Die folgende Geschichte stammt von Björn Beermann und war eine kleine Schreibaufgabe. Nachdem ich „Mitra, Magisches Erbe“ gelesen habe, lud ich sie zu mir nach Bonn ein. Da sie selbst in einem Unternehmen ihre Ausbildung macht, die sich mit nachhaltigem Verpackungsmaterial beschäftigen, war eine Einladung zum Nachhaltigkeitscamp nahe liegend. Lest selbst, was sie im Basecamp Bonn erlebt. Viel Spaß dabei.
„Jetzt sieh es doch einmal so. Wir machen einen kleinen Ausflug und lernen neue Leute kennen…“ Aggy schaute gedankenverloren aus dem Fenster. „Einfach mal raus hier.“ Mitra biss sich auf die Unterlippe. Ihr Magen grummelte seit einiger Zeit vor sich hin, wenn sie nur daran dachte. Sie war seit einem Monat Azubi bei Telmec und sollte dieses große Unternehmen nun vertreten. Einen Vortrag halten. Na gut, Aggy würde wohl den Hauptteil übernehmen. Aber trotzdem. „Wir sind nun einmal die Jungen. Und es hat Tradition.“ Mitra stöhnte auf. Doch es nützte nichts. Aggy hatte bereits Herrn Buschwerderin ihrem säuselnden Tonfallmitgeteilt, dass sie, Frau von Hau, und das Fräulein Gold liebend gerne diesen äußerst wichtigen Termin wahrnehmen würden. Selbstverständlich ohne vorher mit ihr darüber zu reden. Und jetzt kam sie natürlich aus der Sache nicht mehr raus. Ja und es hatte natürlich Tradition, dass die Azubis von Telmec zum Nachhaltigkeits-Camp fuhren und das Image pflegten. Zumindest wenn man bei drei Jahren von Tradition bereits reden konnte.
Vielleicht würde es ja tatsächlich Spaß machen mal aus Hamburg rauszukommen und sich nicht mit Wächterinnen Aufgaben und mit Magiedingen auseinandersetzen zu müssen. Noch völlig in Gedanken versunken, zuckte Mitra zusammen als auf einmal eine Akte auf ihren Tisch flog. Entgeistert starrte sie auf Aggy, die sie mit einem 50er Jahren Sekretärinnenlächeln anstrahlte. „Lies Dir am Besten schon einmal die Details zu den Bambus Blatt Gemisch Frischhalteverpackungen durch. Der neueste Shit. Darin sollen Lebensmittelhersteller zukünftig ihre Produkte im Supermarkt pfeilbieten.“
„Bist Du über das Deckblatt bereits hinaus gekommen?“ Aggy winkte ungeduldig ab und setzte sich an ihren Arbeitsplatz. „Du bist einfach besser im Recherchieren.“
Eine Weile stierte Mitra Aggy an. Dann fasste sie sich. „Deal, wenn Du den Vortrag machst.“ Aggy grinste sie an. „Abgemacht.“
Drei Tage später waren sie bereits auf den Weg nach Bonn zum Nachhaltigkeitscampin der Nobelkarosserie ihrer Tante Minerva, die ihnen versprochen hatte sie zum Bahnhof zu fahren. „Wir müssen noch einmal einen kleinen Schlenker zum Stadtpark machen.“ Mitra stöhnte auf und setzte bereits an zu widersprechen. Doch ihre Tante hob ihre Hand um sie zum Schweigen zu bringen. „Wir sind früh genug dran und es gibt ein Problem.“ Dabei schielte sie ein wenig misstrauisch zu Aggy hinüber, die den Blick natürlich bemerkte. „Ich kann schweigen wie ein Grab“, schwor sie feierlich, was Mitra wiederum zum Lachen brachte. Schweigen gehörte eigentlich nicht zu ihren Stärken. Allerdings hatte sie ihr größtes Geheimnis, dass sie dem neuen Feuervolk angehörte und eine Naturverbundene war und sie gegen einen übermächtigen Gegner antrat tatsächlich nicht ausgeplaudert. Und ohne sie hätte Mitra es ohnehin nie überstanden. Sie war einfach froh Aggy zu haben, die mit ihrer offenen und durchgeknallten Art sie immer wieder anstachelte aus sich herauszukommen.
Als sie an einer Ampel halten mussten, fuhr sich ihre Tante übers Gesicht. „Was solls. Du weißt ja ohnehin schon alles“, gab Minerva widerwillig zu. Aggy nickte ernst.
„Eine weitere Statue ist zerstört worden. Wir müssen sie inspizieren.“ Mitra schluckte. In ihr drin tobte unvermittelt ein kleiner Sturm. Eigentlich war sie froh dieser magischen Welt zumindest mal kurz zu entkommen, aber sie wusste auch, dass es in diesen unsicheren Zeiten vielleicht keine gute Idee war. Immerhin war sie die Naturverbundene. Sie war die Einzige, die mit den anderen magischen Völkern reden konnte. Das ursprüngliche Feuervolk durfte nicht gewinnen, sonst würde ihre Welt wahrscheinlich in Flammen stehen. Minerva fuhr gerade in die Saarlandstraße auf einen Parkplatz als sich Mitra zu einer Entscheidung durchgerungen hatte. Die Worte kamen ihr dennoch lediglich widerwillig über die Lippen. „Wenn Ihr mich hier braucht, würde ich natürlich da bleiben.“ Aggy fuhr empört zu ihr herum, doch Minerva winkte bereits lässig ab. „Du bist ja nur zwei Tage weg. In der Zeit wird die unsichtbare Barriere schon nicht kollabieren. Und sie hat bereits hunderte Jahre gehalten auch ohne eine Naturverbundene“, meinte sie schlicht während sie sich einem Trümmerhaufen im Park näherten. Mitra hatte keine Zeit mehr darüber nachzudenken, ob ihre Tante sie gerade beleidigt hatte, denn schon spürte sie Übelkeit in sich aufsteigen, die von der zerstörten Figur ausging. Instinktiv ging eine Hand auf ihren Bauch, um ihren rebellierenden Magen zu beruhigen und die andere Hand zu ihrem Mund. Sie krümmte sich und schloss die Augen. Was für eine dämliche Idee hierherzukommen. Sie stützte sich gerade an einen Baum, als sie von der Seite so stark angerempelt wurde, dass sie hinfiel. „Hey!“ hörte sie die Stimmen von Aggy und Minerva nahezu unisono. Mitra blinzelte, um zu sehen, was da vor sich ging. Hatten die Beiden sie angeschrien? War sie gemeint gewesen? War sie von ihnen geschubst worden? Mit zusammengekniffenen Augen, da ihr immer noch schlecht war und sich Kopfschmerzen dazu gesellten, sah sie eine Silhouette, die einen der Trümmer schnappte, sich flink in die Büsche schlug und somit aus ihrem Blickfeld geriet. Zunächst verstand sie nicht was da gerade passiert war, doch dann ertönte ein hallendes Lachen, bei dem sie wusste, dass nur sie es hören konnte. Die Fratze hatte wieder zugeschlagen. Sie war der Auftraggeber für diesen Anschlag auf die Figur. Das war der letzte Gedanke, bevor sie das Bewusstsein verlor.
Sie wachte im fahrenden Auto wieder auf. „Da bist Du ja wieder Dornröschen“, bemerkte Minerva trocken. „Geht’s Dir gut?“ fragte Aggy besorgt von vorne. Sie nickte bloß. „Mir war bloß schlecht wegen der kaputten Figur.“ Ihre Tante nickte. „Ja, das war keine gute Atmosphäre. Aber gut, dass wir da waren. Ich habe gleich die anderen Wächterinnen informiert, dass die Brocken eingesammelt werden müssen. Wer weiß was die Gegenseite sonst damit anstellt?!“ Mitra fragte sich wie ihre Tante es geschafft hatte nicht besinnungslos zu werden. Doch bevor sie die Frage überhaupt stellen konnte, antwortete Minerva bereits darauf in ihrer gewohnt nonchalanten Art, die sie bereits einzuschätzen wusste. „Du musst ein bisschen disziplinierter Yoga betreiben. Dann fällst Du auch nicht in Ohnmacht.“ Sie fuhr auf den Parkplatz am Bahnhof. „So und nun wünsche ich Euch viel Spaß.“ Mitra stieg ein wenig wackelig auf den Beinen aus dem Wagen und holte ihren gepackten Wanderrucksack raus und Aggy ihren riesigen Trolley. Ihre beste Freundin bedachte ihr Gepäckstück ein wenig mitleidig. „Du hast wahrscheinlich die Hälfte vergessen. Aber zusammen werden wir es schon schaukeln.“ Mitra nickte bloß schwach. Obwohl sie sich ziemlich sicher war, dass sie alles Nötige eingepackt hatte und Aggy irrtümlicherweise von einer Woche Aufenthalt ausgegangen war, anstatt von zwei Tagen. Doch sie war noch zu sehr von den Ereignissen im Stadtpark gefangen als dass sie sich mit so etwas Profanem wie Reisegepäck streiten wollte. Wozu brauchte die Fratze die Brocken? Reichte es für sie nicht aus, dass die Figur zerstört war und die Barriere somit ein weiteres Stück Stabilität verloren hatte?
Aggy schien ihre nachdenkliche Stimmung nicht zu bemerken und plapperte munter weiter. Sie winkten Minerva noch einmal zum Abschied und stiegen in den IC, der sie nach Bonn bringen sollte. Kurze Zeit später, nachdem sie den Harburger Bahnhof verließen, spürte Mitra einen kleinen stechenden Schmerz. Es fühlte sich so an, als ob etwas Wichtiges in ihr drin nicht mehr da wäre. Ihr Körper wurde auf einmal heiß und war im nächsten Moment wieder abgekühlt. Sie hatten die Grenze Hamburgs verlassen. Sie wurde ein wenig wehmütig was sie überraschte, da sie nicht gedacht hätte, dass sie die Magie vermissen würde, da sie doch so viel Unruhe in ihr Leben gebracht hatte. Um sich von ihren Sorgen über die Stabilität der Barriere und ihrer Wehmut abzulenken schnappte sie sich ihren Rucksack und holte ihre Recherchearbeit heraus. Aggy starrte sie entgeistert an. „Das ist jetzt nicht dein Ernst. Wir haben Urlaub.“ „Du willst Dich doch nicht blamieren, oder? Immerhin wollen wir einen Vortrag über die neue ökologisch sinnvolle Verpackungsrevolution von Telmec halten.“ Mitra versuchte sich an einer seriösen Moderatorenstimme. „Oh pardon. Ich meine natürlich DU willst Dich doch sicherlich nicht blamieren.“ Mitra grinste ihre Kollegin und Freundin an, die mit den Augen rollte. „Du kleine Streberin.“Mit deutlicher Abneigung nahm sie die Papiere in die Hand. „Ich habe eine kleine Powerpoint Präsentation erstellt. Sonst musst Du halt mit Deinem Charme überzeugen.“ Aggy machte eine abwehrende Handbewegung. „Nichts leichter als das. Du kennst mich.“ Mitra musste lachen. „Ich glaub da auch fest an Dich.“
In den nächsten Stunden gingen sie trotz Aggys Überzeugung es auch ohne Vorbereitung zu schaffen, die Unterlagen durch. Zumindest solange es Aggy zuließ. Als sie in Bonn schließlich ankamen hatte Mitra zumindest die Hoffnung, dass sie nicht völlig versagen würden. Ihre Kollegin kannte sich erstaunlich gut in der Materie aus. Sie war anscheinend wissbegieriger als sie zugeben wollte.
Nachdem sie aus der Linie U-16 der Bonner Verkehrsbetriebe ausstiegen waren und noch eine Ewigkeit an einer Bahnschranke gewartet hatten, sahen sie nach einem kleinen Fußmarsch zunächst lediglich eine Halle hinter ein paar Bäumen auftauchen, die sie ein wenig irritiert betraten. Wahrscheinlich hätten sie sich doch über das Camp vorher besser informieren sollen, dämmerte es Mitra langsam.
In der Halle befanden sich diverseumgebaute Oldtimer, die anscheinend als Betten und Zimmer fungierten. Mitra lachte auf. Das würde wirklich lustig werden.
Nachdem Aggy den ersten Schock überwunden hatte, sie hatte wohl genau wie sie eher an ein Hotelzimmer gedacht als an Camping in einem Auto, setzte sie ihr strahlendstes Lächeln auf. „Lass uns für die Nachwelt ein Selfie machen. In dieser skurrilen Kulisse.“
Der Mitarbeiter, bei dem sie eincheckten, führte sie zu einem Trabbi, auf dem ein Zelt aufgebaut war.Aggy schaute das Zelt an, schaute Mitra an und dann den Mitarbeiter. „Ernsthaft?“ „Ja, das ist die Zweibettvariante. Ist super, nicht?“ Der Mitarbeiter strahlte uns völlig ahnungslos an. Völlig ahnungslos dem gegenüber was Aggy gerade durchmachte. Mitra unterdrückte ein Grinsen. Sie war zwar auch nicht begeistert davon so völlig ohne Privatssphäre zu sein aber für zwei Tage, dachte sie sich, würde sie das schon aushalten. Aggy wurde jedoch gerade aus ihrer rosaroten Glamourwelt gerissen. „Wenn ihr noch was essen wollt, vorm Schlafen. Die Gastro hat noch auf.“ Damit verabschiedete er sich und Aggy sah ihm fassungslos hinterher. „Telmec, dieses große Unternehmen hat uns als Schlafstätte einen Trabbi besorgt. Diese kleinen Mistkröten.“ Mitra lachte. „Ach komm, du hast selber gesagt, dass das ein Abenteuer und lustig wird.“ Mitra kletterte die Leiter hoch und spähte in die Übernachtungsmöglichkeit. „Ich glaube die Taschen sollten wir lieber da in die Schließfächer einsperren. Dafür ist hier oben kein Platz.“ „Ich hoffe Du schnarchst nicht“, grummelte Aggy bloß.
In der Nacht träumte Mitra von der Fratze wie sie sie auslachte, Hamburg niederbrannte und alle tötete, die ihr etwas bedeuteten, während sie als Zuschauerin an einem Trabbi gefesselt dazu verdammt war nicht einschreiten zu können. Sie war völlig gerädert als sie morgens eine Hand ins Gesicht geschlagen bekam. Noch völlig neben der Spur versuchte sie sich zu orientieren und bemerkte, dass Aggy sich im Schlaf gedreht hatte. Mitra stöhnte auf als nun auch ihr Wecker losging. Was für ein Alptraum. Obwohl sie bereits grauenhaftere Hirngespinste hatte, die ihr während des Schlafs wesentlich realistischer erschienen waren. Was wahrscheinlich eine positive Begleiterscheinung davon war, dass sie sich in Bonn und nicht in Hamburg an der Magiequelle befand.
Draußen hörte sie bereits die ersten Teilnehmer, die sich auf den Tag vorbereiteten und lachten und schwatzten. Ohne großen Elan rüttelte sie ihre Kollegin. „Aufstehen. Morgenstund hat…“ Sie gähnte. „Gold im Mund.“ „Ich habe kaum ein Auge zugemacht“, jammerte Aggy gleich los. „Das ist der Horror.“ Sie betrachtete sich kritisch in einen kleinen Spiegel. „Ich muss erst einmal ins Bad und dann brauche ich einen Liter Kaffee und dann schauen wir weiter.“ Sie richtete sich bereits auf und kletterte die Leiter hinunter. Mitra schaute ihr müde hinterher und schloss kurz die Augen. Sie horchte in sich hinein und musste sagen, dass sie sich eigentlich ganz gut fühlte. Sie hatte schon immer mal in einem Baumhaus schlafen wollen und das kam diesem Wunsch zumindest schon einigermaßen nahe. Sie schaute auf ihr Handy und beschloss, dass auch sie sich fertig machen musste. In einer guten halben Stunde gab es Frühstück und dann würde es auch schon mit dem Camp losgehen. Sie hoffte inständig, dass sie heute früh bereits ihren Vortrag halten konnten. Damit sie ihre Hauptaufgabe erledigt haben würden und die restliche Zeit ein bisschen mehr genießen konnten. Sie kramte, unten angekommen, in ihrem Rucksack alle wichtigen Utensilien für das Badezimmer heraus und freute sich wie Aggy bereits unglaublich auf den Kaffee. Auf den Weg traf sie viele Teilnehmer. Alle grüßten freundlich. Es war einfach eine unglaublich tolle Atmosphäre, in der sie sich gleich wohl fühlte. Sie unterdrückte sogar den Drang zu summen.
Am Frühstücksbuffet traf sie Aggy wieder, nachdem sie ihren ersten Schluck des schwarzen Goldes zu sich genommen hatte. Sie war völlig verwandelt. Im Gegensatz zu dem kleinen grummeligen Etwas von heute früh strahlte sie sie nun mit einer halb leeren Tasse Kaffee an. „Ist es nicht großartig hier? Alle sind so nett. Ich habe uns da hinten gleich einen Platz reserviert. Bei den coolen Kids. Du verstehst.“ Mitra trat einen kleinen Schritt zurück und betrachtete sie besorgt. „Du nimmst aber keine Drogen, oder?“ Aggy blinzelte verständnislos und schüttelte langsam den Kopf. „Nicht, dass ich wüsste.“ Was ein bisschen Koffein und frisches Wasser im Gesicht doch ausmachen konnten, dachte sich Mitra und folgte Aggy, ihren vollen Teller balancierend, zu ihrem Platz. „Das hier ist alles vegan. Ist das nicht cool? Hat Sam gesagt und es schmeckt wirklich großartig.“ Aggy nickte einer jungen Frau zu, die sich ihr schwarzes Haar mit einem Bleistift notdürftig zu einem Dutt gebunden hatte. Auf ihrer Nase thronte eine Brille mit runden Gläsern. Sie lächelte Aggy und mich selbstbewusst an. „Du musst Mitra sein. Herzlich Willkommen. Bist Du das erste Mal hier?“ Mitra nickte und schluckte ihr Essen hinunter. „Ja, das alles ist schon wirklich irre.“ Sams linke Augenbraue ging nach oben und Aggy stieß sie mit ihrem Ellenbogen an. Hatte sie etwas Falsches gesagt? „Aber wirklich großartig“, beeilte sie sich zu sagen. Die junge Frau nickte bestätigend.
Nach dem Frühstück brachten sie das Geschirr zurück, holten die Unterlagen aus dem Trabbi und gingen zum Versammlungsort, wo sie offiziell begrüßt wurden, das Konzept des Barcamps noch einmal erklärt wurde und sie gebeten wurden, sich mit drei Hashtags kurz vorzustellen. Mitra war froh, dass ihr das mit den Hashtags im Vorfeld erklärt worden war. So war sie vorbereitet. Und ein Hashtag war von Telmec bereits vorgegeben worden. Aggy schnappte sich das Mikrophon und trällerte: „Hi, ich bin Aggy, meine drei Hashtags sind. #GlamourIstAlles #VerpackungsmüllIstUnnötig und …“ Sie zwinkerte Mitra zu „#HamburgIstMagisch.“ Damit übergab sie ihr das Mikro. Mitras Herz setzte kurz aus und sie hätte sie am Liebsten erwürgt. Sie kniff die Augen zusammen und funkelte ihre Freundin von der Seite an, was Aggy typischerweise völlig kalt ließ und seufzte. Was sollte es? Sie war ohnehin die Einzige, die sich einen Reim auf diesen blöden Hashtag machen konnte. „Hallo, mein Name ist Mitra und meine Hashtags sind. #VerpackungsmüllIstUnnötig #naturpur und #LächleDuKannstSieNichtAlleTöten.“ Damit strahlte sie Aggy an und übergab das Mikro ihrer Nachbarin. Aggy biss sich auf die Lippe um nicht laut los zu lachen, während Mitra grinsend den Kopf missbilligend schüttelte.
Und dann wurde es ernst.Mitras Herz ging gleich etwas schneller. Sie und andere Teilnehmer des Camps, die sich vorstellen konnten einen Vortrag zu einem eigenen Themazu halten, gingen nach vorne. Sie stupste Aggy an, damit sie sich ein wenig zügiger in die Schlange einreihte. „Die letzten werden die ersten sein“, dozierte Aggy und Mitra verdrehte innerlich die Augen. Sie wollte einfach nur, dass ihre Session möglichst schnell vorbei sein würde. Sie hasste es im Mittelpunkt zu stehen. Wie konnte Aggy nur so ruhig und entspannt bleiben? Als sie freundlich aufgefordert wurden ihre Session vorzustellen, war sie froh, dass sie lediglich ihren Namen sagen musste und Aggy den Rest übernahm. Im Nachhinein konnte sie sich an kaum etwas erinnern. Aber ihre Kollegin schien es gut gemacht zu haben, denn sie hatte einige Lacher auf ihrer Seite und wenn Mitra so das Publikum überflog, gab es etliche, die Interesse daran hatten. Das war beruhigend. So konnten sie Herrn Buschwerder schon einmal etwas Positives berichten aber auf der anderen Seite wurde ihr ein wenig übel, wenn sie daran dachte wie groß die Anzahl der Zuhörer sein würde.Aggy hob die Hand zum High Five: „Das haben wir gerockt.“ Mitra schlug mit zitternder Hand ein. „Du hast es gerockt.“ Aggy nickte und strahlte sie an. „Und wir sind früh dran wie du es wolltest. Du solltest Dich wirklich entspannen“, erwiderte Aggy und bugsierte sie zum Kaffeestand.
Gerade war sie dabei den Duft des recht ordentlichen Kaffees zu inhalieren und sich mantraartig einzureden, dass Aggy es schon hinbekam, wurde eine große Tafel in die Nähe des Kaffeebereichs hingestellt, auf der der Zeitplan für den heutigen Tag gepinnt worden war.
Sam und viele andere der Teilnehmer stürzten gleich auf die Information. Mitra war zu weit entfernt, um zu erkennen wie der heutige Tag nun strukturiert sein würde. Doch wenig später boxte sich Sam zu ihnen wieder zurück und meinte schlicht, dass sich nichts geändert habe und sie gleich zu Anfang im roten VW Bus ihren Vortrag halten durften. Eine Teilnehmerin, die gerade an ihnen vorbeiwollte, rempelte Mitra aus Versehen an und die ließ ihren halb vollen Bambus Kaffeebecher fallen, wobei ein nicht unerheblicher Teil auf ihren Schuhen landete und ihre weiße Hose am unteren Ende braun färbte. „So ein verfluchter Mist. Warum muss ich mich ständig mit Kaffee bekleckern?“ Nachdem Aggy beruhigt abgecheckt hatte, dass ihr Outfit unberührt geblieben war, lachte sie herzhaft und schnappte sich Mitra. „Na komm Du kleiner tollpatschige Unglücksrabe lass uns dem wartenden Publikum eine fantastische Show abliefern.“ „Da bleibt uns wohl nichts anderes übrig“, schmollte Mitra. „Das ist die richtige Einstellung.“
Die Tür zum VW Bus stand auf und war der Natur sei gedankt noch leer. „Ah da ist der Stromanschluss. Machst Du mal den Beamer an?“ dirigierte Aggy sie. Mitra gehorchte, bekam auf einmal allerdings leichte Kopfschmerzen, die schnell schlimmer wurden. Sie rieb sich ihre Stirn und stöhnte unvermittelt auf.
„Alles in Ordnung mit Dir?“ Mitra schüttelte den Kopf und setzte sich auf einen der Stühle. Da bemerkte sie einen kleinen Steinbrocken. Ein bisschen größer als ihre Faust. Und … bildete sie sich das lediglich ein oder ging von dem Stein ein Glimmen aus? Nicht stark aber so ganz leicht? Sie beugte sich weiter vor, wobei sich zu ihren Kopfschmerzen auch noch Übelkeit gesellte. Wie in Trance streckte sie ihre Hand nach dem Stein aus. Irgendeine Macht zog sie dahin. Kurz bevor sie ihn berührte, ihn aufhob, hatte sie eine Art Déjà-vu. Sie erinnerte sich an den Tag als sie einen komischen Stein berührte und eine Nachricht von der Fratze, ihrem Feind, dem Vertreter des ursprünglichen Feuervolks, erhalten hatte. Damals war Aggy auch dabei gewesen und hatte so herausgefunden, dass Mitra magische Fähigkeiten hatte. Ihre Bewegung stockte kurz. Sie kniff ihre Lippen zusammen. War sie denn nirgendwo mehr sicher vor solchen Zusammenkünften mit den Vertretern der anderen magischen Völker? „Kannst du bitte die Tür schließen?“ fragte sie Aggy, die auf Grund von Mitras Haltung ihrer Bitte kommentarlos nachging. Inzwischen konnte sie es einigermaßen gut einschätzen, ob etwas Ungewöhnliches passieren würde. Als sie von der Außenwelt abgeschirmt waren, nahm Mitra all ihren Mut zusammen und griff zu.
Eine Explosion aus Schmerz durchfuhr sie unvermittelt, ausgehend von ihrer Hand. Sie sah das hässliche Antlitz der Flammen-Fratze vor sich. Seine boshaften Augen blitzten sie an. Draußen klopfte es an der Tür. Vor lauter Schreck ließ sie den Stein auf den Boden fallen. Aggy starrte sie gespannt an. Doch dann als die Tür einen Spalt aufging verdrehte sie die Augen und komplementierte die Session-Interessenten, die kurz davor waren den Wagen zu betreten, wieder raus. „Es gibt noch technische Probleme. In fünf Minuten sind wir für Euch da.“ Damit schloss sie die Tür wieder. „Es war die Fratze. Sie will was von mir“, keuchte Mitra. „Und was?“ Sie zuckte mit den Schultern. „Du brauchst Antworten. Und wir haben keine Zeit.“ Mitra schaute Aggy zweifelnd an. Doch sie zeigte bloß auf den Stein und sie musste zugeben, dass sie recht hatte. Sie versteifte sich unvermittelt und griff erneut danach. Wieder war der Schmerz kaum ertragbar und wieder grinste sie die Fratze an.
„Was willst Du?“ fragte sie mit zusammengekniffenen Zähnen.
Das Grinsen des Schlunds der Fratze wurde breiter. „Falsche Frage Menschenkind. Die Frage ist: Was willst Du?“ „Das du verschwindest“, zischte sie.
„Das glaube ich nicht. Deine Mutter wollte Dich vor dieser Welt bewahren. Ich weiß was DU willst, Du willst Normalität.Doch das konnten die Wächterinnen nicht zulassen. Räche Dich. Überlege es Dir.“
Mitra starrte das Monster an. Sie konnte kaum denken. Der Schmerz, der von dem Stein ausging, vernebelte ihren Kopf. Und mit einem Malwar die Fratze und der Schmerz verschwunden. Mitra griff nach dem Glas Wasser, das ihr Aggykommentarlosreichte und trank es in einem aus. Was war das denn? Sie schluckte und erholte sich langsam wieder. „Die Fratze will, dass ich abtrünnig werde und die Wächterinnen verrate.“ Aggy schaute sie mit großen Augen an. „Dann geht der ja mächtig die Düse wegen Dir. Du bist eine echte Bedrohung.“ Aggy schaute sie bewundernd an. Mitra runzelte die Stirn. „Na denk doch mal nach. Wenn Du nicht mächtig wärst, würde sie dich ignorieren.“ „Sie bietet mir an normal zu sein.“ Aggy schüttelte mitleidig den Kopf. „Ich werde wohl nie verstehen was Dir so sehr am Normalsein liegt.“ Sie seufzte. „Aber dir ist zumindest hoffentlich klar wie sie das für dich schaffen möchte mit der Normalität. Sie will die Barriere einreißen und wenn ich dich richtig verstanden habe, wird das für uns alle kein Tag der Wonne werden.“ Aggy klopfte ihr aufmunternd auf die Schulter.„Mitra, akzeptiere es. Du bist eine Wächterin. Du hast eine Familie, auch wenn sie schräg ist und du hast mich. Was willst Du denn noch mehr? Was kann Dir Normalität denn schon bieten?“ Mitra musste unvermittelt lächeln. „Ist doch wahr. Ich mein Mildred und Minerva sind doch ganz in Ordnung.“ Mitra stockte. Ihre Familie. Natürlich. Auf einmal wusste sie, was sie jetzt tun musste. Sie faltete eine auf dem Tisch liegende Serviette auseinander und schnappte sich den Stein. „Du machst das hier mit dem Vortrag und ich regele das hier. Ja?“ Bevor Aggy reagieren konnte, riss Mitra bereits die Tür des Wagens auf und teilte dem schon genervten Publikum mit, dass Aggy nun starten würde mit der Session. Aggy war von ihrem Alleingang sicher nicht begeistert. Das war klar. Aber sie musste sich beeilen und Aggy musste die Massen entertainen.
Sie wusste, dass es hier in Bonn nicht so leicht sein würde ins Feld zu kommen, da hier die Magie kaum spürbar war. Aber sie hoffte auf den Stein, dass sie mit Hilfe des kleinen Brockens aus der Steinfigur aus dem Stadtpark ins Feld gelangen würde. Sie verließ die Halle und suchte sich auf dem Außengelände einen Platz, der nicht so leicht einsehbar war. Sie öffnete die Serviette, legte den Stein neben sich, zog ihre Schuhe aus für den direkten Bodenkontakt und konzentrierte sich auf die Natur. Doch es passierte nichts. Nach einigen Versuchen war sie kurz davor aufzugeben. Doch dann blieb ihr Blick an dem Brocken hängen und sie gab sich einen Ruck. Einmal mehr nahm sie ihn in die Hand und schloss gleichzeitig die Augen. Sie war darauf gefasst, dass es abermals höllisch weh tun würde. Doch es war einigermaßen okay. Ihr wurde lediglich etwas übel und schon bald wurde ihr warm und als sie ihre Augen öffnete, war sie im glitzerweißen Raum des Feldes. Die klassische Musik war leise aber dennoch verführerisch wie eh und je. Sie krallte sich an den Stein. Mit lauter, zitternder Stimme sagte sie den Ruf und hoffte, dass sie sich richtig erinnerte. Da sie nur ihre Tante und Oma sehen wollte, änderte sie ihn leicht ab: „Feuer zu Feuer. Mildred und Minerva denkt an euren Schwur.“ „Mitra?“ Sie hörte den verblüfften Ton in der Stimme ihrer Großmutter. Sie öffnete die Augen und sah nur Mildred. Ihre Tante war nicht erschienen. Ein Beweis mehr, dass die Magie hier sehr schwach war. Sie hatte für zwei Personen nicht ausgereicht. Mildred war in bequemen Sportklamotten gekleidet. Natürlich, sie hatte sie aus ihrer morgendlichen Yogaroutine geholt. Und dieses Mal anscheinend aus dem Garten, denn sie trug leichte Schuhe. „Wir haben nicht viel Zeit. Das ursprüngliche Feuervolk wollte mich auf seine Seite bringen. Dazu haben sie den Brocken aus einer der zerstörten Steinfiguren gestohlen. Ich habe es im Gefühl, dass wir ihn noch brauchen werden. Vielleicht, wenn wir sie restaurieren. Und bei Euch im Schutz der Wächterinnen ist es sicherer.“ Mildred lächelte sie an. „Eine weise Entscheidung.“ Als Mitra ihr den Stein gab, war ihre Großmutter auf einmal verschwunden und sie saß wieder in ihrem Versteck. Alles so wie vorher, bloß, dass der Stein nicht mehr da war. Sie atmete erleichtert aus. Wieder an der Halle angekommen, steuerte sie den Wagen an, in dem ihre Session lief.
„Natürlich wäre es toll, wenn die Supermärkte keine Verpackungen benötigten, aber da sind wir noch lange nicht und zudem hat das ja auch was mit Hygiene zu tun.“ Ein leises Stimmengewirr kam auf. „Es tut mir leid, doch mehr Zeit haben wir nicht. Die nächsten Sessions starten gleich. Aber wir können beim Mittagessen oder so gerne noch weiter diskutieren.“ Aggy hatte hochrote Wangen und sah sehr zufrieden mit sich aus.
Der Rest des Camps verlief sehr gut und war unheimlich inspirierend. Und als sie im Zug nach Hause saßen war Mitra sogar glücklich mitgekommen zu sein.
Herzlichen Dank Björn für dieses Abenteuer in Bonn, ich hoffe Mitra ist wieder gut in Hamburg angekommen, ist gibt ja noch weitere Romane zu ihr.
Das Copyright für diese Geschichte liegt bei Björn Beermann!
Wenn ihr mehr von Mitra lesen mögt, empfehle ich euch die Bücher. Hier findet ihr meinen Beitrag und auf der Autorenwebseite von Björn weitere Informationen, sowie auf Facebook, Instagram oder YouTube.