Die Geschichte beginnt bei Kapitel 1 – Der Sommer beginnt.

Die Luft über der Wasseroberfläche begann zu flirren.

Josephine musste blinzeln. Vor ihr schwebte ein unglaubliches Wesen, gewaltig, aber nicht bedrohlich. Sie wich nicht zurück, spürte instinktiv, dass sie keine Angst zu haben brauchte, spürte es war wegen ihr hier. Sie schaute in goldgelbe Augen, spiegelte sich selbst darin und spürte eine tiefe Verbundenheit. Es überraschte sie nicht, als sich das Wesen drehte und ihr den Rücken darbot. Es war EINLEUCHTEND, dass sie aufsteigen sollte. Sanft strich sie über den schuppigen Rücken, blaugrün schimmernd fühlten sich die Schuppen fest, aber angenehm an. Sie schwang ihr Bein über den Rücken und kaum dass sie saß, erhob sich das Wesen in die Lüfte.

Josephine fand erstaunlich guten Halt auf seinem Rücken. Sanft strich sie über seinen Hals und flüsterte: „Danke dir. Ich bin übrigens Josephine“. Ein sanftes Fauchen kam als Antwort. Es sah aus, als kämen kleine Rauchwölkchen aus den Nasenlöchern. Josephine schaute sich um. Sie hatten bereits einiges an Höhe gewonnen. Doch sie erkannte das Ufer nicht wieder. Dort stand kein Posttower. Nicht einmal der lange Eugen war zu sehen. Überrascht blickte sie zum andere Ufer. Das Siebengebirge war noch da, doch da fehlte etwas. Hätte das nicht der Petersberg sein müssen? Doch ganz sicher, aber wo war das Hotel. Ihr Blick wanderte zum Drachenfels. Die vertraute Ruine war genau da, wo sie sein sollte.

Viel Zeit sich zu wundern blieb ihr nicht, das Gefühl zu fliegen war zu unglaublich. Der Drache, sie war sich ziemlich sicher, dass er einer war, eine passendere Bezeichnung für ein solches Wesen war ihr nicht bekannt, flog jetzt genau mittig über dem Fluss. In einem Sinkflug näherte er sich der Wasseroberfläche, um kurz vor dem Eintauchen abzudrehen, knapp über der Oberfläche dahinzugleiten und schließlich wieder in den Himmel aufzusteigen. Anscheinend genoss er den Flug ebenso wie sie.

Sie hätte ewig so weiter fliegen können. Doch schon landeten sie auf der anderen Rheinseite, etwa dort, wo sie Königswinter erwartet hätte. Statt der vertrauten Ortschaft breiteten sich weitläufige Auen am Fuße des Petersberg aus. Sie landeten und sanft ließ sich Josephine vom Rücken ihres Gefährten gleiten. Sie wollte um ihn herum laufen, um ihm wieder in die Augen zu sehen, doch da begann das Wesen zu flirren. Josephine musste blinzeln. Als sie wieder klar sehen konnte, war der Drache verschwunden und vor ihr stand eine Frau in einem blaugrünen Kleid, mit hüftlangem roten lockigen Haar und diesen unglaublichen goldgelben Augen. „Josephine“, sprach die Frau. „Ich bin so froh, dich endlich gefunden zu haben. Sie streckte die Arme nach Josephine aus, die sich nicht rührte und das WERWESEN weiterhin anstarrte.

Sie hatte keine Schwierigkeiten damit gehabt auf den Rücken eines Drachen zu steigen, aber jetzt in diesem Moment, als sie vor dieser Frau stand, diese Frau, die abgesehen von diesen Augen ihre Zwillingsschwester hätte sein können, kam ihr die ganze Situation zu unglaublich vor. War sie eingeschlafen? Hatte sie zu viel getrunken und träumte? Oder welche ZAUBERKRAFT war hier am Werk?

„Mein Name ist Johanna“, sprach die junge Frau und näherte sich langsam. Sie nahm die immer noch erstarrte Josephine in die Arme. Ihre Berührung war sanft und sie duftete nach Blumen und Rheinwasser, nach klarem unverdrecktem Flusswasser. „Uns bleibt nicht viel Zeit. Unsere Welten nähern sich an, die Durchgänge sind leichter, aber sie halten nicht lange. Schon bald wirst du wieder zurück sein, meine Schwester im Geiste.“

„Wo sind wir?“, gelang es Josephine zu fragen. „Hier sollten Häuser stehen!“, beharrte sie. Dieses Königswinter war nicht ARCHAISCH. Es war schlichweg nicht einmal vorhanden. Königswinter war jünger als Bonn, doch es hatten schon früher Menschen auf dem Petersberg gelebt, da war sich Josephine ganz sicher. Der einzige Mensch weit und breit, stand vor ihr und hielt sie im Arm. Dabei war sie nicht einmal ein Mensch.

„Dies ist nicht deine Welt, Josephine.“ Johanna ließ sie los und trat einen Schritt zurück. „Es ist kompliziert, ich weiß. Es tut mir leid. Zu gerne würde ich dir alles in Ruhe erklären, aber ich spüre, dass uns nur noch wenig Zeit bleibt, bevor ich dich zurück bringen muss. Es wäre nicht gut, wenn du an anderer Stelle zurückkehrst. Aber nur hier kann ich mir dir sprechen. Es wäre leichter, wenn du zu mir kommen würdest. Wir könnten uns am Fuße des Drachenfels treffen und uns bliebe mehr Zeit.“

Jospehine verstand gar nichts, nickte aber. Eine andere Welt und doch derselbe Fluss. Kein Königswinter, aber das Siebengebirge. „Ich komme.“ Dieses Versprechen genügte Johanna. Sie umarmte Josephine noch einmal, strich ihr dabei sanft über den Nacken. Dann verwandelte sie sich wieder. Sie blickten sich noch einmal tief in die Augen. Mit einem Seufzen folgte Josephine der stummen Aufforderung und stieg auf den Rücken des Drachen.

Der Flug flussabwärts war weniger spektakulär und fühlte sich auch viel kürzer an. Es war wie bei den Rheinschifffahrten, dachte Josephine noch. Ein letzter Blick glitt über das gebäudelose Rheinufer.

Josephine wendete den Blick vom Wasser ab. Angi stand noch immer neben ihr. „Liebst du Erdbeeren auch so sehr? Ich freue mich schon so darauf, sie in die Schokolade zu tunken.“ Erdbeeren? „Ja, ich liebe Erdbeeren“, stammelte Josephine. Es war Mai. Es war Erdbeerzeit und sie feierten heute ihre Freiheit. Es waren nur wenige Augenblicke vergangen, seitdem sie sich hier ans Rheinufer gestellt hatte. Sie nahm einen Schluck aus der Bierflasche. Es schmeckte noch kühl und frisch, als wollte es ihr BEWEISEN, dass nie etwas anderes geschehen war.

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