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Blogroman Sonntagsgeschichte Kapitel 47 - Zwerge

Nachdem Opa Henry seine Geschichte beendet hatte, schwiegen sie eine Weile. Sven kannte die Geschichte bereits, doch nun hatte er sie zum ersten Mal ernst genommen. Es war für ihn eine schöne Geschichte gewesen, die zwar mehr bedeutete, als die anderen Märchen, die er in seiner Kindheit erzählt bekam, aber trotz allem ein Märchen. Ein Märchen zu dem die passenden Steinfiguren im Garten standen. Inzwischen stand seine Welt auf dem Kopf, seine Welt hatte sich um eine ganze Welt erweitert und nichts war mehr so einfach, wie es bisher schien.

Gedankenverloren streckte er die Hand nach dem steinernen Schneewittchen aus. Er berührte ihren Arm, den er als kleiner Junge schon mehrfach berührt hatte. Glatter, kühler Stein. Vertrauter Stein. Die Gesichtszüge der Frau waren ihm ebenfalls vertraut. Als Kinder hatten Jenny, Lukas und er hier viel Zeit verbracht. Sie hatten mit Schneewittchen und den Zwergen gespielt, sich Geschichten ausgedacht. Ob sie ihnen zugehört hatten?

„Woher kommen die anderen Steinfiguren“, fragte Josephine. „Ich meine, sind sie ebenfalls lebendig?“

Opa Henry seufzte und nickte: „Ja, das sind sie. Es ist der Teil, den wir in unserem Familienmärchen meist aussparen. Die Geschichte soll gut bewahrt werden und wird daher allen Kindern der Familie immer wieder erzählt. Dieser Teil bleibt den Eingeweihten vorbehalten. Nachdem der Zwergenprinz seine Magie gewirkt hatte und Schneewittchen versteinert vor ihnen lag, weinten die sieben Zwerge sehr. Sieben Tage nach dem tragischen Ereignis sprachen sie im Schloss vor und baten um eine Audienz beim Zwergenprinzen. Sie hatten ein außergewöhnliches Anliegen, wollten sie doch ebenfalls in Stein verwandelt bei ihrem Schneewittchen ausharren, bis es erweckt werde. So wollten sie Wache halten und ihr das Erwachen erleichtern, würde sie doch sehr wahrscheinlich niemand Vertrauten mehr vorfinden.

Der Zwergenprinz hörte sich diesen Wunsch an und sprach drei Tage mit ihnen. Er erklärte ihnen die Gefahren dieser Magie und der Umstände. So bestünde auch die Möglichkeit, dass Schneewittchen niemals erwacht oder die Bindung der Zwerge nicht stark genug ist, dass sie miterwachen. Doch sie waren bereit das Risiko zu tragen so kamen sie hierher, um ihrem Schneewittchen beizustehen.

Du hast es dir wahrscheinlich schon gedacht, aber ich bestätige es dir gerne, wir sind die Nachfahren von Schneewittchens Tante, somit ruht sie im Kreise ihrer Familie.“

Während Henrys Erläuterungen hatte Josephine ihren Freund beobachtet, der wiederum die Steinfigur beachtete. Sie hatte das Gefühl seine Gedanken sehen zu können, sein Verstehen, dass die Geschichte seiner Kindheit, tatsächlich eine Wahrheit war. Er brauchte Zeit und die ließ sie ihm. „Hey“, erschreckte sie eine Stimme von hinten. Es war Lukas. „Was macht ihr denn hier? Opa, du wirst schmerzlich auf deiner eigenen Geburtstagsfeier vermisst.“

Opa Henry brummelte etwas vor sich hin und sagte schließlich: „Ich komme ja wieder.“ Lukas nickte erleichtert und trat neben Sven. „Was zur Hölle tust du da? Hier steht deine wunderschöne Freundin und du streichelst eine Steinfigur?“ Josephine merkte an seiner Art zu Sprechen, dass er offenbar schon einige Gläser Wein getrunken hatte. Ob er den Kater von gestern überhaupt schon …? Sie konnte den Gedanken nicht zu Ende denken, denn es geschah etwas merkwürdiges.

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