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„Hast du sie denn nicht gefragt“, erkundigte Sven sich bereits zum fünften Mal. Josephine war direkt nach dem Kindergarten zu ihm gefahren und nun saßen sie bei ihm im Garten und grübelten über Maries Zeichnung. „Nein ich habe sie nicht gefragt. Du glaubst doch nicht wirklich, dass eine Fünfjährige Schneewittchens Prinzen kennt. Selbst wenn sie mit der Anderswelt verbunden ist, ist sie noch zu klein, um diese Verbindung zu kennen.“
„Das stimmt so nicht“, mischte sich Jenny ein. „Du verstehst die Verbindung erst viel später und kannst bewusst die Anderswelt betreten. Doch am intensivsten ist die Verbindung tatsächlich in der frühen Kindheit. Erinnerst du dich, wie ich euch damals alle mit meinen Feengeschichten in den Wahnsinn getrieben habe, Sven?“ Ihr Bruder nickte. Niemand hatte Jenny damals ernst genommen, es ihrer blühenden Phantasie zugeschrieben. Er selbst hatte nicht mehr daran gedacht, bis sie es erwähnte. Aus der heutigen Perspektive glaubte er ihr. Sie hatte wirklich mit Feen gespielt. Damals hatte er kaum zugehört, weil er sich mehr für Dinosaurier als für Feen interessiert hatte.
„Es kann also sein, dass Marie eine Verbindung zur Anderswelt hat. Vielleicht hat sie den Prinzen getroffen. Wir müssen mit ihr reden“, beharrte Jenny. „Vielleicht kennt sie aber auch Sven“, wehrte Josephine ab. Sie wollte die Kleine nicht hineinziehen. „Ich kenne keine Marie“, erklärte Sven entschieden. „Ihr müsst euch ja gar nicht persönlich kennen. Es reicht doch, wenn sie dich vom Sehen kennt.“
Jenny schüttelte den Kopf: „Warum sollte sie jemanden so detailliert zeichnen, den sie nur vom Sehen kennt? Entweder ist das hier ein riesiger Zufall, was ich ganz ehrlich für sehr unwahrscheinlich halte oder sie hat jemanden gezeichnet, den sie kennt und für passend hält, Schneewittchens Prinz zu sein.“
„Schatz, ich verstehe, dass du dich um die kleine Marie sorgst. Doch sie ist unsere einzige Spur. Wir müssen mit ihr sprechen. Der Zufall ist doch eindeutig zu groß, als dass da nicht was dran wäre.“ Dabei streichelte er liebevoll ihre Hand.
Josephine dachte eine Weile nach, dann traf sie eine Entscheidung. „Lasst uns doch einfach mal beim Spielplatz vorbei gehen. Vielleicht ist Marie ja auch dort. Ich würde gerne wissen, wie sie auf Sven reagiert. Wenn du sie siehst, erkennst du sie vielleicht wieder. Ihr wohnt ja auch nicht so weit weg vom Kindergarten.“
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