Schiff am Kai vor Hochhäuserner
Auf diesem Schiff haben wir unser letztes gemeinsames Silvester verbracht

Es gibt so viele erste Tage und auch so viele erste Male ohne Klaus, so dass ich nur auf einige hier eingehen werde. Den allgemeinen einleitenden Beitrag hierzu findet ihr hier.
Heute wird es persönlich, heute erzähle ich euch, wie ich die ersten besonderen Tagen verbracht und wie ich mich an diesen gefühlt habe.

Der erste Hochzeitstag ohne ihn

Der erste besondere Tag, den ich bewältigen musste, lag gut zwei Monate nach seinem Tod und war unser Hochzeitstag. Es wäre unser neununddreißigster gewesen.
Für mich erstaunlicher Weise der Tag, vor dem ich zwar etwas Angst, aber nicht die Panik hatte, die mir später noch begegnen sollte. Diesen Tag hatte ich als einen bewussten Erinnerungstag geplant. Ich wollte diesen Tag alleine verbringen, doch eigentlich war ich das nicht. Irgendwie war mir Klaus an diesem Tag ganz besonders nah. Gefühlt haben wir ihn so zusammen verbracht.

Für den Tag hatte ich einen Plan und eine Aufgabe.
Mein Mann wollte mir immer gerne Schmuck schenken und hatte bei unserem letzten Urlaub noch den Wunsch, dass ich mir, auch wenn er nicht mehr mit in die Stadt kommen konnte, doch bitte ein schönes Schmuckstück aussuchen sollte. Leider habe ich bei den Juwelieren vor Ort nichts gefunden. Den Hochzeitstag empfand ich nun als eine perfekte Gelegenheit, mich noch einmal nach einem Schmuckstück umzusehen.

Vormittags bin ich zunächst zu einem Goldschmied gefahren und habe mir Entwürfe machen lassen, wie ich unsere beiden Eheringe zu einem gemeinsamen Kettenanhänger umarbeiten lassen könnte. Ein schwieriges Unterfangen. Nein, so ganz spontan konnte ich mich nicht entscheiden, habe die Entwürfe erst einmal mitgenommen.

Bei einem anderen Juwelier habe ich dann anschließend einen sehr schönen Ring gefunden, den ich dann als Ersatz für den Ehering tragen wollte. Besonders der Ringkauf hat sich sehr gut angefühlt und hätte meinem Mann gefallen.

In Überlegung war auch, alleine essen zu gehen, aber das hat dann irgendwie zeitlich nicht gepasst. Stattdessen habe ich mir etwas besonders Leckeres gekauft, mir den Tisch schön gedeckt und habe, weil das an diesem Tag immer dazu gehörte, auch ein – na gut, ich will ja ehrlich sein – zwei Gläser Sekt getrunken.
Ich kann sagen, ja, der Tag war rund, war ein schöner Hochzeitstag. Es passte so und auch wenn Tränen geflossen sind, ist es ein guter Tag gewesen. Vor allem war es ein gemeinsamer Tag.
Das so empfinden zu können, war das größte Geschenk.

Dafür kam die Verzweiflung am nächsten Tag in ganz besonderer Heftigkeit.

Mein erster Geburtstag ohne ihn

Vier Monate nach seinem Tod.
Ich nehme vorweg, dass das von den ersten Tagen, der kraftraubenste war! Es war aber auch ein besonderer Geburtstag, da ich 60 geworden bin. Mein Mann, der eigentlich überhaupt keine großen Feiern mochte, hatte so viele Vorschläge für diesen Anlass gemacht. Sein Favorit war dabei eine Luxus-Kreuzfahrt, aber auch die Idee einen Wasserturms in Holland (Vlissingen) zu mieten, in den wir die Familie (incl. Eltern und Geschwister) für ein Wochenende eingeladen hätten, war auf seinen Mist gewachsen. Auch die Möglichkeit einer großen Party im Saal unserer Schrebergartenanlage stand im Raum. Das wäre allerdings für ihn schon ein echtes Opfer gewesen.

Zum Glück hatte ich nicht den Mut irgendetwas fest zu machen, obwohl es sein Plan war, den Tag unbedingt noch zu erleben.
„Deinen Geburtstag muss ich noch schaffen, danach bin ich bereit zu Sterben“.

Spätestens jetzt versteht ihr sicher, warum das der schlimmste Tag für mich war. Dieses Ziel hat Klaus ja leider nicht mehr erreicht.
Das alles hat den Tag und die Planung natürlich noch einmal schwerer gemacht. Ihm war es so wichtig, dass ich diesen Tag feiere, er wollte so sehr etwas Besonderes für mich …
Zum Glück habe ich dann auch den Gedanken verworfen, die Party im Garten trotzdem und vor allem für ihn zu machen, denn das hätte ich wirklich nicht durchgestanden. Corona hätte mich eh zum Absagen gezwungen.

Meine Familie hat mich in den Wochen vorher oft liebevoll genervt, was ich denn nun machen wolle. Doch ich wusste es nicht. Oder vielleicht wusste ich es im Innern schon; ich wollte einfach keinen Geburtstag, hätte den Tag am liebsten komplett ausgeblendet, verpasst, verpennt.

Irgendwann konnte ich es dann sagen: „Nein, ich will gar keinen Geburtstag feiern, will den Tag nur überstehen“. Gerne hätte ich ihn in der Abtei St. Hildegard in Rüdesheim verbracht, wo ein mehrtägiges Trauerseminar geplant war. Doch dieses konnte coronabedingt nicht stattfinden.
So bin ich dann stattdessen ein paar Tage zu meinen Mädels gefahren. Ich hatte sie aber gebeten keinen Geburtstag mit mir zu feiern.

In Bonn habe ich mich dann in meinen Geburtstag rein und auch wieder raus geweint. Auch jetzt beim Erinnern kommen mir noch einmal die Tränen.

Der Tag an sich war trotz allem schön, von meiner Familie sehr liebevoll und umsichtig gestaltet. Herzlichen Dank nochmal dafür. ❤️

Weihnachten

Weihnachten war gefühlt für meine Familie schwieriger als für mich. Mein Mann fand Weihnachten oft anstrengend, besonders, wenn Heiligabend bei uns gefeiert wurde. So war ihm das jetzt erspart geblieben und das hat es – auch wenn das vielleicht komisch klingt – tatsächlich für mich etwas leichter gemacht.
Wir haben das Fest gemeinsam gut gemeistert. Hilfreich war hierbei sicher, dass auch der Schwiegervater meiner Tochter mit seiner Lebensgefährtin dabei war und so für ein wenig Normalität gesorgt hat.

So hatten wir einen schönen Heiligabend, der bewusst ein wenig anders gestaltet wurde als sonst.
Emotional wurde es dann später am Abend, als ich mit meiner Überraschung kam, als ich jedem meiner Mädels ein aus einem Kleidungsstück von Klaus selbstgemachtes Stofftier überreicht habe.

Silvester

Schwieriger war dann wieder Silvester, sowohl in der Planung als auch der Tag an sich. Im Jahr zu vor hatten wir über die Jahreswende eine Flusskreuzfahrt in die Schweiz machen wollen. Bis drei Wochen vorher standen wir erfolglos auf der Warteliste. Kurzfristig wurde eine Kabine auf einem anderen Schiff nach Holland frei. Das Beitragsbild stammt von dieser wirklich schönen Fahrt.

Mein Mann hat dann darauf gedrängt, dass wir die Schweizfahrt für das nächste Silvester buchen. Da ihm das soviel Hoffnung gab, wollte ich nicht nein sagen, obwohl ich nicht daran glauben konnte, dass er dazu noch in der Lage sein würde.

Er hat mir dann zwar so halb das Versprechen abgerungen, dass ich sie notfalls auch alleine machen würde, aber nein, das konnte ich nicht. Ja, da er das so gewollt hatte, habe ich es mir nicht leicht gemacht und wirklich mit mir gekämpft ob ich absage oder fahre. Doch in dieser Coronasituation war das nicht wirklich eine Option. Wahrscheinlich keine Ausflüge und Essen möglichst auf den Kabinen einnehmen. So habe ich die Reise, die später eh abgesagt wurde, storniert.

Mein Plan war dann Silvester alleine zu verbringen, mich zu verkriechen und vielleicht einfach ins neue Jahr hinein zu schlafen. Das fühlte sich für meine Tochter aber überhaupt nicht gut an und so haben wir dann auch Silvester zusammen verbracht, ganz viel gespielt und leckere Feuerzangenbowle getrunken.

Der Moment um Mitternacht war hart, aber sonst war es gut so.

Sein Geburtstag

Zehn Monate nach seinem Tod.
Hier war mir vor allem der Gedanke wichtig: „es ist sein Geburtstag“ statt „es wäre sein Geburtstag gewesen“.
Hier hat das Schicksal (oder wie ich ganz fest glaube, Klaus von oben) die Planung übernommen und ganz wunderbar gefügt. Inzwischen hatte ich meinen Umzug zurück in den Rhein-Sieg-Kreis geplant und einen Mietvertrag für den 1.5.2021 unterschrieben. Da die Wohnung im April leer stand, versprach mir der Vermieter, dass ich die Schlüssel schon fünf Tage vorher bekommen würde.
Zuhause fragte meine Tochter dann vorsichtig, ob mir bewusst sei, welcher Tag das wäre.
Nein, war es nicht. Es war der 26. April, der Geburtstag meines Mannes und das fühlte sich sooo gut an.

Es war dann auch wirklich gut, genau an dem Tag die Wohnung zu übernehmen und damit genau an dem Tag in ein neues Leben zu starten.

Der Jahrestag

Theorie und Praxis. Mir war bewusst, dieser Tag sollte geplant werden und auch meine Tochter hatte dieses Bedürfnis. Aber wir wussten irgendwie beide nicht wirklich wie. Bei mir war da einfach ganz viel Angst vor dem Tag. Aber aus der Erfahrung, dass die Zeit vorher schlimmer ist, als der Tag an sich, war da nicht ganz so viel Panik wie z.B. vor meinem Geburtstag.
Klar war nur, wir verbringen ihn alle Vier gemeinsam. Die Schwierigkeit lag auch darin, dass es ein Donnerstag war. Ein Tag mit Alltagspflichten, ein Schultag, ein Unitag, ein Tag voller Termine. Irgendwie hat das Leben uns die Planung abgenommen, wir haben das Zeitfenster zwischen all unseren Verpflichtungen genutzt.

Wichtig war mir, zum Zeitpunkt des Todes am Mausoleum bei Klaus zu sein und das haben wir auch geschafft. Ein schwerer Moment für uns alle, aber das durfte er ja auch sein.

Danach gab es „Klaus Essen“ und dazu gehörten in Bonn zuletzt immer Pommes, für Klein-Stephanie ein Mama-ist-nicht-da-Essen. Es gab geteilte Erlebnisse und unser Spiel „Dalmuti“ und das war passend. Am späten Nachmittag hat meine Tochter mich heim gefahren und meine Familie musste in den Alltag zurück: Vorlesung halten, Koreanischkurs, Geigenunterricht.

Mein Abend war dann sicher sehr ungewöhnlich für so einen Tag, aber es war so absolut gut und genau richtig. Vor allem viel besser, als wenn ich ihn alleine Zuhause verbracht hätte.

Mein Wunsch war es schon immer, in einem Chor mitzusingen und durch einen Zeitungsaufruf bin ich auf einen Gospelchor ganz in meiner Nähe aufmerksam geworden. Just für diesen Abend war ich nun zu einer ersten Schnupper-Probe eingeladen und ich hatte nach kurzem Zögern auch wirklich zugesagt.
Zunächst fand ich die Idee makaber, doch dann fand ich es passend, weil die größte Sorge meines Mannes war, dass ich mich nach seinem Tod verkriechen würde. So hat er sicher von oben gelächelt und sich gefreut, dass ich genau an diesem Tag einem Chor beigetreten bin – obwohl er es überhaupt nicht mochte, wenn ich in seiner Gegenwart gesungen habe ;-).

Tatsächlich hatte ich Spass und das ohne schlechtes Gewissen, denn ja, das ist auch oder gerade an solchen Tagen erlaubt.

Für mich fühlte sich der Tag so genau richtig an und er war gut genau so wie er war. Eine Achterbahnfahrt der Gefühle mit Lachen und Weinen, mit Rückblick und Blick nach Vorne, mit Trauer und Hoffnung.

Ausblick

Mir ist bewusst, dass alle noch kommenden besonderen Tage nun anders sein werden, anders, als zu Zeiten, als wir sie gemeinsam verbracht haben. Doch immer wird Klaus auch weiterhin irgendwie dabei sein.