Melmoth ~ Sarah Perry
Melmoth ~ Sarah Perry

Wenn du jenseits deiner Lieblings-Genre liest. Wenn ein Buch ganz anders funktioniert, als du es gewohnt bist. Dann fällt es schwerer vorauszuahnen, wohin sich die Geschichte entwickeln wird. Dann wird es leichter dich zu überraschen. Das ist wundervoll.

Genau das habe ich gesucht, ein Buch, das anders ist, dass mich fasziniert, überrascht und beschäftigt.

Diesen Beitrag zu schreiben fällt mir allerdings nicht leicht. Gerade weil der Roman so vielschichtig und überraschend ist. Ich möchte so vieles zum Buch sagen, aber ich will euch die Lesefreude nicht nehmen, ein Problem vor dem ich tatsächlich sehr lange nicht mehr stand.

Prag eine magische Kulisse

Ich bin noch nie in Prag gewesen, aber nach dem Roman bin ich überzeugt, dass die Stadt eine Reise wert ist.

Sie ist historisch bedeutsam, im düsteren Sinne, aber andererseits bietet sie offenbar auch faszinierende Schönheit an.

Prag erscheint auf jeden Fall die perfekte Kulisse, für diesen vielschichtigen internationalen Roman zu sein, auch wenn mir persönliche diese Stadt nicht spontan in den Sinn gekommen wäre und genau das begeistert mich an dem Roman, die neuen Erfahrungen, die sich mir bieten.

Ein Mythos

Es ist eine Legende, die mysteriöse Frau in Schwarz. Die Legende ist verknüpft mit der Bibel mit einem 1820 erschienen britischen Roman „Melmoth der Wanderer“ von Charles Robert Maturin , ein wahrlich düsterer Roman, welcher in einem alten Spiegel-Artikel als Meisterwerk bezeichnet wird. In diesem Roman ist Melmoth allerdings ein Mann …

Auch der Schimmelreiter von Theodor Storm von 1888 wird als Quelle und Variante von Melmoth herangezogen. Ebenso andere real existierende Quellen, die der Inspiration zum Roman dienen, aber auch weitere fiktive Quellen, die wir tatsächlich zu lesen bekommen …

Ist Melmoth nur ein Mythos oder existiert sie wirklich? Ist sie eine Bedrohung oder eine Freundin? Vielleicht auch nur eine Gruselgeschichte, eine Abschreckung für Kinder, damit sie brav sind?

Ein vielschichtiger Roman

Wir begleiten die 42-jährige Helen durch Prag. Sie stammt aus England und hat in Prag ein Ehepaar als einzige Freunde gefunden. Ihr Freund Karel übergibt ihr ein Manuskript … Dieses dürfen wir mit ihr lesen. Es führt zurück in eine Vergangenheit, deren historische Fakten wohl bekannt sind. Die Perspektive aus der Tschecheslowakei ist dagegen für mich eine neue. Josef Hoffmann wurde 1926 geboren. Er erzählt uns vom Stolz und Frust seines Vaters, der unter der „böhmischen Krone im Kaiserreich Österreich-Ungarn“ zur Welt gekommen ist und seiner deutschsprechenden Mutter. Wir erleben mit ihm die Verfolgung der Juden, den Krieg und die Vertreibung der Deutschen … Eine düstere Geschichte, eine fiktive, basierend auf vielen wahren, die nicht in Vergessenheit geraten dürfen.

Helens Freundin Thea ist ebenfalls Engländerin, heiratete einen jüngeren Mann, beendete ihre juristische Karriere und ihr Leben änderte sich mit dem erlittenen Schlaganfall …

Helens Mitbewohnerin und Vermieterin feiert im Roman ihren 91. Geburtstag. An diesem Abend treffen völlig verschiedene Frauen aufeinander, die Fäden werden verwoben und neu ausgelegt …

Weitere Fäden führen in andere Länder, andere Kulturen. Vielfältig und doch bleibt alles eng verwoben durch einen Mythos.

Und dann wäre da noch die allwissende Erzählerin, die uns Lesende hin und wieder direkt anspricht …


Das Buch wurde mir von Bastei Lübbe zur Verfügung gestellt. Link zur Verlagsseite mit Leseprobe

Melmoth
Sarah Perry
übersetzt von Eva Bonné
Eichborn, 2019
ISBN: 978-3-8479-0664-3