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Letztes Kapitel
„Du warst auf einer richtigen Burg“, seufzte Mama zum wiederholten Male. Josephine saß mit ihren Eltern gemütlich beim sonntäglichen Abendessen und das Gespräch drehte sich um das Wochenende, an dem sie die Familie ihres Freundes kennen gelernt hatte. „Ja“, bestätigte Josephine, ebenfalls wiederholt. „Eine richtige Burg, mit Mauer drumherum, aber es gibt dort Strom, Licht und fließendes Wasser.“
Ihr Vater grinste. Auch er fand es beeindruckend, dass Svens Opa auf einer Burg in der Eifel lebte. Tatsächlich hatte er die Burg von außen sogar schon einmal gesehen. Mit seinem Bruder war er häufiger auf Wandertouren in der Eifel unterwegs. „Es gibt zahlreiche Burgen in der Gegend“, meldete er sich nun auch zu Wort. „Schließlich leben wir hier im Rheinland und nicht in den USA, wo die Reichen sich Burgen erst Stein für Stein aus Europa bringen lassen.“ Damit konnte er seiner Frau ein leichtes Grinsen entlocken. Schließlich wusste er genau, wie albern sie das fand. Erst vor Kurzem hatten sie zusammen eine Dokumentation darüber gesehen. „Das Mittelalter“, hatte sie genervt gesagt, „fand nun mal in dieser Form in Europa statt und daran kann kein Geld der Welt etwas ändern.“
„Eine reiche Familie“, murmelte seine Frau daraufhin nachdenklich. Schlagartig wurden Josephine und ihrem Vater klar, was ihre Mutter so wurmte. „Mama“, Josephine bemühte sich um einen ernsten Ton. „Svens Familie ist ganz gewöhnlich. Sie leben hier in einem durchschnittlichen Einfamilienhaus. Svens Zimmer ist sogar ein bisschen kleiner als meines.“ Sie warf ihrem Vater einen intensiven Blick zu, der ihn ratlos erwiderte. Dann fiel ihm aber doch etwas ein. „Adel hat heutzutage wirklich keine Bedeutung mehr.“ Dabei wanderte sein Blick zu der großen Bücherwand im Rücken seiner Frau. Zahlreiche historische Romane befanden sich dort. Sie nickte langsam. „Ja, wahrscheinlich habt ihr Recht. Vielleicht wäre es schwieriger, wenn Svens Vater Chef eines großen Unternehmens wäre.“ Vater und Tochter verdrehten die Augen. „Was arbeiten seine Eltern denn?“, fügte sie noch neugierig hinzu.
Das wusste Josephine tatsächlich nicht. Sie wusste so einiges über Opa Henry und Tante Lore. Allerdings lauter Informationen, die sie mit ihren Eltern nicht teilen konnte. Während sie ihren Teller leerte, wurde ihr klar, wie gut es gewesen war, dass ihre Mutter sich an der Tatsache, dass sie das Wochenende auf einer Burg verbracht hatte, aufgehängt hatte. So konnte sie von der Bibliothek, dem Saal und dem Park erzählen, ohne in Erklärungsnot zu geraten, was sie das ganze Wochenende, abgesehen von der Geburtstagsfeier eigentlich gemacht hatte oder Details über Svens Familie zu berichten.
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