Der Zirkusbesuch war ein Geschenk zum Geburtstag gewesen, die Biografie ein Geschenk, welches wir uns selbst machten.
Am 1. April 2023 besuchte ich mit meinem Mann den Zirkus Roncalli. Wir tauchten ein in die bunte Zirkuswelt, lachten aus vollem Herzen und ließen uns von den Artist*innen bezaubern. Wir staunten, applaudierten und ich war fasziniert, ließ mich ein auf diese völlig andere Welt, voll Magie, in der Unmögliches möglich wird.
Am nächsten Tag las ich die Biografie von Roncalli-Gründer Bernhard Paul und war erneut fasziniert.
Während mein Mann unsere Getränkeflaschen wegbrachte, besah ich mir das Merchandise Angebot. Mein Blick blieb an den Büchern hängen. Eine Biografie von Bernhard Paul, daneben ein Buch seine Tochter „Mange frei für Lilli“ und ein Kochbuch von Lilli und ihrer Mutter.
Als mein Mann zurück kam, zeigte ich ihm die Biografie und sagte, die hätte ich lieber, als das Programmheft. Nach der Lektüre hätte ich das Programmheft dann doch gerne gehabt …
Er besah sich die Auslage und stimmte zu. Fand wir bräuchten dann auch das Buch von Lilli, um zu lesen, wie die Geschichte weiter geht.
Bernhard Paul
Zwei Jahre nach Kriegsende wurde Bernhard Paul in einer österreichischen Kleinstadt geboren. Sein fünf Jahre älterer Bruder war der Liebling seiner Eltern. Eine Weihnachtsgeschichte macht diese deutlich. Bernahrd hatte sich ein Feuerwehrauto gewünscht und bekam selbstgestrickte Fäustlinge. Sein Bruder wünschte sich Skier, die sich mit den passenden Stiefeln unterm Baum befanden.
Seine Kindheit war keine einfache. In der Schule gab es viel Ärger, obwohl er ein intelligenter Junger war. Nachdem das festgestellt wurde, wurde es sogar schlimmer mit den Lehrern.
Seine erste Begegnung mit dem Zirkus hat ihn fasziniert und einen Keim gesät, der viele Jahre später aufblühte. Mit seinem Bruder hat er ein Zirkusmodell gebaut. Dieser teilte die Faszination für den Zirkus, auch wenn er selbst nie dort arbeitete. Das wusste die Mutter erfolgreich zu verhindern.
Roncalli
Als Bernhard Paul Roncalli gründete, verabschiedete er sich von einer vielversprechenden Karriere und wagte ein Risiko, um sich seinen Traum zu erfüllen.
Er beschreibt dies als seine Reise zum Regenbogen. Dabei ging es ihm nicht um Geld, sondern vor allem darum, einen Zirkus zu erschaffen, wie er ihn als Kind erlebt hat. Nicht den Zirkus, den er tatsächlich gesehen, sondern den, den er wahrgenommen hatte.
Dabei wurde er von anderen Zirkussen nicht gerade freundlich empfangen, schließlich stammte er aus keiner Zirkusfamilie.
Dies war zum Teil seine Chance, denn er baute nicht auf Traditionen.
Er wollte an der Entwicklung des Zirkus vor dem Krieg anknüpfen, wollte Träume wahr werden lassen und den Zuschauenden etwas ganz außergewähnliches bieten.
In seiner Kindheit hat er etwas sehr wichtiges gelernt, nämlich zu improvisieren und Dinge zu zweckentfremden. Aus ihnen etwas neues zu basteln.
So scheint mir Upcycling zu einer wertvollen Methode Bernhard Pauls geworden zu sein, auch wenn er es so nicht selbst bezeichnet. Dies wird besonders deutlich, im letzten Kapitel des Buches, in dem er seine Sammelleidenschaft schildert, sowie seine Visionen für weitere Projekte.
Den ersten Auftritt hatte Roncalli in Bonn auf der Hofgartenwiese am 18. Mai 1976. Knapp 47 Jahre später gastierte Roncalli erneut in Bonn, im gegenüber gelegenen Stadtgarten. Roncalli ist Bonn in den letzten Jahren treu geblieben und immer wieder hier gewesen.
Das Winterquartier liegt nicht weit entfernt in Köln, übrigens in einem ehemaligen Winterlager eines anderen Zirkus. Dieses hat bereits den kleinen Bernhard als Kind fasziniert und er hatte eine Luftaufnahme des Geländes aus einer Zeitschrift ausgeschnitten.
Es war kein Durchstarten zum Erfolg, eher ein steiniger Weg, der meinem Verständnis nach nur durch die starke Motivation Bernhard Pauls möglich wurde.
1980 fand also nach jahrelanger Sanierung und Vorbereitung die Premiere von „Die Reise zum Regenbogen statt“.
Schließlich wurde Clown Zippp geboren. Auch wenn Bernhard Paul immer selbst Clown werden wollte und bereits in Kaufhäusern auftrat, hatte er vor einem Auftritt in der Mange großen Respekt.
Inspiration
Die Geschichte von Berhnard Paul ist außergewöhnlich. Er ist keinen geraden Weg gegangen und hat sich nicht aufhalten lassen, davon, dass kaum jemand an ihn geglaubt hat. Das hat er selbst getan. Er hat eine starke Motivation und eine unfassbare Phantasie, die ihm dabei geholfen hat, eine Zirkuswelt zu erschaffen, in der ich erleben darf, wie das Unmögliche möglich wird. Dank Clowns und Artist*innen.
Ich weiß, dass hinter all dem Glanz harte Arbeit steckt und das Zirkusleben kein Leichtes ist. Aber in dem Moment in der Manege ist all das unwichtig und ich glaube so geht es auch den Zirkusleuten. Ich sehe in ihre strahlenden Gesichter, während des Applaus und glaube ihnen, dass es echt ist.
Bernhard Paul verrät in seinem Buch, dass es das nicht immer ist. So ging er auch an dem Tag in die Manege und spielte seine Nummer, als er vormittags erfahren hatte, dass sein Burder gestorben war. Ein harter Kontrast und eine Ausnahme. Sicher nicht die Einzige.
Zirkus ist ein Lebensweg, für den Menschen sich entscheiden. Es gibt viele andere Lebenswege, die von anderen belächelt werden oder gar für unrealistisch betrachtet. Ich musste mir das selbst oft anhören, dass das nicht funktionieren würde, was ich tue.
Einen erfolgreichen Zirkus kann ich nicht vorweisen. Auf einer Ebene fühle ich mich Bernhard Paul verbunden, der Reise zum Regenbogen, der Erfüllung der Träume. Steht am Ende des Regenbogens ein Topf voll Gold? Wer danach versucht zu greifen, scheitert. Es geht um den Regenbogen selbst. Um das Strahlen, die Phantasie und darum glücklich zu sein.
Lili Paul
Wie sieht das Leben eines Zirkuskindes aus? Das wollte ich als Kind auch gerne wissen. Lili beschreibt es in diesem Kinderbuch. Schule, Manege und die Suche nach dem Platz im Zirkus. Welche Nummer könnte die ihre sein?
Sie hat ihren eigenen Weg gefunden, ihre Vorbilder und ihren eigenen Traum.
Warum heißt sie Lili Paul-Roncalli, wo Roncalli doch gar kein Familienname ist?
Es ist ein Künstlername. Auch wenn ich Let`s Dance mit Lilli nicht gesehen habe, war es interessant ihr Erleben der Show zu lesen. Sie hatte es als Artistin keineswegs leichter, da der Tanz ganz andere Bewegungen von ihr erfordert.
Eine Zirkus- und Familiengeschichte
Es war schön, beide Bücher in dieser Reihenfolge zu lesen. Die Geschichte eines Zirkus, die Geschichte einer Familie, denn auch Lilli schreibt natürlich über ihre Eltern, Geschwister und die Zirkusfamilie.
Vater und Tochter sind faszinierende Persönlichkeiten, mit Gemeinsamkeiten und Unterschieden, einem anderen Blick auf das Leben im Zirkus und vor allem einem liebevollen Blick.
Die Bücher nach dem Zirkusbesuch gelesen zu haben, schafft nochmal eine besondere Verbindung zu diesem Ort der Magie und ich weiß genau, ich werde wieder kommen.
Meine Reise zum Regenbogen
Bernhard Paul
Brandstätter Verlag, 2022
ISBN: 3710606462
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Manege frei für Lili
Lili Paul-Roncalli
Oetinger, 2022
ISBN: 3751201793
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