Im Rahmen einer zweitägigen Fortbildung bei der Lebenshilfe Bonn befasste ich mich mit dem Thema Konflikte. Dieser Beitrag basiert auf dem Input des Referenten Michael Steiner und stellt meine persönlichen Nachgedanken zum Seminar dar. Das Seminar wird hiermit nicht vollständig wieder gegeben!
Was ist ein Konflikt?
Konflikte sind bei uns meist negativ behaftet als unangenehme Auseinandersetzung mit anderen Menschen.
In Anlehnung an Friedrich Glasl liegt einem sozialen Konflikt eine Differenz zugrunde, welche allein aber noch nicht den Konflikt darstellt.
Ein sozialer Konflikt ist
– eine Interaktion zwischen sozialen Akteuren (Personen, Gruppen, Organisationen, Staaten etc.)
– in der mindestens eine/r der Beteiligten
– unterschiedliche Meinungen, Werte, Interessen, Absichten, Bedürfnisse, Motive oder Handlungspläne usw.
– als Beeinträchtigung der eigenen Bedürfnisse durch den /die andere/n erlebt.
Michael Steiner
Es genügt, wenn eine der beteiligten Personen eine Beeinträchtigung empfindet, um sich in einem Konflikt zu befinden.
Gilt es Konflikte grundsätzlich zu vermeiden?
Das Problem mit Konflikten ist nicht der Konflikt an sich, sondern die Form der Konfliktaustragung, insbesondere wenn diese mit Gewalt erfolgt. Konflikte sind allerdings auch unvermeidbar und notwendig um soziale Veränderungen herbeizuführen. Dies kann sich auf den kleinen privaten oder den beruflichen Rahmen, aber auch auf den großen gesellschaftlichen bzw. politischen Rahmen beziehen. Ohne Konflikte hätten wir viele Rechte nicht, die in der Vergangenheit erstritten wurden.
Ein Konflikt ist, was ich daraus mache.
Michael Steiner
Ich kann kämpfen, nachgeben, nach einer fairen Lösung suchen, u.v.m.
Jeder verhält sich in Konfliktsituationen anders
Wir haben nicht nur interindividuell jeder unseren eigenen Konfliktstil. Je nach Situation verhalten wir uns selbst auch anders, abhängig von den beteiligten Personen und unserer Beziehung zu diesen, sowie der zugrundeliegenden Differenz und der Wichtigkeit, die wir dieser beimessen.
Die Verhaltensstile in Anlehnung an das „Dual-Concern-Modell“ variieren in Abhängigkeit von dem Grad der Orientierung an den eigenen Interessen und Zielen, sowie denen des Gegenübers. Dabei lassen sich vier Extreme beschreiben und einen Stil, der in der Mitte liegt. Wir alle bringen die Voraussetzungen zu jedem dieser Verhaltensstile mit, tendieren aber meist zu denselben gewohnten Verhaltensmustern. Es kann hilfreich sein, das eigene Verhaltensmuster zu verstehen.
Die einzelnen Extrem-Stile, stelle ich euch nur ganz knapp mit Vor- und Nachteilen vor. Es gibt sie in weiteren Variationen und sie treten eher in Mischformen unterschiedlicher Ausprägung auf. Jeder einzelne Stil hat seine Berechtigung.
Vermeiden
Weder den eigenen noch den Interessen und Zielen des anderen wird eine große Bedeutung beigemessen. Der Konflikt wird ignoriert, verschoben oder ihm ausgewichen. Der Vorteil dieser Strategie ist, dass wenig Energie aufgewendet werden muss. Der Nachteil ist, dass sich nichts ändern wird.
Sich anpassen
Wenn wir den eigenen Interessen keine Bedeutung beimessen, uns der Beziehungsaspekt aber zu 100% wichtig ist, geben wir in Konfliktsituationen nach und akzeptieren die Lösungswünsche des anderen. Die Vorteil liegt darin, dass die andere Person zufrieden ist, was möglicherweise mit einem positiven Effekt für uns einher geht. Der Nachteil ist allerdings, dass die eigenen Interessen komplett zurück stecken mussten.
Sich durchsetzen
Das genaue Gegenteil davon sich anzupassen ist sich durchzusetzen. Dabei stehen die eigenen Interessen und Ziele im Fokus und die des anderen spielen keine Rolle. Ob dies durch überreden, manipulieren oder zwingen (bzw. ein Machtwort, z.B. als Vorgesetzter) erfolgt, der Vorteil ist ein Sieg für die eigenen Interessen. Der Nachteil entsprechend, dass die Ziele des anderen nicht erfüllt wurden, was mit negativen Faktoren wie Unzufriedenheit, Ärger oder Frust einhergeht.
Kooperieren
Gelingt es alle Interessen und Ziele zu vereinen ist dies meist das Ergebnis eines offenen und intensiven Austauschs. Der Vorteil ist offensichtlich, denn alle sind zufrieden. Der Nachteil hingegen ist ein hoher Aufwand und leider ist eine Kooperation auch nicht immer möglich.
Kompromisse
Das typische Ergebnis einer (politischen Debatte) ist ein Kompromiss. Die Ziele der Beteiligten werden gegeneinander abgewogen und aufgerechnet. Jede Partei macht Abstriche. Der Vorteil ist, dass eine Lösung gefunden wird. Der Nachteil ist, dass häufig doch niemand wirklich zufrieden mit dem Kompromiss ist und erneut ein Weg gesucht werden muss, das eigentliche Ziel zu erreichen oder es aufzugeben.
Nur die Spitze des Eisbergs
Ein sich selbst logisch zu erschließendes Modell ist das Eisbgerg-Modell in dem der sichtbare Konflikt die Spitze des Eisberges einnimmt, eben die, die sichtbar ist. Unterhalb der Oberfläche spielen zahlreiche Faktoren eine Rolle. Je genauer wir diese Faktoren kennen und in die Lösung einbeziehen, desto besser können wir Missverständnisse, Kommunikationsprobleme oder strukturelle Probleme u.v.m. lösen. Im Bild seht ihr, welche Faktoren uns im Seminar eingefallen sind.
Konflikte bearbeiten
Auch eine Trennung ist eine Lösung, sich loslösen vom anderen. Eine nachhaltigere Lösung ist konstruktiv und gewaltfrei. Nicht jeder Konflikt lässt sich lösen, aber bearbeiten.
Wir können unsere Kinder nicht erziehen. Sie machen uns eh alles nach!
Karl Valentin
Konfliktanalyse
Eine Möglichkeit den Konflikt zu bearbeiten ist die Analyse der Bedürfnisse und Ängste nach Diana Francis. Hierbei werden in einem ersten Schritt das Thema formuliert und die Beteiligten benannt. Diese Analyse kann auch durchgeführt werden, ohne dass alle Konfliktpartner anwesend sind. Annahmen über die Bedürfnisse und Ängste der anderen sind Hypothesen, können aber helfen ein Gespräch vorzubereiten, insbesondere wenn die Analyse mit Unterstützung durchgeführt wird. So kann jemand anderes die Perspektive übernehmen und darin unterstützen eine Strategie für die Konfliktlösung, Ideen für ein Gespräch mit den tatsächlich Beteiligten zu finden.
Forum Theater
Ein Ansatz einen Konflikt zu lösen kann sein, sich in einer wiederkehrenden problematischen Situation anders zu Verhalten. Das Forum Theater nach Augutso Boal bietet die Möglichkeit eine andere Perspektive auf die typische Situation zu erhalten und Inspiration zu finden, wie man anders agieren könnte.
Zunächst wird einer Gruppe eine möglichst konkrete Situation geschildert. Dann werden Informationen über die beteiligten Personen bereit gestellt. Schließlich wird eine Person aus der Runde zum Antagonisten bestimmt, die die Rolle des Konfliktpartners fest übernehmen soll.
Anschließend wird die erzählte Szene nachgespielt. Die Person kann sich selbst als Protagonist in diesem ersten Durchlauf spielen. Weitere Personen bilden das Forum. Sie beobachten und sind die Zu-Schauspieler, die als Protagonist einwechseln, um dieselbe Szene anders zu spielen.
Alles was nicht verboten ist, ist erlaubt. Alles was verboten ist, ist möglich.
Augusto Boal
Eine Option ist, dass ein Moderator zwischen den Szenen den Protagonisten oder Antagonisten interviewen.
Umgang mit Konflikten
Hinter jedem Handeln und hinter jedem Konflikt steckt eine Motivation, wenn diese auch noch so unsichtbar ist. Verstehen wir diese, ist dies hilfreich bei der Bearbeitung des Konfliktes.
Konflikte wird es immer geben, denn wir Menschen sind vielfältig und unsere Ziele widersprechen sich daher hin und wieder. Manche Konflikte sind trivial und es lohnt den Aufwand nicht.
Für mich ist entscheidend, in welcher Beziehung ich zu der Person stehe und wie wichtig mir meine Ziele sind, die mit diesem Konflikt im Zusammenhang stehen. Je wichtiger beides ist, desto stärker strebe ich eine kooperative Lösung an, gebe nach, vermeide den Konflikt oder suche nach einem Kompromiss.
Zur Transparenz: Als Mitarbeiterin der Lebenshilfe Bonn konnte ich kostenfrei in meiner Freizeit an dieser Fortbildung teilnehmen. Dieser Artikel entstand ebenfalls in meiner Freizeit mit Einverständnis des Referenten Michael Steiner.