nebentisch bemerkte. Sie hatte langes, blondes Haar, das bis zum Boden reichte, und wenn ich meine Augen zusammenkniff, konnte ich unter ihrer Illusion ihre Haut grünlich schimmern sehen. Außerdem war sie, abgesehen von uns, der einzige Nichtmensch. Ich griff nach meinem Schwert und schlenderte unauffällig zu ihr hinüber. Verdammt! Das würde blutig enden! Und dabei hatte ich doch Urlaub!
Ihr Lächeln gefror, als sie mich vor sich sah.
„Nettes Café! Tolle Eisbecher“, sagte ich. Sie nickte stumm.
„Können Sie mir einen empfehlen?“
Ihre Hände zitterten, als sie die Karte nahm. „Sie mögen bestimmt was Hartes, mit Vodka oder Met?“, fragte sie.
Ich schüttelte den Kopf. „Unsinn. Das habe ich ja jeden Tag. Am liebsten tropisch, mit Kokos, oder Mango. Übrigens, wenn Sie nicht aufhören zu summen, schlag ich Ihnen den Kopf ab.“ Sie verstummte abrupt.
„Sie sind Lorelei?“
Sie nickte. „Die Jungfrau vom Felsen.“
„Ich hab von Ihnen gehört. Aber sollen Sie nicht woanders sein? Keine Geschichte sagt, dass Sie in Bonn leben?“
Lorelei schnaufte. „Warum sollte ich auf einem Felsen leben? Im Studentenwohnheim hier gibt es Heizungen.“
„Sie suchen Ihre Opfer also im Studentenwohnheim aus?“ Ich packte mein Schwert fester.
Lorelei rückte von mir ab. „Ich studiere dort Jura. Hören Sie, ich weiß nicht, was Sie hier treiben. Aber die Polizei wird gleich hier sein.“
„Die … Polizei?“
„Was denken Sie denn? Sie bedrohen mich mit einem Schwert.“
„Aber…“ Ich spürte, wie mir die Initiative entglitt. „Aber Sie haben unser Schiff bedroht.“
„Ich singe jeden Morgen am Rheinufer. Woher sollte ich denn wissen, dass ihr da vorbeikommt?“
„Frida?“, sagte Maja hinter mir.
„Ja?“
„Da kommt die Polizei.“
„Können wir erklären, dass das nur ein Missverständnis war?“, keuchte ich.
„Nein! Lauf schneller!“
Wir flohen die Gasse hinab. Vor uns schimmerte der Rhein. Wir stürzten aufs Boot und legten ab. Die Polizei verfolgte uns, ließ aber nach einigen Kilometern von uns ab. Scheinbar reichte Loreleis Magie nicht weiter.
„Das war’s dann wohl mit unserem Urlaub!“, stöhnte ich.
Maja schüttelte den Kopf. „Wir fahren weiter nach Königswinter!“
„Was wollen wir da?“
„Nach Königswinter, da gibt es auch gutes Eis. Aber eins sag ich dir, Frida!“
„Ja?“
„Wenn du da den Drachen anpisst, kannst du was erleben!“
(c) Tina Skupin
Herzlichen Dank Tina, für die wunderbare Szene
Lust darauf, mehr über Frida und ihre Truppe zu lesen? Dann empfehle ich dir „Valkyrie“. Hier geht es zur Seite von Tina Skupin, mit zahlreichen weiteren Informationen zur nordischen Buchreihe. Ich hoffe Frida und ihre Freunde sind rechtzeitig zu den Ereignissen von Band 2 wieder in Stockholm und konnten vorher ihr Eis genießen.