Hier findet ihr das erste Kapitel der Sonntagsgeschichte.

letztes Kapitel

Noch ein wenig verwirrt, griff sich Josephine an den Hals. Zu ihrer Überraschung ertasteten ihre Finger ein Band, eines das vorher noch nicht dort gewesen war. Sie blickte an sich hinab und entdeckte einen Anhänger in ihrem Ausschnitt, etwas grünblaues schimmerte zwischen ihren Brüsten. Sie musste lächeln. Schnell zupfte sie ihr Top so zurecht, dass von ihrer neuen Kette nichts mehr zu sehen war. Später, versprach sie sich selbst, später würde sie sich das Schmuckstück genauer anschauen. Dabei wusste sie ganz genau, dass es sich um kein Schmuckstück handelte. Johanna musste es ihr umgehängt haben.

„Ich komme“, wiederholte sie ihr Versprechen an ihre Schwester im Geiste.

„Ja“, antwortete Angi. „Lass uns zurück zu den anderen gehen. Mal sehen, ob die Jungs es geschafft haben, Feuer zu machen.“

„Falls nicht, sollten wir unseren Höhlenmännern vielleicht helfen.“ Langsam kehrte Josephines unbeschwerte Fröhlichkeit zurück, für die sie bei ihren Freunden so beliebt war. Angi hakte sich bei ihr ein und stimmte eifrig zu. „Männer!“

Es waren inzwischen fast alle da und das Feuer brannte sogar bereits. Es wurde heiß diskutiert, wie die veganen Gemüsespieße vor dem Fleisch geschützt werden könnten. Offenbar war das Vertrauen in die Aluschalen nicht sehr groß. Josephine war das egal. Sie freute sich auf ein Würstchen und würde dazu gerne einen Gemüsespieß essen. Da war sie sehr tolerant.

Basti kam zu ihr und legte ihr LIEBEVOLL den Arm um die Schulter. „Na bist du schon am verhungern? So wie du in das Feuer starrst.“

Josephine nahm ihn nur am Rande wahr. Da war etwas in dem Feuer, das Licht schimmerte wie SONNENSTRAHLEN, die sich im Wald durch die Bäume brechen.  Auf einmal sah sie kleine Wesen um ein Feuer tanzen. Sie ging einen Schritt näher, wollte es genauer sehen. Sie tanzten im Feuer, um ein Feuer. Das war unmöglich und doch, je genauer sie hinsah, desto klarer wurde das Bild. Männer mit langen Bärten tanzten um ein Feuer. Sie schienen zu singen, aber Josephine konnte nichts hören. Das Bild blieb unscharf, es flackerte vor ihren Augen. Je länger sie die Zwerge beobachtete, desto stärker verschwand ihre Wahrnehmung für ihre eigene Umgebung.

Es waren fünf Zwerge. Sie trugen keine albernen Zipfelmützen, aber ihre Gewänder sahen aus, wie es sich nach Josephines Vorstellung für einen Zwerg gehörte. Sie liebte Märchen und auch Märchenadaptionen. Erst neulich hatte sie eine Novelle von Regina Meissner gelesen, die sich an Dornröschen angelehnt hatte. In „Sommer hinter Dornen“ ging es allerdings nicht um Zwerge, dafür aber um eine tapfere Heldin, die dem ungeschickten und ahnungslosen Prinzen helfen musste. Josephine hatte sich beim Lesen so sehr in die Geschichte hinein gewünscht. Nicht um sich in den Prinzen zu verlieben, sie wollte Aria zur Freundin und mit ihr zusammen Abenteuer bestehen. Daraus wäre wahrscheinlich eh nichts geworden.

Im Gras neben den Zwergen lagen verschiedene Waffen, deren Klingen im Schein des Feuers schimmerten. Oder waren es doch eher Werkzeuge? Josephines Blick wanderte weiter, erfasste die gesamte Szene. Das Feuer brannte auf einem Waldboden, am Fuße eines Berges. Eines Berges mit einer Öffnung, ein Höhleneingang, nein ein Bergwerk? Josephines Blick fiel auf mehrere Karren, die mit weißen Körnern befüllt waren. Was konnte das sein? Jospehine überlegte, weißes aus einem Bergwerk? Ob das ein SALZBERGWERK war? Sie kannte nur die Salinen auf Ibiza. Aber ja, Salz wird nicht nur als Meersalz gewonnen. Josephine kam zu dem Schluss, dass es sich um Salz auf den Karren handeln musste. Sie hatte die Bilder ihrer Erinnerungen vom Ibiza-Urlaub abgeglichen. Da vernahm sie ein unangenehmes Geräusch. Ein merkwürdiges GROLLEN erklang aus dem Berg.

Die Zwerge tanzten nicht mehr um das Feuer. Sie griffen nach ihren Werkzeugen, die offenbar auch als Waffen einsetzbar waren. Der Begriff Streitaxt kam Josephine in den Sinn. Was geschah dort? Sie näherte sich, wollte verstehen, warum die Zwerge nicht fortliefen. Auf was warteten sie? War das Salz es wert, darum zu kämpfen.

Josephine wurde an der Schulter gepackt.

„Was machst du denn da?“, schrie Basti. Basti schrie sie an. „Willst du dir dein Haar verbrennen?!“ Josephine erkannte, dass sie ihr Gesicht dicht über das Grillfeuer gebeugt hatte. Ihr Haar war ihr über die Schulter nach vorn gefallen und es fehlte nicht viel und sie hätte es sich angesengt. Es war kein Augenblick vergangen, da riss Bastis Griff sie vom Feuer fort. „Auf dich kann man echt nicht aufpassen, Jo!“, fluchte er. „Wie viel hast du denn schon getrunken?“ Sie befreite sich aus dem Griff und hielt ihm die noch immer fast volle Bierflasche hin. „Mein erstes“, hauchte sie, fragte sich aber selbst, was das gerade schon wieder gewesen war.

„Das Rost kann drauf!“, verkündete Mike lautstark. „Kommt sofort“, freute sich Johannes. Irgendein Mädchen rief: „Denkt dran, erst die Gemüsespieße zu grillen!“

Grillen, Party und mit Freunden Spaß haben. Das war der Plan, ermahnte sich Josephine. In ihren Gedanken war sie aber mit einem Märchen beschäftigt, dass sie vor einiger Zeit gelesen hatte. „Das Grauen im Berg“, eine Geschichte über einen Zwerg, der zu gierig gegraben hatte.

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