Hier findet ihr das erste Kapitel der Sonntagsgeschichte.

letztes Kapitel

Basti stand auf und kümmerte sich um den Grill. Es waren noch ein paar Leute nachgekommen, hatten Schnitzel mitgebracht, die gegrillt werden wollten. Josephine hatte keine Lust ihm Gesellschaft zu leisten, auf das Spiel allerdings auch keine mehr. Sie blieb einfach sitzen, hörte nur noch halbherzig zu, bis die Flasche erneut auf sie zeigte. „Wahrheit oder Pflicht“, lautete die übliche Frage. „Wahrheit“, nahm sie, so konnte sie wenigstens sitzen bleiben.

„Was machst du jetzt nach der Schule?“

Die Frage, die sie nicht hatte hören wollte. Die Frage, auf die sie keine Antwort hatte. „Keine Ahnung“, murmelte sie. Doch damit waren die anderen nicht zufrieden. „Irgendwas musst du doch jetzt tun“, meinte Hannah, die selbst bereits einen Studienplatz für Jura hatte. Milly dagegen zwinkerte ihr zu. „Einfach das Leben genießen, oder?“ Genau das, was Milly tun würde, die demnächst für ein Jahr ins Ausland gehen würde. Sie hatte vergessen wohin. Bevor sie sich noch mehr blöde Kommentare anhören musste, trank sie ihren Vodka und drehte die Flasche. Ausgerechnet Janina. Na warte, dachte sie sich und netterweise wählte Janina auch Pflicht. Sie konnte nicht widerstehen. Auch wenn Janina nichts dafür konnte, dass Basti so blöd war, ließ sie ihre merkwürdige Stimmung an der Freundin aus: „Küss Fred“, forderte sie. Janina funkelte sie an, drückte ihr den Becher in die Hand, ging auf Fred zu und küsste ihn kurz und leidenschaftlich. Sie ließ den verwirrten Fred zurück, setzte sich wieder und drehte die Flasche, als wäre nie etwas gewesen. Angi dagegen hatte genug. Sie warf Josephine einen bösen Blick zu und ging.

Josephine bekam nicht mit, wen die Flasche traf. Es flimmerte wieder vor ihren Augen. Nicht schon wieder, dachte sie, blinzelte und bemühte sich um eine klare Sicht. Der Becher in der Hand störte, sie kippte den Inhalt schnell runter und stellte ihn im Gras ab. Mit beiden Händen rieb sie sich die Augen, bemüht das Flimmern zu vertreiben. Ihre Freunde verschwanden nicht, aber das Flimmern blieb. Sie stand auf, wollte der merkwürdigen Situation entkommen und ein paar Schritte gehen.

Die Bewegung tat gut, das Flimmern verschwand. Sie spazierte den Weg am Rhein entlang. Was für ein merkwürdiger Tag, dachte sie. Ihre Finger glitten zum Hals. Noch immer trug sie die geheimnisvolle Kette, verborgen unter ihrem Shirt. Sie zog den Anhänger hervor und strich sanft darüber. Es war tatsächlich eine schimmernde Drachenschuppe. „Das glaubt mir doch kein Mensch“, entfuhr es ihr.

„Das wäre auch besser so“, antworte eine freche Stimme. Vor ihr auf dem Weg saß ein Fuchs, nicht wirklich ein Fuchs, aber es kam einem Fuchs doch am nächsten. Und er sprach?

Nicht schon wieder, dachte sie erneut. Schnell suchte ihr Blick die andere Rheinseite ab. Am Bonner Bogen standen noch Gebäude, sie hatte ihre Welt nicht verlassen, hoffentlich.  „Wer bist du?“

„Das wüsste das Fräulein wohl gerne“, lachte er. Er hatte eine fiese Stimme. Josephine fühlte sich unwohl und überlegte fieberhaft, wie sie dieser Situation entkommen konnte. Ihre Finger hielten noch immer die Drachenschuppe.

„Ja, jetzt verstehst du, was ich möchte. Dafür verrate ich dir, was ich bin. Ich bin ein FUCHSTEUFEL und ja, ich möchte dein Schmuckstück. Du könntest es mir freiwillig geben, oder …“

„Niemals!“ Auch wenn Jospehine immer noch nicht verstand, was genau hier vorging, ob das alles überhaupt Realität war, oder nicht. Diese Drachenschuppe ihrer Seelenschwester würde sie nie mehr her geben.

„Bangt das Fräulein um seinen SEELENFRIEDEN?“

Was für eine merkwürdige Ausdrucksweise. Aber war nicht jede Ausdrucksweise eines Fuchses merkwürdig?

„Her mit dem Schmuckstück“, forderte das Tier, welches keines war. Sie wich zurück. Die Situation wurde immer bedrohlicher, so unwirklich sie auch war.

„Nicht? Na warte, dann setzt es jetzt ein DONNERWETTER!“ Oh, dieses Wort hatte ihr Vater früher immer verwendet, wenn sie etwas angestellt hatte. Aus dem Maul eines Fuchses erklang das schon fast lustig. Doch ihr Lachen machte den Fuchsteufel nur noch wütender. Ob daher der Begriff fuchsteufelswild kam, fragte sie sich und war kurz abgelenkt, denn eigentlich konnte der Begriff doch nicht von Wesen kommen, die es gar nicht gab. Doch so verpasste sie den Angriff des Wesens, dass es scheinbar doch gab.

Schmerzhaft schrie sie auf, als sie seine Zähne in ihrem Bein spürte. Es gelang ihr, ihm das Bein zu entreißen, die Schmerzen zu verdrängen und los zu laufen. Blindlings weg von dem seltsamen Wesen, weg vom Rhein.

„Josephine!“, wurde sie gerufen, aber sie rannte weiter, floh blindlings. Der Schmerz pochte in ihrem Bein. Nicht dran denken, ermahnte sie sich selbst.

Arme umschlossen sie, hielten sie. „Was ist denn los?“ Sie versuchte weiter zu laufen, aber es ging nicht. Jemand hielt sie, jemand stand ihr im Weg. „Basti?“

„Ja, Josephine. Ich bin es. Wovor läufst du weg?“

Sie begann zu weinen. Sie wollte nicht weinen, aber das war alles einfach zu viel. Diese seltsamen Erlebnisse, Basti, der plötzlich da war und der Schmerz in ihrem Bein überwältigten sie.

Basti streichelte ihr sanft über den Rücken und wartete geduldig, bis sie wieder sprechen konnte. „Komm“, sagte er und wollte sie sanft zu einer Bank ziehen. Doch der Schmerz war zu groß. Sie konnte nicht weiter gehen. Ihr schmerzerfülltes Aufstöhnen machte ihn auf die Verletzung aufmerksam.

„Was ist dir denn passiert?“ Kurzerhand trug er sie zu der Bank und besah sich die Wunde. „Josephine, das sieht böse aus! War das ein herrenloser Hund?“ Sie nickte schluchzend, konnte ihm doch nichts von einem Fuchsteufel erzählen. Wo war das merkwürdige Monster abgeblieben? Sie linste über Bastis Schulter, konnte aber weit und breit nichts entdecken. Erleichtert atmete sie auf und konnte endlich aufhören zu weinen. „Du musst zum Arzt“, entschied Basti und hatte auch schon sein Handy in der Hand, um einen Krankenwagen zu rufen. Josephine wehrte sich nicht. Das Bein schmerzte zu sehr. „Meine Tasche“, fiel ihr noch ein. „Kein Problem“, sagte Basti. „Ich gebe Angi Bescheid, die kann auch dein Rad nehmen, ist ja mit dem Bus gekommen.“

„Angi ist sauer auf mich“, wendete Josephine schwach ein. Doch Basti meinte, sie solle sich da mal keine Sorgen machen. Es sei nur ein dummes Spiel gewesen. Ja, das Spiel, jenes Spiel in dem er sie nicht hatte küssen wollen. Aber jetzt war er hier.

Es war gut, dass er da war. Basti kümmerte sich um alles. Alles würde wieder gut werden. Ihre Hand griff erneut nach dem Anhänger und sie ließ ihn wieder unter dem Top verschwinden.

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