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Auch wenn es ihnen schwer gefallen war, waren sie zur Party zurück gekehrt. Opa Henrys Geburtstag, deswegen waren sie hier und er konnte seiner eigenen Feier nicht ewig fern bleiben. Tante Lore kümmerte sich um Schneewittchen. Ihr würde man die Ausrede vielleicht glauben, dass sie sich hingelegt hätte. Lukas Verschwinden, der noch immer bei Loreley in der Anderswelt weilte, würde auch niemand in Frage stellen. Er war jung, langweilte sich sicher und er hatte bereits einiges an Alkohol konsumiert. Jenny war der Meinung, diese Ausrede gelte auch für sie, aber Lore schickte sie fort. Es sei zu auffällig und sie wollte Schneewittchen erst einmal ein warmes Bad gönnen. So gab Svens Schwester schweren Herzens nach und saß nun gelangweilt auf ihrem Stuhl.
Sven und Josephine hatten nach Opa Henrys Rede einige anstrengende Gespräche über sich ergehen lassen, bis sie herausgefunden hatten, dass sie auf der Tanzfläche sicher waren. Wenn Josephine zu der sitzenden Gesellschaft hinüber blickte, konnte sie die lauernden Blicke der Onkel und Tanten sehen, denen sie noch nicht Rede und Antwort gestanden hatte. Lieber schmerzende Füße, als weitere Fragen über ihre Zukunft.
Sven war ein guter Tänzer, obwohl er nie eine Tanzschule besucht hatte. Er und Jenny hatten alles von Tante Lore gelernt. Er führte Josephine durch die verschiedenen Tänze, von denen sie lediglich die Grundschritte kannte. Zwei Tanzkurse hatte sie mit Angi durchgestanden, sich auf die Füße treten lassen und sich über jedes Mädchen gefreut, mit dem sie tanzen durfte. Die Jungen aus ihrem Kurs waren furchtbar gewesen, entweder viel zu jung, die Kurzteilnehmer, oder viel zu alt, die Hospitanten. Alle hatten mit ihr flirten wollen, doch kein einziger war ihr sympathisch gewesen. So hatte sie die Freude am Tanzen nie kennen richtig gelernt.
Jetzt in Svens Armen fühlte sie sich wohl, liebte es im Wiener Walzer wie ein Kreisel über die Fläche zu schweben. Erstaunlicherweise wurde ihr auch gar nicht schwindelig. Der Dreivierteltakt klang aus und es folgte ein ruhiger Song. Sven zog sie in seine Arme und sie legte ihren Kopf an seine Brust. Sanft wiegten sie sich hin und her, ganz ohne Tanzschritte und Führung. Für einen Moment vergaß Josephine alles andere, Svens Familie und alle Herausforderungen, die sich ihnen in den letzten Stunden gestellt hatten, für die sie noch keine Lösungen hatten.
„Josephine“, flüsterte Sven mit sanfter Stimme. „Ja“, hauchte sie zurück, hob den Kopf und sah ihm in die Augen. „Ich liebe dich. Ich liebe es, dass du jetzt bei mir bist. Ich liebe dich in dieser und jeder anderen Welt.“ Dann küsste er sie, zunächst sanft, dann leidenschaftlich. In Josephine explodierte ein Feuerwerk an Gefühlen. Eine so romantische Liebeserklärung hatte er ihr noch nie gemacht. „Ich habe dich lieb“, hatten sie zueinander gesagt, aber diese Worte waren so viel mehr. Sie bedeuten alles und sie wollte sie erwidern, ihm sagen, dass sie ihn auch liebte. Doch sie konnte und wollte sich nicht von diese Kuss lösen, wollte diesen Moment nicht beenden. Er hätte ewig dauern können, bis sich hinter ihnen eine tiefe Stimme räusperte.
„Ein Thronsaal ist des Prinzen Liebe angemessen“, sagte die Stimme ernst und zugleich amüsiert. Langsam wie in Trance lösten sich die Verliebten voneinander und Sven blickte in das lachende Gesicht des Zwergenkönigs. Die Geburtstagsgesellschaft um sie herum war verschwunden. Josephine wollte sich umdrehen, doch der Zwergenkönig legte ihr die Hand auf die Schulter. „Nicht bewegen, ihr müsst genau so zurück kehren. Wenn ich das richtig sehe, steht ihr mitten auf einer vollen Tanzfläche. Ihr wollt doch keinen Unfall riskieren.“
Josephine schüttelte den Kopf und er stellte sich so neben sie beide, dass sie ihn auch sehen konnte. „Wird das jetzt jedes Mal passieren, wenn wir uns küssen, dass wir die Welten wechseln?“, fragte Sven besorgt.
„Aber nein, mein Junge. Auch wenn eure Liebe dir den ersten Übergang ermöglicht hat, kannst du nun frei selbst zwischen den Welten wechseln, auch ohne sie. Du wirst Lernen es zu kontrollieren. Offenbar hat einer von euch an die Anderswelt gedacht, das hat euch hergebracht.“ Er schüttelte amüsiert den Kopf. „Konzentriert euch einfach auf euch selbst, denkt nicht an die Anderswelt. Küsst euch und kehrt zurück zur Feier. Henry hat ein schönes Fest verdient. Ich sehe euch durch den Schleier tanzen und lachen, das gefällt mir. Er hob den goldenen Pokal, den er in der Hand hielt und prostete ihnen zu. „Grüßt Henry herzlich und amüsiert euch. Alles andere hat noch Zeit.“
Nachdem er sich abgewandt hatte, verschmolzen Josephine und Sven erneut in einem leidenschaftlichen Kuss. Sie kehrten zurück auf die Tanzfläche, als wäre nichts gewesen. Langsam beendete Josephine den Kuss, blickte Sven tief in die Augen und sagte: „Ich liebe dich und ich liebe es mit dir hier zu sein.“
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