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Blogroman Sonntagsgeschichte Kapitel 69

„Ich bin so weit!“, verkündete Sarah lautstark. Schwungvoll war sie dabei von ihrem Stuhl aufgesprungen und zog die Aufmerksamkeit aller bei Tisch auf sich. Löffel fielen in die Suppenteller. „Ich werde hinaus gehen in eure Welt. Ich werde Lars finden!“

Josephine berührte sie sanft am Arm, wollte sie zurück auf den Stuhl ziehen, aber Sarah reagierte nicht. Sie blickte einmal in die Tischrunde, sah jeden einzelnen ernst an und blieb schließlich bei Lore hängen. Sie musste überzeugt werden, die ältere Dame war in den letzten Tagen ihre Lehrerin gewesen. Sie hatte ihr alles über die Menschenwelt beigebracht, sie gelehrt mit Technik umzugehen, womit sie sich selbst schwer tat. Auch die Sprechweise der jungen Leute war nicht ganz ihr Fachgebiet. Doch in vielen anderen Bereichen war sie ihr eine große Hilfe gewesen. Lukas hatte ihr das kleine Zaubergerät besorgt, dass sie seither immer bei sich trug. Er nannte es Handy. Darin steckte unendlich viel Wissen und sie konnte immer und überall mit ihm reden. Sie würde ihm jetzt gerne eine Nachricht schicken, würde ihm sagen, dass sie käme. Doch erst musste sie Lore überzeugen.

„Es ist zu früh!“, sagte diese. Lore blieb ruhig, betonte jedes Wort einzelnen. Sie schenkte Sarah einen liebevollen Blick und fuhr fort, als spräche sie mit einem Kleinkind. „Du hast lange geschlafen, viel verpasst. Ich verstehe deine Sehnsucht, deine Verzweiflung. Doch du bist noch nicht so weit, gib dir noch ein wenig Zeit.“

„Wir haben keine Zeit!“ Sarahs Stimme wurde lauter, zorniger, aber auch flehender. „Lars war die ganze Zeit in Lukas Nähe, aber jetzt ist er verschwunden. Nur ich kann ihn finden!“

„Loreley hat seine magische Spur …“, warf Lore ein.

„Sie wird verblassen, je länger wir hier diskutieren“, ihr kamen die Tränen, aber sie blieb stehen, wollte stark bleiben, ihren Willen durchsetzen. Sie war Schneewittchen, kein kleines bockiges Kind.

„Unser Plan ist noch nicht fertig“, wechselte Lore die Strategie.

„Dann machen wir ihn fertig“, forderte Sarah und sah hilfesuchend die Geschwister Sven und Jenny an. „Wenn ich nicht bei Lukas wohnen kann, dann vielleicht bei Josephine?“ Dabei wandte sie den Kopf und blickte auf die neben ihr sitzende herab.

„Ähm“, stotterte diese, nahm ihre Hand runter, die noch immer auf Sarahs Arm gelegen hatte und starrte sie überrascht an. Lore seufzte und begann zu erklären, was sie sich bisher überlegt hatten. Sarah entspannte sich und setzte sich endlich wieder hin. Hoffnungsvoll richtete sie ihren Blick auf Josephine, die Lore interessiert zuhörte:

„Wir haben uns überlegt, Sarah als Studentin aus dem Ausland auszugeben. Das würde darüber hinwegtäuschen, dass sie sich manchmal merkwürdig ausdrückt. Die Idee war, dass Lukas sie als Gast aufnimmt. Er hat bei seinen Eltern bereits angefragt, was sie davon halten und sie haben abgelehnt. Beide arbeiten sehr viel und hätten keine Zeit, sich um einen Gast zu kümmern. Das ist ja irgendwie einleuchtend, aber das war für uns auch Teil des Planes, je weniger Zeit sie mit Sarah verbrächten, desto mehr Zeit bliebe ihr, sich an unsere Lebensweise zu gewöhnen ohne aufzufallen. Lukas hat noch nicht aufgegeben, aber die Chancen stehen schlecht, dass sie sich überreden lassen, vor allem kurzfristig jemanden aufzunehmen. Das ist eh das Problem, wie erklären wir jemandem, dass Sarah so kurzfristig ein Zuhause benötigt?“

„Das ist doch kein Problem“, warf Jenny ein. „Ihr erzählt, dass sie die Gastfamilie wechseln muss, weil es in ihrer alten Probleme gab. Noch besser, einer ihrer Gasteltern ist krank geworden, nein die Großmutter. Sie müssen sich um die Großmutter kümmern, sie aufnehmen und benötigen den Platz, das Zimmer, in dem Sarah untergebracht ist.“

Lore überlegte eine Weile, dann nickte sie ergeben. Sarah jauchzte bereits vor Freude, dass sie es geschafft hätte. Doch Lores Blick bremste sie. „Die Geschichte klingt gut, aber wir brauchen noch eine Familie für dich. Das ist leider alles nicht so einfach.“

Für eine Weile schwiegen alle, dachten nach. Schließlich stand Josephine auf. „Ich rufe meine Eltern an“, sagte sie und ehe jemand etwas einwenden konnte, hatte sie den Raum auch schon verlassen.

***

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