Dies ist das 34. Kapitel des Blogromans.

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Nach dem Hauptgang standen einige Familienmitglieder auf, setzen sich um und suchten das Gespräch. Jenny verschwand ebenfalls, um mit einem attraktiven Cousin zu plaudern. Da legte sich eine schwere Hand auf Josephines Schulter. „So, Mädchen, dann erzähl dem Onkel mal ein bisschen was von dir.“ Er blickte sie von Jennys Platz aus erwartungsvoll an. Während sie sich ihm zuwandte, gab Sven ihr von hinten die benötigte Erklärung über den unerwarteten Gesprächspartner. „Onkel Herbert, wie nett, dass du dich zu uns gesellst.“ Der Onkel lächelte seinem Neffen zu und erwiderte mit einem merkwürdigen Unterton: „Ich muss doch deine neue Freundin kennen lernen und sehen, ob sie gut genug für dich ist.“ Sven lachte und fragte frech: „Wer hat dich denn geprüft, bevor du Tante Mathilde geheiratet hast?“

„Zu schade, dass deine Tante Mathilde heute nicht mehr bei uns sein kann.“ Der Onkel setzte ein trauriges Gesicht auf, das nicht wirklich traurig wirkte. Erst später verstand Josephine diese Reaktion, als Sven ihr erklärte, dass Onkel Herbert das Geld seiner Frau mehr geliebt hatte, als ihre Person. Dabei sei die Schwester von Svens Vater eine sehr warmherzige und auch sehr beliebte Frau gewesen, bis sie mit Mitte vierzig plötzlich erkrankte. Die Aussicht, dass sie die Aquilaburg mit den angrenzenden Ländereien erben würde, hatte ihm gut gefallen. Nun, da der Vater seine Tochter überlebt hatte und sich auch noch bester Gesundheit erfreute, war der kinderlose Witwer aus der Erbfolge ausgenommen. „Ja, der Krebs ist schon eine böse Sache. Aber nun zu dir, junge Dame.“ Er tätschelte Josephine vertraulich das Knie. Sie zuckte zurück und rückte näher an Sven, der ihr liebevoll den Arm um die Schulter legte. „Josephine hat genau wie ich dieses Jahr ihr Abitur gemacht.“ Der Onkel nickte zufrieden. „Eine gute Bildung ist heute ein wichtiger Grundstein für die Zukunft. Und welches Fach wirst du studieren?“, fragte er neugierig weiter. „Ich werde dieses Jahr noch nicht studieren“, erklärte Josephine freundlich. Noch immer nervten sie die Fragen nach ihren Zukunftsplänen. Sie war zufrieden mit ihrer aktuellen Situation, erholte sich von ihrem Lernstress und das würde auch gut klappen, käme nicht immer von verschiedenen Seiten Kritik an ihrer Entscheidung. „So, so“, brummelte Herbert. „Was machst du denn dann? Faulenzen?“
„Nein“, erwiderte sie bestimmt. „Ich engagiere mich ehrenamtlich in einem Kindergarten.“
„So, so.“ Schon wieder. Josephine unterdrückte einen Seufzer, konnte sich ein Augenrollen aber nicht verkneifen. Er sah es nicht und fuhr mit seinem Verhör fort. „Und wovon lebst du dann? Ehrenamt ist ja gut und schön, aber es macht nicht satt.“ Wie oft hatte sie das in letzter Zeit schon gehört? Sie wusste es nicht. Dabei war es gar nicht mehr so ungewöhnlich, nach dem Abitur, ein Jahr Pause zu machen. Wäre sie ins Ausland gegangen, hätten das alle mehr akzeptiert, als ihre Tätigkeit im Kindergarten vorzulesen. Über ihre Treffen mit Johanna in der Anderswelt konnte sie Herbert schlecht berichten. Mit Lore könnte sie vielleicht darüber sprechen, wenn es ihr gelang, sie einen Moment alleine zu erwischen. Heute Abend würde Jenny dabei sein. Sie ließ den Blick auf der Suche nach Svens Schwester durch den Saal wandern. War der attraktive junge Mann wirklich ihr Cousin? Sie schienen sich auf jeden Fall bestens zu verstehen.

„Was machen denn deine Eltern“, nahm Onkel Herbert sein Verhör erneut auf. Doch da griff Sven ein: „Das geht dich wirklich nichts an“, wies er seinen Onkel zurecht. Dieser empörte sich, er würde doch lediglich freundliche Konversation betreiben und die junge Dame an der Seite seines Neffen kennen lernen. Jenny kehrte am Arm des Cousin zurück. Den Onkel ignorierend stellte sie Josephine dem Jungen vor. „Das hier ist Lukas. Er ist der Sohn von …, ach vergiss die komplizierte Familienstruktur. Großtante Lore, die dir gegenüber sitzt, ist seine Großmutter, was ihn zu einem entfernten Cousin von mir macht. In unserer Kindheit waren wir die ungleichen Zwillinge, ein Alter, aber ansonsten völlig verschieden.“ Das stimmte, seine Verwandtschaft mit Lore war eindeutig, noch deutlicher die Ähnlichkeit mit der jungen blonden Version der älteren Dame, die Josephine durch den Flimmerschein gesehen hatte. Sie versuchte auch Lukas durch den Flimmer zu sehen, doch er veränderte sich nicht. Er beugte sich zu ihr hinunter, um ihr einen Kuss auf die Wange zu geben. „Du kannst blinzeln, wie du willst, an mir ist alles echt, kein Schein, kein Flimmer.“ Zwinkernd richtete er sich wieder auf und amüsierte sich über ihr überraschtes Gesicht. „Der Nachtisch kommt, wir sehen uns heute Abend, wenn wir mit Großmutter hinaus gehen.“

Verblüfft starrte Josephine ihm nach. Jenny hatte Herbert von ihrem Platz verscheucht und stieß Josephine belustigt an. „Lukas sieht schon verdammt gut aus, was?“, flüsterte sie. „Pass bloß auf, dass mein Brüderchen nicht eifersüchtig wird, wenn du ihm so nachstarrst.“

Josephine wurde rot und drehte sich wieder um. Ihre Reaktion wurde zum Glück nicht bemerkt, da alle vom Nachtisch abgelenkt waren, der gerade serviert wurde: Schokoladencréme mit frischen Früchten.

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