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letztes Kapitel

Sonntagsgeschichte, Blogroman

Irgendwie war es Josephine und Sven gelungen in dieser Nacht noch ein paar Stunden zu schlafen. Es war bereits Nachmittag, als sie zu zweit einen kleinen Spaziergang durch den Park der Aquilaburg machten. Dabei mieden sie die Terrasse, das Labyrinth und die Steinfiguren. Stattdessen gingen sie vorbei an Rosensträuchern, Trauerweiden und einem Seerosenteich. Alles war liebevoll gepflegt, nicht verwildert. Hand in Hand schlenderten sie schweigend die Wege entlang. Zu viel war in dieser Nacht bereits gesprochen worden, ebenso am späten Vormittag. In der Burg liefen nun die letzten Vorbereitungen für die große Geburtstagsparty am Abend. Großtante und Großvater waren damit beschäftigt weitere Gäste zu begrüßen. Es blieb keine Zeit mehr für Gespräche des Geheimclub Anderswelt und darüber war Sven froh. Sie kamen an ein kleines Tor und Sven wollte es bereits öffnen. Doch Josephine hielt ihn zurück. Sie blickte in den strahlend blauen Himmel, nichts zu sehen. In den Bäumen jenseits der Mauer entdeckte sie ihn. Dort wartete der Schwarm Krähen. Sie deutete mit dem Finger auf die Bäume. Sven entdeckte die Vögel, verstand aber noch nicht. „Hast du Angst vor Vögeln?“, fragte er naiv. Sie schüttelte den Kopf. „Diese Vögel sind uns auf der Fahrt hierher gefolgt, bis wir durch das Burgtor gefahren sind. Seitdem warten sie dort draußen. Offenbar können sie nicht auf das Gelände der Burg.“

Sven lachte: „Sieht Opa Henry ähnlich einen Schutzzauber über seine geliebte Burg zu legen.“ Er schüttelte ungläubig den Kopf und wollte erneut das Tor öffnen. „Du bist genial, das wird es sein!“, freute sich Josephine. „Du meinst das ernst mit den Krähen?“, fragte Sven. Er wollte unbedingt diesen vollkommen normalen Spaziergang mit seiner Freundin genießen. „Es tut mir leid, aber ja, ich meine es ernst. Die Krähen scheinen genau wie der Fuchsteufel hinter uns her zu sein. Allerdings habe ich sie bisher in Bonn noch nicht gesehen. Erst auf dem Weg hierher. Vielleicht haben sie gar nichts mit mir zu tun …“

„Ok“, Sven nahm die Hand vom Tor. „Bleiben wir eben hier im Park. Ist ja nicht so, als wäre das hier ein kleiner Garten. Wenn ich Recht habe, wovon du überzeugt zu sein scheinst, sind wir hier drinnen sicher. Die einzige Gefahr hier droht uns von meiner Verwandtschaft.“ Erneut nahm er ihre Hand und führte sie weg von der Burgmauer. „Bist du schon einmal auf einen Baum geklettert?“, fragte er nach einer Weile. Sie schüttelte den Kopf. Als Kind hatte sie es einmal versucht, gemeinsam mit einer Freundin. In all ihren Büchern kletterten Kinder auf Bäume, das gehörte dazu. Es war ihnen nicht gelungen. Später saßen sie bei Kim mit ihrer Familie zusammen beim Essen und erzählten von ihrem Abenteuer. Kims großer Bruder hatte sie ausgelacht, dann gefragt auf welchen Baum sie denn hatten klettern wollten. Nachdem sie ihm beschrieben hatten, wo sie gewesen waren, hatte er nur noch mehr gelacht und erklärt, dieser Baum sei überhaupt nicht dazu geeignet. Eine bessere Empfehlung hatte sie von ihm nicht bekommen und daher das Thema auf Bäume klettern abgehakt.

„Na, du schaffst das schon“, grinste Sven, blieb vor einem sehr alten Baum mit einem dicken Stamm stehen. Josephine vermutete, dass sie ihn kaum umarmen konnte. Sven hielt ihr seine Hände zur Räuberleiter hin. „Damit kommst du besser an den ersten Ast.“ Sie versuchte es und freute sich, als es klappte. Sven schwang sich ebenfalls hoch und gemeinsam kletterten sie ein Stück den Baum hinauf, bis zu einer breiten Astgabel auf der sie bequem beide Platz fanden.

„Hier habe ich früher oft mit Jenny gesessen, manchmal auch zu dritt mit Lukas.“ Josephine kuschelte sich an ihn, genoss diesen Moment zu zweit. „Was läuft da eigentlich zwischen Lukas und Jenny.“ Sven musste lachen. „Du glaubst doch nicht wirklich, dass die zwei miteinander flirten, oder? Zum einen sind wir miteinander aufgewachsen, zum anderen“, er konnte vor Lachen kaum weiter reden. „Du hast es wirklich nicht bemerkt oder? Entschuldige, wenn man Lukas schon so lange kennt, wie ich, ist es einfach eine verrückte Vorstellung, dass jemand denken könnte, er würde mit Jenny flirten. Wahrscheinlicher wäre, dass er mit mir flirtet, aber nein, er weiß, dass das keinen Sinn macht.“ Josephine überlegte, erinnerte sich, wie Lukas sie selbst angelächelt hatte und sie ein wenig das Gefühl hatte, er würde mit ihr flirten. „Er ist einfach charmant“, erklärte Sven ihr, nach einem Blick in ihr überraschtes Gesicht, „und ein echt netter Kerl. An dir interessiert bin nur ich und das ist auch gut so!“ Dann zog er sie enger an sich und küsste sie leidenschaftlich. Es gab nur noch einen Plan: So lange mit Josephine hier oben allein zu bleiben, wie möglich, weit weg von der Anderswelt, seiner Familie und all dem ganzen Chaos.

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