Dies ist das 31. Kapitel des Blogromans.
Das erste Kapitel findest du hier, du kannst auch von Kapitel zu Kapitel blättern.
Josephine war alleine, alleine im Paradies, umgeben von scheinbar unendlich vielen Büchern. Sie konnte das Ende des Raumes nicht erkennen, so viele Regale umgaben sie. Svens Opa hatte sie zum Regal mit den Sagen und Legenden aus dem Rheinland geführt. Hier würde sie Antworten auf ihre Fragen finden. Wie konnte es sich da so sicher sein? Sie kannten einander doch gar nicht, waren sich vor wenigen Minuten zum ersten Mal begegnet. Doch auch wenn sie auf dem Weg durch die Aquilaburg nicht viel gesprochen hatten, war ihr der alte Herr bereits vertraut geworden. Sie fühlte sich an diesem Ort zu Hause, so verrückt es ihr auch erschien. Gedankenverloren streckte sie die Hand aus und strich sanft über die Buchrücken. Einige waren druckfrisch und neu, andere schienen uralt zu sein.
Welches sollte sie lesen? Bis zum Abendessen blieb ihr Zeit, dann würde Sven sie abholen. Sie wusste nicht, wann es Zeit zum Abendessen war, aber ein Blick auf die Uhr verriet, dass ihr auf jeden Fall ein paar Stunden blieben. Nicht genug Zeit für all diese Schätze, aber kostbare Zeit allein mit diesem Wissen. Wo sollte sie anfangen? Langsam schritt sie an dem Regal entlang, mit den Fingerspitzen über die Buchrücken streichend. Endlich widmete sie sich den Titeln. Natürlich, dachte sie bei sich, die Nibelungensage und die Sage um Loreley musste ja hier stehen. Sie kannte beide Sagen grob und schaute weiter, entdeckte historische Bücher über Bonn und Köln. Römer, zweiter Weltkrieg und dann die Heinzelmännchen zu Köln. Vielleicht sollte sie mal wieder nach Köln fahren und Marcel in der Buchhandlung Ludwig besuchen? Wie klein der Buchladen gegen diese Bibliothek doch war.
Schließlich blieben ihre Finger an einem Buch hängen, dass ein kleines Stück hervorstand. Sie zog es heraus und entdeckte einen grinsenden Zwerg auf dem in Leder gebunden Buch. Er sah ganz und gar nicht wie Marcel und die Kölner Heinzelmännchen aus. Nein, das Gesicht erinnerte sie vielmehr an Hein. Besonders groß war der Mann ja auch nicht, dachte sie bei sich, und musste Grinsen. Sie nahm das Buch und ging damit zum Ohrensessel am Fenster. Ein Blick aus dem Fenster zeigte ihr den Vorplatz der Burg. Dort waren sie vorhin angekommen. Noch gar nicht lange her, auch wenn es sich anfühlte, als wäre es bereits letzte Woche gewesen. Die Krähen fielen ihr wieder ein und sie suchte den Himmel ab. Sie musste die Augen zusammenkneifen, aber sie entdeckte die Vögel. Sie hockten in einem Baum vor dem Tor. Offenbar hatten sie die Verfolgung doch noch nicht aufgegeben, aber aus irgendeinem Grund konnten sie nicht auf das Gelände der Burg.
Sie wandte sich ab, machte es sich im Sessel bequem und schon bald war sie völlig im Zwergenbuch vertieft.
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