Das Ensemble von "Lenoce und Lena" inklusives Theater - Bild: (c) Lebenshilfe Bonn/ Eugenia Brüse

Das Ensemble von „Lenoce und Lena“ inklusives Theater – Bild: (c) Lebenshilfe Bonn / Eugenis Brüse

Ich liebe Geschichten. Manch eine Geschichte berührt mich tief. Geschichten live auf der Bühne zu erleben ist jedes Mal ein wunderbares Erlebnis. Gestern erlebte ich eine Aufführung, die mich auf ganz andere Art tief berührt hat. Es war gar nicht so sehr die eigentliche Geschichte, die die Schauspieler erzählt haben. Es waren die Schauspieler und Schauspielerinnen selbst. Sie alle waren so unglaublich großartig und mit einer ganz besonderen Leidenschaft dabei. Wen diese wunderbare Aufführung von „Leonce und Lena“ im GOP Varieté Theater kalt gelassen hat, an demjenigen ist wirklich etwas vorbei gegangen.

Leonce und Lena

Leonce ist ein Prinz dessen Leben aus einer Menge Langeweile besteht. Er philosophiert über die Langeweile und die Idee, dass Menschen doch nur aus Langeweile lieben. Mit sich selbst und dem Leben ist er unzufrieden.

Ich bin ein Buch ohne Buchstaben.

Die Idee seines Vater, er solle Prinzessin Lena heiraten und König werden, missfällt ihm. Sämtliche Vorschläge von Valerio, etwas anders aus seinem Leben zu machen, schmettert er ab. Gemeinsam gehen sie fort.

Währenddessen ist auch Prinzessin Lena unglücklich. Warum sollte sie einen Prinzen heiraten, den sie nicht einmal kennt? Sie möchte jemanden heiraten, den sie auch liebt. So ergreift auch sie die Flucht vor der Hochzeit, gemeinsam mit ihrer hochschwangeren Gouvernante …

Es kommt alles, wie es kommen muss: Eine Begegnung … Alles mit einer unglaublichen Leidenschaft von der inklusiven Schauspielgruppe inszeniert.

Theater Inklusiv

Das Ensemble der Laienschauspielgruppe „17:30“ ist inklusiv. Das bedeutet die Mehrzahl der Mitglieder hat eine Behinderung. Es gab große und kleinere Rollen. Der Zusammenhalt der Gruppe war sichtbar, gegenseitige dezente Unterstützung auf der Bühne.

Jeder einzelne von ihnen hat einfach alles gegeben an diesem Abend! Wir haben sehr viel gelacht und mit Leonce und Lena mitgefühlt. Auch mit dem König, der eine solche Ausstrahlung hatte, dass er die Bühne bereits ausfüllte, bevor er überhaupt das Wort ergriffen hatte. Alle anderen Rollen hatten ihren ganz besonderen Auftritt.  Es gab zwischen der Haupthandlung zahlreiche kleine Szenen, liebevoll inszeniert und großartig gespielt. Während Henrik, der Schauspieler von Leonce bereits seit fünf Jahren Theater spielt, war es für die Schauspielerin der Lena, Antonia, der erste (bzw. gestern zweite) große Auftritt. Mir wurde erzählt, sie habe im letzten Jahr beim „Froschkönig“ im Publikum gesessen und sich gewünscht, im nächsten Jahr dabei zu sein. Es macht mich sehr glücklich, dass ihr Wunsch in Erfüllung gegangen ist und ich ihre Freude darüber miterleben durfte.

Das Publikum

Nicht nur die Truppe auf der Bühne war inklusiv, auch das Publikum. Mehrere Bewohner der Wohngruppen der Lebenshilfe waren mit ihren Betreuern im Publikum.  Dazwischen Ehrengäste und andere Theaterbesucher.

Die Atmosphäre im Publikum war ebenfalls besonders. Noch relativ zu Beginn hörte ich eine Stimme, leise, aber klar vernehmlich:

Darf ich applaudieren.

Gerne hätte ich geantwortet: Du darfst immer applaudieren, wenn es dir gefällt.

Später gab es eine Szene in der der Wechsel von Nacht und Tag visualisiert wurde, indem erst ein Mond und anschließend eine Sonne über die Bühne getragen wurde. Während der Mond über die Bühne getragen wurde, stimmte eine Stimme ein Schlaflied an. Nur kurz, aber sehr passend!

Frei von jeglicher Ettikette war das GOP-Theater von ungefilterten Gefühlen erfüllt, auf der Bühne und im Publikum. Es war ein Ping-Pong-Spiel zwischen dem Ensemble und uns. Am deutlichsten sichtbar wurde dies beim Finale. Während die Schauspielgruppe auf der Bühne sich verbeugte und unseren wohlverdienten Applaus genoss. Ganz besonders der Schauspielerin der Lena sah man an, wie glücklich sie war. Sie strahlte und streckte stolz die Arme in die Luft. Es war ihr Abend, der Abend der inklusiven Schauspielgruppe und unser aller Abend, die wir mit dabei sein durften.

Ganz großes Theater!

Projekt Theater Inklusiv

Das inklusive Theater ist ein Projekt der Lebenshilfe Bonn unter der Organisation von Marion Frohn. Ein Jahr hat die Gruppe zusammen unter der Leitung von Regisseurin Katharina Weishaupt geprobt. Gefördert wurde das Projekt von der Aktion Mensch und unterstützt vom GOP Varieté Theater durch das Bereitstellen der Bühne, nicht nur für die beiden Aufführungen, sondern auch für die Proben. Eine wunderbare Kooperation! Das Theater verfügt über einige barrierefreie Sitzplätze. Eine Fortsetzung im nächsten Jahr wird es hoffentlich geben. Mein Eindruck war, dass die Beteiligten auf jeden Fall alle Lust dazu haben.

Die Lebenshilfe Bonn zeigt wunderbar anschaulich, zu was Menschen mit einer Behinderung fähig sind. Eine solche Aufführung ist für mich gelebte Inklusion deluxe. Auch in vielen anderen Aktionen zeigt die Lebenshilfe Bonn deutlich, dass es ihnen nicht darum geht in Wohngruppen Behinderte zu verwahren. Es geht um Menschen, Menschen, die ihr Leben leben und dies mit großer Freude tun.

Danke an all die wunderbaren Menschen, die diesen Abend ermöglicht haben: die Schauspielgruppe und ihr Background-Team, ehrenamtliche Helfer, Geldgeber und alle anderen Beteiligten. Danke, liebe Ute, dass du mich mitgenommen hast!

Ich wünsche mir mehr solche Projekte!