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Letztes Kapitel
„Komm, wir gehen in den Garten“, forderte Josephine die kleine Marie auf, die sich schrecklich langweilte. Das Mädchen sprang auf, nahm Josephine an die Hand und führte sie in den Garten. „Hast du Lars gemalt, weil du ihn vermisst?“, fragte Josephine, nachdem Marie sich auf die Schaukel gesetzt hatte und sich von ihr anschubsen ließ. Die Kleine schüttelte den Kopf.
„Ich weiß, wo ich ihn finden kann“, verkündete sie fröhlich. Josephine hielt überrascht die Schaukel an. „Du weißt, wo er ist, sagst es deinem Onkel aber nicht?“
„Nein, das darf ich nicht. Das ist nämlich unser Geheimnis, weißt du. Er würde mir eh nicht glauben.“
Josephine wusste, sie musste jetzt ganz vorsichtig sein, wenn sie mehr erfahren wollte. Sanft schubste sie die Schaukel wieder an.
„Weißt du, wir sind immer hinter Onkel Karls Haus hoch in den Wald gegangen. Immer geradeaus, bis zum kleinen Steinkreis. Den kennen nur wir beide. Dort haben wir uns hingesetzt und er hat mir Geschichten erzählt.“
Sie lachte fröhlich bei den Erinnerungen, schwang die Beine und schaukelte immer höher. „Das ist unser Platz, hat er gesagt. Dort wo die Zwerge tanzen. Er geht dort immer hin, wenn er traurig ist, hat er gesagt. Ganz bestimmt ist er da.“
Josephine fürchtete, dass die aktuelle Situation ernster war und Lars weiter weg war, als nur im Wald hinter dem Haus. Doch das verstand Marie sicher noch nicht. Er war erst ein paar Tage verschwunden, wie solle sie begreifen, dass er nicht vorhatte zurück zu kommen. Sein Vater konnte es doch selbst kaum glauben.
„Warum hast du ihn eigentlich gemalt, als wir über Schneewittchen gesprochen haben?“, stellte sie endlich die Frage, die ihr seit Tagen nicht mehr aus dem Kopf ging.
„Na, weil er Schneewittchens Prinz ist.“
Kindliche Logik war so unbestechlich, also drehte Josephine das Warum-Spiel um und fragte das: „Warum?“
Diesmal starrte Marie verwundert die Große an. „Na, er hat mir alles über Schneewittchen erzählt und darüber wie er sie gerettet hat.“
„Er hat Schneewittchen gerettet?“
„Ja, er hat sie in unsere Welt gebracht. Seitdem sucht er sie.“
Konnte es wirklich sein, dass der Prinz sich einem kleinen Mädchen anvertraut hatte? Oder nahm sie in ihrer kindlichen Phantasie seine Geschichten zu ernst? Tatsache war, dass er aussah wie Sven, verschwunden war und ihm die Geschichte von Schneewittchen so viel bedeutete, dass er sie seiner Cousine so lebhaft erzählt hatte, dass sie ihn für den Prinzen selbst hielt.
„Deine Spange ist so wunderschön, wie die Schmetterlinge im Wald,“ quickte Marie vergnügt und riss damit Josephine aus ihren Gedanken. Sie hatte doch gar keine Spange benutzt überlegte sie und griff suchend in ihr Haar. Ein sanftes Flügelschlagen unter ihren Fingen verriet ihr, dass Lametta dort saß. Sie nahm sie herunter und setzte sie auf Maries Kopf.
„Sie steht dir gut“, sagte sie und flüsterte leiser: „Pass auf sie auf.“ Lametta nickte und verhielt sich ruhig, als wäre sie wirklich eine Schmetterlings-Haarspange.
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