Dies ist das 32. Kapitel des Blogromans.
Das erste Kapitel findest du hier, du kannst auch von Kapitel zu Kapitel blättern.
„Aufwachen Dornröschen.“ Sie spürte einen sanften Kuss.
„Hilf uns“, flehten andere Stimmen. „Bitte!“, ein anderer verzweifelter Schrei.
Es passte nicht zusammen. Sie spürte einen Stupser an der Schulter, sah gleichzeitig rote Schemen in der Dunkelheit. Sie versuchte die Bilder festzuhalten, schärfer zu stellen. Sie erkannte ein verzweifeltes Gesicht, eine kleine Hand streckte sich ihr entgegen. Doch bevor sie diese ergreifen konnte, entglitt ihr das Bild wieder. Nein, dachte sie, wehrte sich. „Josephine, wach auf.“ Gegen diese Stimme konnte sie sich nicht wehren.
„Du bist eingeschlafen“, erklärte Sven völlig überflüssigerweise, als sie endlich die Augen geöffnet hatte und ihn verwirrt anblickte. „Willkommen zurück auf der Aquilaburg, Dornröschen.“
„Dornröschen? Wohl eher Schneewittchen“, murmelte sie.
„Schneewittchen? Du warst doch noch gar nicht im Steingarten“, lachte Sven. Dann fiel sein Blick auf das Buch, welches sie noch immer aufgeschlagen auf dem Schoß liegen hatte. Er nahm es ihr ab und legte es auf den Tisch. „Es ist Zeit für das Abendessen. Großvater schickt mich.“ Bis zum Abendessen, hatte er gesagt, würde sie Zeit haben. Stunden sollten ihr verbleiben und doch hatte sie nur wenige Seiten gelesen, dann war sie eingeschlafen. Seltsam, sie konnte sich nicht erinnern, was sie gelesen hatte oder, dass sie müde gewesen wäre. „Komm Prinzessin“, Sven wollte ihr aus dem Sessel helfen.
„Seit wann nennst du mich Prinzessin?“, fragte sie genervt.
„Das muss an diesem alten Gemäuer liegen, hier wird mir immer ganz märchenhaft zu Mute. Wir haben als Kinder unsere gesamten Ferien hier verbracht, Abenteuer gespielt und Großvater hat viele Märchen erzählt. Am liebsten im Steingarten. Frag ihn ruhig, aber sei gewarnt, wenn der Alte einmal anfängt zu erzählen, hört er nicht mehr auf.“
Josephine nickte, sie mochte Svens Großvater. „So, ist mein Dornröschen jetzt endlich wach?“ Dafür erntete er einen strengen Blick. „Schneewittchen werde ich dich nicht nennen, kannst du vergessen.“ „Warum“, wollte sie wissen. Nicht, dass sie lieber Schneewittchen gewesen wäre. Er hielt ihr auffordernd die Hand hin und endlich stand sie auf.
Hand in Hand verließen sie die Bibliothek. Ein letzter sehnsüchtiger Blick von Jospehine, sie hatte ihre Chance vertan. Gleich würde sie sich Svens Familie stellen müssen und morgen stand die große Feier an. Wahrscheinlich hatte sie ihre Gelegenheit einfach verschlafen. „Großvater hat früher gerne das Märchen von Schneewittchen erzählt“, begann Sven seine Erklärung. „Dazu saßen wir immer im Steingarten, umgeben von den Steinzwergen. Ja, es war ein bisschen unheimlich. Sie sehen so lebendig aus. ich zeige sie dir morgen, wenn es wieder hell ist. Jedenfalls endete Großvater jedes Mal damit, dass er sagte, eines Tages würde Schneewittchen zurück kommen und die Zwerge erlösen. Dann sprang Jenny immer auf, küsste eine der Steinfiguren und ließ sich wieder enttäuscht ins Gras fallen. Das funktioniere wohl nur bei verzauberten Fröschen, erklärte sie uns oder es läge an ihrem blonden Haar, dass sie nicht Schneewittchen sein könne. Du, meine liebe rothaarige Elfe bis ebenfalls nicht Schneewittchen, will ich hoffen. Denn an die Steinzwerge will ich dich nicht verlieren.“ Josephine lachte, hielt ihn fest und küsste ihn zärtlich in den dämmrigen Korridoren der Familienburg.
„Das war schon ein überzeugender Anfang“, murmelte er und strich ihr zärtlich über das Haar. „Doch es reicht nicht, dich vor dem Abendessen mit meiner Familie zu retten, entschuldige.“ Er deutete auf die Tür vor ihnen, sie hatten den Speisesaal erreicht.
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