Zutaten einer Guten Geschichte
Letztes Mal haben wir uns den Sinnen gewidmet, diesmal widmen wir uns dem Konflikt, den eine gute Geschichte braucht.
Braucht wirklich jede gute Geschichte einen Konflikt?
Meiner Überzeugung nach braucht sie auf jeden Fall Veränderung und diese kann aus einem Konflikt hergehen. Die Hauptfigur ist am Ende nicht mehr dieselbe, wie die, die in die Geschichte rein gegangen ist. Der Konflikt muss dabei kein offener Streit oder Kampf mit jemandem sein.
Was ist ein Konflikt?
Das Wort ,,Konflikt“ stammt von dem lateinischen Substantiv „conflictus“ und bedeutet Aneinanderschlagen, Zusammenstoßen, im weiteren Sinne daher auch Kampf, Streit.
Quelle: Stangl, 2023
Psychologisch können wir einen Konflikt verstehen als
„das gleichzeitige Bestehen oder Anlaufen von mind. zwei Verhaltenstendenzen (Hofstätter, 1957, Konflikttheorie, Annäherungs-Vermeidungs-Konflikt).“
Quelle: Dorsch Lexikon der Psychologie, Hogrefe
Damit wird deutlich, dass es neben dem äußeren Konflikt, dem Sttreit vor allem um einen inneren geht. Denn auch, wenn wir uns mit einer anderen Person streiten, haben wir die Wahl zwischen verschiedenen Handlungsmöglichkeiten. Diese Person ist anderer Meinung als wir und wir können auf unser Meinung beharren, die der anderen Person übernehmen oder unsere Meinung anpassen und in einen Dialog gehen. Statt eines Dialoges können wir den Konflikt wählen oder die Situation verlassen. Das ließe sich noch konkreter aufdröseln …
Mach die bewusst, dass deine Figur immer mehrere Handlungsmöglichkeiten hat, um mit einer Konfliktsituation umzugehen. Für deine Lesenden ist es wichtig, dass die Entscheidung nachvollziehbar ist. Auch wenn sie im Affekt getroffen und nicht abgewogen wird.
Nach der Theorie von Hofstätter (1957) gibt es drei Varianten eines interpersonellen Konfliktes:
- Annäherungs-Annäherungs-Konflikt – Wahl zwischen zwei attraktiven Handlungsmöglichkeiten
- Vermeiduzngs-Vermeidungskonflikt – Beide Optionen sind unangenehm, wobei nur eine negative Konsequenz vermieden werden kann
- Annäherungs-Vermeidungskonflikt – Jede Entscheidung hat positive, wie negative Effekte
Ein Konflikt kann auf mehreren Ebenen stattfinden
- Intrapersonell/ innererer Kinflikt – es ist nur eine Person involviert
- Interpersonell/ sozialer Konflikt – mehrere Personen sind in den Konflikzt involviert
- Organisatorisch – der Konflikt findet auf der Ebene eines Organisationssystem statt (Beispiele: Betrieblicher Streik, politische Demonstration, Krieg)
Zur Vertiefung findest du mehr auf Stangl.
In welcher Art von Konflikt befindet sich deine Figur?
Handelt es sich um einen innere Konflikt, den sie allein mit sich ausmacht?
Ist es ein sozialer Konflikt? Welche anderen Personen sind daran beteiligt?
Gibt es eine komplexe Konfliktebene (organisatorischer Konflikt)?
Welche Handlungsmöglichkeiten hat deine Figur?
Sammle mal alle Möglichkeiten, auch die abwegigen, unrealistischen oder unwahrscheinlichen. Nicht jede Möglichkeit führt zu einem erwünschten Ergebnis. Das tun unsere Handlungen oft nicht.
Was sind die Konsequenzen jeder Möglichkeit? Wie attraktiv sind diese für deine Figur? Annäherung versus Vermeidung? Überwiegen mögliche Kosten, einen möglichen Gewinn?
Hat deine Figur die Fähigkeiten und Ressourcen für die Handlungsmöglichkeit?
Emotionale Verfassung deiner Figur
In welchem emotionalen Zustand befinden sich deine Figur? Kann sie rational denken? Dies ist in einem Konflikt oft eine Herausforderung, da Emotionen hier involviert sind.
Als Autor*in kannst du dir alle Handlungsmöglichkeiten ansehen, während die Figur im Affekt handelt. Wie wahrscheinlich sind die einzelnen Handlungsmöglichkeiten? Wozu tendiert die Figur in ihrem aktuellen emotionalen Zustand?
Besteht eine Möglichkeit, zuerst die Emotionen zu regulieren? Das hängt stark von der Situation ab. Handelt es sich um einen intrapersonalen Konflikt ohne Zeitdruck, kann die Figur die Entscheidung vertagen, bis sie sich beruhigt hat. Befindet sie sich mitten in einer körperlichen Auseinandersetzung, muss sie sich schnell entscheiden, zwischen kämpfen oder fliehen.
Kontext
Spätestens an dieser Stelle ist der Kontext entscheident, in dem deine Figur sich befindet. Nicht nur bei sozialen, sondern auch bei intrapersonellen Konflikten ist das wichtig.. Wo befindet sich die Figur? Wer ist ebenfalls anwesend? Wer unterstützt die Figur und wer ist gegen diese?
Befasse dich nicht nur mit deiner Hauptfigur, sondern auch mit dem Antagonisten des sozialen Konfliktes. Welche Motive verfolgt diese Person? Welche Emotionen hat diese? Welche Handlungsmöglichkeiten?
Wie geht deine Figur aus dem Konflikt heraus?
Konnte der Konflikt gelöst werden? Oder ist er lediglich für den Moment beendet?
Was hat sich für deine Figur verändert? Wie hat die Figur sich verändert? Was hat sie gelernt? Welche Erfahrung gemacht? Was bedeutet diese Erfahrung für den nächsten Konflikt?
Wage auch einen Blick auf die Metaebene: Was ist die Botschaft an deine Lesenden aus diesem Konflikt?
Schreib eine Szene
Manche Konflikte lassen sich nicht in einem Versuch lösen. Es dürfen ruhig mehrere Anläufe sein. Deine Figur darf auch scheitern und daraus lernen.
Gehe in einen Konfliktmoment und löse diesen wieder auf. Dies kann eine vollständige Geschichte werden oder eine einzelne Szene, die in einem größeren Kontext einer Geschichte oder eines Romans steht.
Probier dich aus. Viel Spaß dabei!
Einmal im Monat stelle ich dir eine Aufgabe. Wie du die Übung für dich löst, ist dir überlassen. Falls du ein Blog hast, könntest du einen Beitrag schreiben und hier einen Kommentar hinterlassen, oder einen Link zu einem Instagrambeitrag oder oder …
So könnt ihr euch gegenseitig austauschen. Falls der Wunsch nach einer engeren Vernetzung entsteht, in Form einer geschlosseneren Gruppe, gibt es hierzu zahlreiche Möglichkeiten. Schauen wir, wie es sich entwickelt und was eure Wünsche sind.
Du liest den Beitrag erst später? Fühl dich frei, die Übung zu machen und dein Ergebnis zu teilen, wann immer dir danach ist.
Übersicht der bisherigen Aufgaben:
Die Aufgaben lassen sich unabhängig und in beliebiger Reihenfolge bearbeiten. Schau, wie es für dich passt und nutze gerne die Figuren aus deinem aktuellen Schreibprojekt.
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