Dies ist das 35. Kapitel des Blogromans.
Das erste Kapitel findest du hier, du kannst auch von Kapitel zu Kapitel blättern.
Jenny nahm Josephine nach dem Nachtisch bei der Hand und stand auf. Nichts ahnend ließ sie sich mitziehen. Als sie den Saal verlassen hatten, fragte Josephine: „Was hast du vor?“ Jenny grinste: „Wir Mädels gehen zur Toilette.“ Es war eigentlich nicht Josephines Art, gemeinsam mit anderen Mädels die Toilette aufzusuchen, aber in Anbetracht der Tatsache, dass sie sich auf der Aquilaburg nicht auskannte und nun auch ein gewisses Bedürfnis bei sich spürte, hatte sie nichts dagegen.
Als sie beim Waschbecken wieder aufeinander trafen, prüfte Jenny kurz, ob sie wirklich allein waren, dann begann sie mit einem verschwörerischen Blick mit geheimnisvoller Stimme endlich zu reden: „Sven hat dir garantiert versprochen, dich an diesem Wochenende nicht allein zu lassen.“ Josephine nickte. „Dachte ich mir, so ist mein Bruder, aber Großvater hat es bereits geschafft, dich ihm zu entführen und mir ist es soeben auch gelungen.“ Sie grinste. Josephine stellte sich gerade ebenfalls vor, wie Sven seine Schwester und Freundin zur Toilette begleitete. Nein, besser nicht. „Gut, also wird uns das nachher auch gelingen. Das ist ganz simpel, du musst nur eben Bescheid wissen und mitspielen. Also, Lukas wird Sven nachher bitten mit in den Herrensalon zu kommen, auf eine Zigarre und einen Whisky. Es geht eher um eine antiquierte Familientradition unter den Männern, eine Zigarre wird Sven sicher nicht rauchen. Dir zu Liebe wird er das Angebot ablehnen. Ermuntere ihn, sag entweder, du seist müde oder auch die Wahrheit, dass du bereits mit mir in den Garten gehen wolltest. Allerdings wird er sicher viel lieber mit dir den Sonnenuntergang sehen wollen, als Männergespräche führen. Ist eigentlich nicht so sein Ding. Mein’s auch nicht, denn im Grunde werden wir Frauen schon lange nicht mehr von der Tradition ausgeschlossen, so altmodisch ist unsere Familie nämlich nicht, bevor du das denkst. Doch was würdest du wählen, ein Abend in einem Rauchersalon oder an der frischen Luft?“ Sie ließ Josephine keine Zeit zu antworten. „Eben, also gehst du mit uns nach draußen und Lukas nimmt Sven mit, der Großvater den Gefallen sicher tun wird, wenn er von dir ein klares Signal bekommt, dass du ihn nicht brauchst. Alles klar?“
Gar nichts war Josephine klar, aber so langsam wunderte sie an diesem Ort nichts mehr. Kurz ließ sie sich ablenken, als ihr aus dem Wasserhahn zwei Augen entgegen blicken, nur ganz kurz zwinkerten, dann waren sie auch schon wieder verschwunden.
„Dann lass uns mal zurück gehen“, verkündete Jenny fröhlich. „Ja, ich weiß, du hast Fragen. Erklären wir dir alles später, aber ohne Sven. Nur du, ich und Großtante Lore.“
Jennys Plan ging auf und so saß Josephine später mit Jenny und ihrer Großtante im Garten. Sie waren durch ein kleines Heckenlabyrinth gegangen und hatten es sich in einer schmiedeeisernen Sitzgruppe bequem gemacht. Lore hatte Kissen für sie drei mitgebracht und Jenny zauberte eine Flasche Rotwein und drei Gläser aus dem Korb hervor. Während sie die Gläser füllte, verkündete sie verschwörerisch: „Sven weiß nichts und braucht auch nichts zu erfahren.“ Was Sven tatsächlich alles nicht wusste, Jenny und Lore dagegen schon, wurde Josephine im Laufe eines äußerst ungewöhnlichen Abends bei lieblich-fruchtigem Rotwein klar. Ihre kleine Damenrunde wurde ergänzt von Lucinda und bald darauf auch einigen ihrer Schwestern … Hätte Josephine nicht bereits zuvor Bekanntschaft mir Lametta gemacht, hätte sie die Erscheinung der Schmetterlingsfeenwesen, den Lillingen, wie sie sich selbst nannten, auf den Rotwein geschoben.
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