Hier findet ihr das erste Kapitel der Sonntagsgeschichte.
Dieses Kapitel ist ein ganz besonderes und lässt sich auch ganz gut lesen, ohne die ersten Kapitel zu kennen. Der Ort, den Josephine besucht ist real, die Problematik ebenfalls und für die Figur auf die sie trifft gibt es tatsächlich eine reale Vorlage.
Nach gut zwei Wochen lockerte Josephines besorgte Mutter endlich die Bettruhe. Es war verflucht schwierig gewesen brav im Bett liegen zu bleiben, obwohl das Bein längst verheilt war. Da Josephine die Heilung nicht erklären konnte, musste sie den Verband am Bein weiterhin tragen. Die ersten Tage hatte sie noch gemütlich im Bett mit ihren Büchern genießen können. Ab und zu kam Angi vorbei. Sie hatte sich ein paar mal mit Mike getroffen, war sich aber noch immer unsicher, was das zwischen ihnen war und ob da jemals etwas laufen würde.
Basti war auch da gewesen, sie hatten nicht viel geredet, schon gar nicht über das Grillen am Rhein oder den Unfall. Sie hatten einfach zusammen Spiele gespielt und Filme geschaut. Er war einfach da und leistete ihr Gesellschaft.
An dem Morgen als ihre Mutter sie endlich aufstehen und das Haus verlassen ließ, tanzte Josephine durch ihr Zimmer, zog sich ihr liebstes Sommerkleid an und machte sich alleine auf den Weg nach Köln. Sie benötigte dringend neuen Lesestoff und in Köln gab es direkt am Hauptbahnhof ihre liebste Buchhandlung. Sie hatte den Laden vor etwa zwei Jahren ganz zufällig entdeckt, als sie mit Freunden in Köln verabredet war und dank ihrem Tick immer überpünktlich zu sein, einen Zug zu früh erwischt hatte und entsprechend früh am Kölner Hauptbahnhof ankam. Direkt am Ausgang zur Domplatte befindet sich die Buchhandlung Ludwig. Eine halbe Stunde hatte sie Zeit und es war letztendlich das erste Mal gewesen, dass sie als letzte am Treffpunkt mit ihren Freunden erschien. Im ersten Stock der Buchhandlung befand Josephine sich in einem Paradies einer unglaublichen Auswahl an Lieblingsbüchern, Fantasy, Science Fiction, Comics und Mangas. Es war ein schöner, aber auch sehr gefährlicher Ort. Ihre Schutzmaßnahme lautete: Nimm nur Bargeld mit und begrenze so das Budget, dass du ausgeben möchtest. Sie hatte sich einen 50er eingesteckt und kam bester Laune in Köln an.
Sie war schon länger nicht mehr da gewesen. Im Lernstress fürs Abitur hatte sie kaum Zeit zum Lesen gehabt, das würde sich jetzt endlich ändern. Direkt bei Betreten des Ladens fiel ihr ein großer blau-weißer RETTUNGSRING mit der Aufschrift „Save Ludwig“ auf. Ein ungutes Gefühl beschlich sie. Was war hier los? Sollte ihre liebste Buchhandlung etwa schließen?
Nicht mehr ganz so fröhlich fuhr sie mit der Rolltreppe in den ersten Stock. Die Sorge war schnell vergessen, denn sie war angekommen. Es war ihr zur Tradition geworden erst einmal ein neues Comic auszuwählen. Die Auswahl war groß, die Entscheidung nicht leicht. Da sie vor einigen Wochen mit großer Begeisterung und vielen Tränen den zweiten Teil von „Guardians of the Galaxy“ zusammen mit Basti im Kino gesehen hatte, fiel ihre Wahl dann doch recht schnell auf ein Mavel-Comic „Avengers & Guardians of The Galaxy“.

Comics im LUDWIG
Mit dem Heft in der Hand schlenderte sie zu den Büchertischen. So viele schöne Bücher, zu viele schöne Cover. Ein Buch, liebevoll auf der Ecke dekoriert lachte sie an. „Mein böser, böser Zwilling“ war der Untertitel zu „Nova & Avon“, geschrieben von Tanja Voosen. Ganz automatisch griff ihre Hand nach dem Buch, überflog den Klappentext „Ein Buch wie ein Gute-Laune-Zauber“, genau das brauchte sie jetzt. Von Tanja Voosen hatte sie bisher noch nichts, bis auf eine wunderbare Weihnachtsgeschichte gelesen.
„Na, heute mal ein Kinderbuch für dich?“, sprach eine bekannte Stimme sie von der Seite an. Josephine wandte sich um, neben ihr stand ihr Lieblingsbuchhändler Marcel, der sie gerne damit aufzog, dass sie hin und wieder gerne ein Kinderbuch las. „Wenn erwachsene Autoren Kindergeschichten schreiben, darf ich sie als Erwachsene auch lesen!“ (Hinweis frei zitiert nach Tanja Voosen.)
„Bist du das denn inzwischen? Erwachsen?“, lachte Marcel sie freundlich an.
„Ja, das bin ich tatsächlich, zumindest laut meinem Ausweis.“ Sie mussten beide lachen.
„Soll ich dir beim Aussuchen helfen, oder hast du schon genug gefunden?“, fragte er auf ihre beiden Schätze im Arm deutend. Es war gefährlich, sich auf Marcels Angebot einzulassen, seine Empfehlungen waren immer sehr gut, aber Josephine hatte ja ihren Schutz dabei, ihr begrenztes Budget. Also nickte sie, gespannt, was er ihr heute zeigen würde. Vorher hatte sie jedoch eine Frage. „Was ist hier eigentlich los, warum der Rettungsring?“
Das vertraute fröhliche Lachen verschwand aus Marcels Gesicht und er sah auf einmal sehr traurig aus. „Ach Josephine, du hast es noch gar nicht mitbekommen? Unser Mietvertrag wurde nicht verlängert und demnach ist 2019 hier Schluss.“ Darauf fiel Josephine nichts ein und sie konnte den Buchhändler nur entsetzt anstarren. „Die Kündigung erfolgte fair mit einer langen Vorlaufzeit, aber es stimmt uns traurig. Wusstest du, dass wir die älteste Bahnhofsbuchhandlung Deutschlands sind?“ Josephine schüttelte traurig den Kopf. „Warum?“, konnte sie nur fragen. „Tja, es gibt tatsächlich einen Grund. Es steht im Zusammenhang mit dem verbesserten Sicherheitskonzept hier am Bahnhof.“
„Aber warum dafür eine Buchhandlung schließen? Warum nicht einen der zentraler gelegenen Läden?“
Josephine blickte sich um, es war voll im Laden. Viele Menschen mit Reisekoffern, die offensichtlich auf der Suche nach einer Reiselektüre waren. Das konnte doch einfach nicht wahr sein. „Was ist mit Save Ludwig?“, fragte sie hoffnungsvoll und Marcels Lächeln kehrte zurück. „Jenny und ich wollen nicht einfach aufgeben. Wir haben eine Aktion gestartet um die Buchhandlung zu retten. Du kannst gerne auf unserer Unterschriftenliste unterschreiben, wenn du magst. Viele Gespräche, wie unseres gerade, haben wir Kollegen in den letzten Wochen bereits geführt und das gibt uns Hoffnung. Wir sind nicht alleine! Es gibt viele, die uns unterstützen und die Buchhandlung erhalten wollen.“
„Ich bin dabei!“, erklärte Josephine selbstverständlich. Marcel freute sich und nahm sie mit, damit sie die Liste unterschreiben konnte. Es war nur ein Name von vielen, ein ganz kleiner Beitrag den Josephine leisten konnte. Am liebsten würde sie viel mehr tun.
„Komm, jetzt suchen wir dir noch was Schönes zum lesen“, vertrieb Marcel ihre trüben Gedanken. Wie schaffte er es täglich fröhlich im Laden zu stehen und Kunden zu beraten, wenn die Schließung drohte? Doch die Antwort konnte Josephine sich gleich selbst geben. Er liebte seinen Job, er liebte Bücher und er würde hier sein bis zum letzten Tag und genau das tun, was er so sehr liebte zwischen all den wunderbaren Büchern.

Ein Beispiel für die tolle Auswahl im LUDWIG
Vor dem Regal sprang ihr gleich ein schönes Buch ins Auge. „Die Maske der Vergangenheit“ von Antonia C. Wesseling. Der Name sagte ihr nichts, auch das Verlagslogo war ihr noch unbekannt. Das Buch spielte in Venedig und erinnerte sie irgendwie an die Zeitenzauber-Reihe von Eva Völler. Es war im Eisermann-Verlag erschienen. Das war eine Besonderheit im Ludwig, Bücher aus kleinen Verlagen standen gemischt zwischen Bestsellern. Genau das war ein Grund, warum sie so gerne hier her kam, es gab wunderbare Bücher zu entdecken, vor allem die, die eben nicht alle lasen.
Sie behielt das Buch und nahm die erste Empfehlung von Marcel in die Hand, um den Klappentext zu lesen. „Oh, das klingt aber traurig“, seufzte sie. Marcel nahm ihr das Buch wieder ab und grinste. „Ich vergaß, du magst keine Bücher, wie die von John Green.“
„Oh nein, keine Bücher bitte, bei denen ich vorher weiß, dass es traurig endet.“ Marcel gab ihr stattdessen ein anderes Buch, eines mit einem schlichten Cover mit einer schwarzen Feder. „Es ist schon etwas älter, aber eines meiner Lieblingsbücher.“
Josephine nahm das Buch in die Hand, es fühlte sich gut an. Bevor sie sich allerdings dem Klappentext widmen konnte, flimmerte es vor ihren Augen. Marcel stand noch immer vor ihr, doch irgendwie sah er merkwürdig aus. Sein rotes Haar leuchtete, aber seine Ohren, waren so lang und spitz und irgendwie war er auf einmal kleiner als sie.
„Josephine? Ist alles in Ordnung mit dir?“
Wie eingangs angekündigt gibt es die Buchhandlung wirklich. Marcel ist ein junger Buchhändler, der gemeinsam mit seiner Kollegin Jenny die Aktion Save Ludwig ins Leben gerufen hat. Das Gespräch zwischen Josephine und Marcel ist ein wenig inspiriert von meiner ersten Begegnung mit Marcel. Die genannten Bücher habe ich tatsächlich im Ludwig gekauft, bis auf „Die Maske der Vergangenheit“, das dort aber stehen könnte, denn Bücher aus dem Eisermann-Verlag sind im Angebot enthalten.
Ein wenig von mir steckt diesmal auch in Josephine, denn auch ich würde gerne mehr tun, als nur diese Liste zu unterschreiben. Ich hoffe sehr, dass es geholfen hat Josephine nach Köln zu schicken. Wenn es für euch erreichbar ist oder auf dem Weg liegt, besucht die Buchhandlung, schaut euch um und setzt ein Zeichen, indem ihr die Liste unterschreibt.
Die Buchhandlung gehört in den Bahnhof und Bildung sollte ein Teil des Sicherheitskonzeptes sein und nicht diesem weichen müssen, davon bin ich überzeugt!
Weitere Informationen zur Aktion findet ich auf dem Blog von Jenny und Marcel Save Ludwig.
Danke Marcel, dass du einverstanden bist, eine Rolle in dieser Geschichte zu spielen! Das war übrigens auch sehr mutig, da ich ihm nicht viele Informationen gegeben habe.
Am 19. Juli startet auch eine Blog-Tour zu Save Ludwig, ich Schussel bin nicht dabei, weil ich den Aufruf verpasst habe. Organisiert wird sie von Timo, dem Booknerd von Bucheleganz, den ich übrigens in der Buchhandlung Ludwig kennen gelernt habe bei der Lesung von Rena Fischer.