Dieser Beitrag lag nun über einem Jahr halbfertig im Entwurfsordner. Es fiel mir schwer ihn zu schreiben, doch ich wollte meine Gedanken zu „Silberschwingen“ nicht ungesagt lassen.

Silberschwingen ~ Emily Bold
Silberschwingen ~ Emily Bold

Der Anfang

Wäre es mein erstes Urban-Fantasy Jugendbuch gewesen, hätte mir der Einstieg möglicherweise gefallen: Junges Mädchen entdeckt wer sie wirklich ist. Beim ersten Lesen fand ich „Bis(s) zum Morgengrauen“ schließlich auch interessant, ein zweites Mal werde ich es im Gegensatz zu Kathi sicher nicht lesen. Inzwischen verdrehe ich beim Stichwort Glitzervampire auch die Augen.

Setting

Ein ganz gewöhnliches Mädchen, die eigentlich gar nicht so ist, wie alle anderen, aber doch als „normal“ bezeichnet wird, besucht die Schule. Dort gibt es die beste Freundin und auch den typischen Bad-Boy. Es beginnt nicht nur wie zahlreiche Jugendbücher, es las sich auch genau so, als hätte ich es bereits mehrfach gelesen. Nein, kein Plagiat, einfach eine neue Zusammensetzung bekannter Elemente und Formulierungen.

Abbruch?

Bereits als der Einstieg mich gelangweilt hatte, stellte sich mir die Frage, ob ich es abbreche. Einen Beitrag hätte ich zu diesem Zeitpunkt nicht geschrieben, denn ich habe es für sehr wahrscheinlich gehalten, dass die Geschichte etwas Neues bringt, mich noch überrascht und ich über den für mich langweiligen Anfang hätte hinwegsehen können. Es wäre dann eine Leseempfehlung für Einsteiger ins Genre geworden oder so ähnlich.

Nachdem ich das Buch also einige Tage hatte liegen lassen, stieg ich wieder ein und erkannte zu meiner Freude, dass ich genau an der Stelle aufgehört hatte, die mir noch das Gefühl gab, ich hätte es schon gelesen …

Leider ergab sich für mich dann ein neuer Kritikpunkt an der Geschichte …

Ob dieser allgemein wirklich neu ist, kann ich nicht sagen, die Diskussion ist es nicht.

Es stellte sich mir beim weiteren Lesen erneut die Frage, sollte ich abbrechen. Hätte ich gerne getan, ABER ich habe es dann tatsächlich zu Ende gelesen, um darüber schreiben zu können und zwar begründet kritisch. Ich hoffe sehr, dass mir das gelungen ist und Ihr meine Kritik nachvollziehen könnt, auch wenn Ihr meine Meinung selbstverständlich nicht teilen müsst.

Romantisierung von Machtmissbrauch

Ganz wichtig in diesem Kontext ist mir, dass es sich um einen Roman handelt, der vom Verlag für Leser ab 13 Jahren empfohlen wird. Wir reden hier nicht über ein Buch für Erwachsene, sondern von einer pubertierenden Zielgruppe. Junge Menschen, die ihre eigene Sexualität gerade erst entdecken und vielfach noch keine romantische Liebe erlebt haben. Junge Menschen, die neugierig auf die Liebe sind und deren Erwartungen an diese sich gerade ausbilden.

Welche Geschichten wollen wir diesen jungen Menschen erzählen?

Was ist romantisch? Was dürfen sie erwarten?

Wir können nicht vorhersagen, in welcher Form sie ihre erste Liebe erleben werden. Allerdings können wir ihnen sagen, dass sie sich nicht alles gefallen lassen müssen und es absolut nichts mit Romantik zu tun hat, wenn jemand sie scheiße behandelt.

Aus Hass soll Liebe werden?

Zu Beginn des Buches erfährt Thorn auf schmerzhafte Weise, dass sie kein gewöhnliches Mädchen ist. Sie ist ein Mischwesen, zur Hälfte eine Silberschwinge.

Die Gemeinschaft der Silberschwingen hat ein Problem, es gibt nur sehr wenige Mädchen.

Die Oberen hatten die Vermutung aufgestellt, dass die Gene der Silberschwingen so dominant waren, so auf Stärke geprägt, dass sich das schwache Geschlecht eben nur sehr selten durchsetzen konnte.

Silberschwingen, Emily Bold, Position 620

Dieses Problem ist zentral für die Geschichte. Es zeigt zum einen das Frauenbild der Silberschwingen und liefert die Begründung, warum es bei der Wahl der Partner unter Silberschwingen nicht um Liebe gehen darf.

Da Thorn zur Hälfte menschlich ist, hätte sie eigentlich nach ihrer Geburt getötet werden sollen. Dies geschah nicht und sollte nun nachgeholt werden. So ergibt es sich, dass Lucien, der „Kronprinz“ sie in der Absicht verfolgt, sie zu töten. Gleichzeitig ist er das schönste Wesen, welches sie je gesehen hat … Verliebe dich nicht in deinen Feind, wäre hier eine angebrachte Warnung. Es gibt auch noch einen weiteren männlichen Silberschwingen, Riley, den Abtrünnigen, der insbesondere zu Beginn für Thorn da ist und ihr auch die Wahrheit über ihren Vater verrät.

Lucien hat übrigens bereits eine „Versprochene“. Sie heißt Nyx und ist 16 Jahre alt. Ihre Schwingen hat sie daher noch recht frisch. Jungen erhalten sie bereits mit zwölf Jahren, während Mädchen sie erst mit sechzehn erhalten. Sie beklagt sich darüber, doch eine Erklärung erfahren wir nicht. Interessant dagegen ist die anstehende Prüfung, um die sie sich Sorgen macht. Sie würden bald um den Segen des Clans für ihre Verbindung bitten. Lucien beruhigt sie mit den folgenden Worten:

Du bist wunderschön, Nyx. Auf mehr werden die Oberen kaum achten.

Silberschwingen, Emily Bold, Position 642

Aus dieser Ausgangssituation heraus nimmt die Geschichte ihren Lauf. Zwei Jungs, zwei Mädels, wobei Nyx sehr schnell zu den Verlassenen wird und das Spiel beginnt: Wem sollte Thorn vertrauen, in wen sich verlieben?

Es geht um nichts weniger, als um Thorns Leben, schließlich fordern die Gesetze der Silberschwingen ihren Tod. Und doch ist der Rat mit der Lösung einverstanden, Lucien und Thorn miteinander zu verbinden, um ihre Macht zu stärken. Die Meinung der beiden zählt dabei nicht, das sagt der Clanchef seinem Sohn sehr deutlich, denn dieser weigert sich.

Deine Wünsche, Lucien, sind für mich nicht von Belang. Du nimmst, was du bekommst. Ich habe es längst entschieden.

Silberschwingen, Emily Bold, Position 2045

Sie wollen einander nicht, aber es ist die einzige Möglichkeit für sie zu überleben. Ab diesem Zeitpunkt lebt sie wie eine Gefangene bei ihm und es entwickelt sich eine merkwürdige Beziehung zwischen den beiden. Sie hassen die Situation beide und einander.

Ich will dich hier auch nicht haben! Und dennoch bist du hier. Bei mir. Denn ich bin jetzt dein Schicksal!

Silberschwingen, Emily Bold, Position 2195

Diese Worte begleitet er mit Gewalt, stößt sie gegen den Bettpfosten und ihre Wunden bluten …

Wenig später folgt folgende Aussage, die die Grundlage ihrer Beziehung sehr deutlich macht:

Du hältst mich für ein Monster, aber Riley hatte recht. Ich sorge für die, die mir nahestehen. Du bist ein Halbwesen. Sogar mein Feind. Ich kenne dich nicht, aber dennoch gehörst du jetzt zu mir. Dir wird nichts geschehen, solange du dich mir fügst.

Silberschwingen, Emily Bold, Position 2215

Und doch wird es irgendwann „romantisch“, wobei es im Grunde um sexuelle Spannungen geht.

Verrückt, wie er meine Gefühle verwirrte. Von einem Extrem ins andere. Ich fürchtete ihn, zugleich genoss ich seine Berührung, die so heilend war, dass ich am liebsten in seinen Armen eingeschlafen wäre, …

Silberschwingen, Emily Bold, Position 2326

Sie wehrt sich lange gegen die Gefangenschaft und die aufkeimenden Gefühle. Ihm ergeht es ähnlich. Während einige die Geschichte sicher so lesen, dass der Bad Boy ein Herz hat, empfinde ich die Verbindung der beiden bis zur letzten Seite als falsch. Am Ende keimte in mir Hoffnung auf …

Ich habe tatsächlich lange überlegt, die Reihe weiter zu lesen, einfach um zu erfahren, wie alles endet. Doch ich kann und will nicht. Für mich ist diese Geschichte zu grausam und es missfällt mir, dass sie als Jugendbuch verkauft wird.

Fazit

Auf meine Social Media Kanälen sind mir viele begeisterte Stimmen zum Buch begegnet. Mir hat es leider keine Lesefreude bereitet.

Den ersten Kritikpunkt, dass sich das Buch am Anfang anfühlte, als habe ich es schon einmal gelesen, empfand ich nicht ganz so schlimm. Es hat mich beim Lesen enttäuscht, gerade weil es zu diesem Zeitpunkt von vielen so hoch gelobt wurde, dass meine Erwartungen entsprechend hoch waren.

Allerdings stehe ich ganz klar zu meinem Standpunkt, dass Romantisierung von Macht oder Gewalt in Jugendbüchern nichts zu suchen hat!

Für mich ist KEINE hilfreiche Botschaft an junge Mädchen oder Jungen:

Jemand der dich schlecht behandelt, wird dich irgendwann aufrichtig lieben!

NEIN!!!

Ihr könnt gerne diskutieren, inwieweit diese Botschaft in „Silberschwingen“ steckt, insbesondere in Bezug auf die letzten Seiten. Bedenkt bitte, was sie noch sagt! (Möchte nicht das komplette Buch verraten.)


Das E-Book wurde mir von Thienemann-Esslinger über NetGalley zur Verfügung gestellt.

Silberschwingen, Die Erbin des Lichts [Link zur Verlagsseite mit Leseprobe]
Emily Bold
Planet! Thienemann-Esslinger Verlag
ISBN: 978-3-522-50577-2
Erscheinungstermin: 13.02.2018