Als Matthias Zimmermann mir im FakriroTalk von seinem Buch „Kryonium“ erzählte, wurde ich neugierig und habe es direkt beim Verlag als Rezensionsexemplar angefragt. Leider dauerte es ein wenig, bis ich es gelesen habe, aber nach den ersten Kapiteln – das Buch hat 60 – kam ich schnell an den Punkt, dass ich nicht mehr aufhören konnte.
Fluchtgedanken
Viele unserer Handlungen sind motivierte davon, dass wir vor etwas fliehen, vor und selbst, unangenehmen Erfahrungen, Situationen, Gedanken. Schwierig wird es, wenn diese Flucht zum Lebensinhalt wird und wir nicht mehr erkennen, warum wir tun, was wir tun.
Es war der heimliche Gedanke an eine Flucht, über den ich immerwährend nachdachte; die Flucht von dem mir unbekannten Ort.
Kryonium, Matthias A.K. Zimmermann, Seite 9, der erste Satz
Immersion
Das Verschmelzen von Virtualität und Realität. Wenn Kinobesucher sich vor der Leinwand ducken, weil etwas auf sie zukommt, was sie real nie berühren könnte. Unser Gehirn lässt sich auf die Darstellung ein und vereint die Welten miteinander. Nach guten Büchern, Filmen oder Spielen müssen wir manchmal erst wieder in der Realität ankommen. Ich nenne es Lesejetlag.
Wenn ich lange ein Computerspiel gespielt habe, muss ich mich strecken, die Augen reiben und schüttele die Welt manchmal auch körperlich ab. VR-Techniken erleichtern Immersion und in der Entwicklung steht uns noch einiges bevor, da bin ich sicher. Mein erstes VR-Erlebnis war beeindruckend.
Schneekugeln
Von außen können wir die Welt in einer Schneekugel betrachten, eine verzerrte Welt. Matthias Zimmermann zieht uns in seine Schneekugel hinein, lässt uns die Geschichte nicht von außen betrachten …
Kryonium ist eine vielschichtige Geschichte, eine, die mehrere Ebenen der Realität anbietet:
Die Figur befindet sich zu Beginn in einer Märchenwelt, in einem Schloss. Dort soll die Dunkelheit mit Licht bekämpft werden und sie hat dabei eine wichtige, aber nicht besonders spannende Aufgabe. Die Geschichte wird aus der Ich- Perspektive erzählt, die Figur hat weder Namen noch Geschlecht. Und dieses Detail gefällt mir richtig gut!
Im zweiten Teil verschiebt sich die Realität, wie auch erneut im dritten. Ich will euch nicht zu viel verraten, denn das nähme Spannung und Lesefreude. Es wird auf jeden Fall psychologisch, als auch technisch, zwei Bereiche, die mich begeistern. Die 1en und 0en auf dem Cover haben eine tiefe Bedeutung, wie auch die Schneekugel.
Es gibt so viel, was ich gerne sagen würde, aber es würde zu viel verraten, also quäle ich mich für euch und schweige.
Komplexität
Acht Jahre hat Matthias Zimmermann an dem Roman geschrieben, wie er im FakriroTalk erzählt und das zeigt sich in der Vielschichtigkeit, dem verwobenen Netz der Ereignisse, den Details die manchmal irritieren und dann auf einmal Sinn ergeben. So war ich von einer Sache irritiert, teilte sie auf Twitter und am nächsten Tag kam ich an die Stelle, als es thematisiert wurde und alle Sinn ergab.
Philosphie, Märchen, Zahlen, Physik und Informatik, so viel steckt in diesem Buch. Auch Psychologie und einmal musste ich kurz schwer durchatmen, denn dieses Bild der multiplen Persönlichkeit ist ein literarisches Phänomen …
Was mich wirklich begeistert, sind die vielen kleinen Elemente, aus Märchen, Numerologie und der Philosophie, die zu etwas völlig neuem zusammen gesetzt wurden. Ein Buch wie ein Kunstwerk, ein Buch in dem mir sogar Beschreibungen Spaß machen. Die Beschreibungen sind so phantasievoll und zugleich anschaulich, stehen dabei aber nicht isoliert, sondern sind Teil der Handlung. Alles ist so wunderbar miteinander verflochten.
Lesespaß
Das Gefühl etwas völlig neues zu erleben, was es zu einem spannenden Leseerlebnis machte, auch wenn ich trotzdem ein paar Ahnungen hatte und mich dann freuen konnte, als sie bestätigt wurden. Diesen Effekt hatte ich länger nicht mehr, weil den Ahnungen die Offensichtlichkeit beiwohnte, die mir diese Freude nahm.
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Das Buch wurde mir vom Verlag zur Verfügung gestellt.
Kryonium, Die Experimente der Erinnerung
Matthias A.K. Zimmermann
Kulturverlag Kadmos, 2019
ISBN: 978-3-86599-444-8