Wenn du immer nur für Besuch aufräumst, dreh es doch einfach um und räum mal für dich selbst auf.
So lautete verdichtet der Rat einer Aufräumexpertin auf LinkedIn. Dieser Post ärgerte mich und kam mir in den letzten Tagen immer mal wieder in meinen Gedanken, bis mir eben beim Tee kochen die Erkenntnis kam, warum es mich so geärgert hat.
Perspektive wechseln ist gut!
Selbst arbeite ich ebenfalls mit Techniken, die Perspektive auf ein Problem zu verändern. Daher geriet ich in einen inneren Konflikt mit mir, darüber, dass mich der Post so sehr ärgerte. Gedanklich ging ich sogar so weit, ihr vorzuwerfen: Du nennst dich Coach und hast gar keine Ahnung!
Als wenn das so einfach wäre! Hier war ich schon nahe dran am Kernproblem, meines Ärgers. Gedanklich blieb ich aber bei ihr, dem Coach, der vermeintlichen Expertin fürs Aufräumen. Ihr macht es wahrscheinlich sogar Spaß und sie fühlt sich nur in einem aufgeräumten Zuhause wohl.
Ob sie Verständnis dafür hat, dass es für andere anstrengend ist, sich an Ordnung zu halten, mit dem aufräumen zu beginnen? Strukturen schaffen und einhalten. Es gehört so viel dazu und das ist doch ihr Job, den Klient*innen dabei zu helfen. Da war nur ein Posting, kein ganzes Caoching, aber ich steigerte mich da emotional rein.
Mir gelang dann doch noch ein Wechsel, weg von dem Aufräumcoach hin zu mir. Allerdings widmete ich mich nicht dem Thema Aufräumen, sondern dem Posten von Ratschlägen. Ich fragte mich, wie meine Posts aufgefasst werden könnten. Breche ich Themen ebenfalls so weit runter, dass sie als dumme Tipps wirken, ohne die Komplexität des Themans zu erfassen?
Einen Rat gebe ich nur selten und ungern, von mir gibt es lieber Fragen oder persönliche Geschichten wie diese hier, die dich anregen könnten, dir deine eigenen Gedanken zu machen und vor allem deine eigene Scshlussfolgerung zu ziehen. Du musst selbst entscheiden, welchen Weg du gehst.
Und doch ließ mich das Thema noch immer nicht los.
Es ist nicht so einfach!
Vorhin beim Tee kochen, kam mir der Gedanke, warum ich so lange gebraucht habe, um in die Küche zu gehen und das Teewasser aufzusetzen.
Antwort: Ich koche ihn nur für mich.
Es war niemand da, der auch eine Tasse Tee wollte. Dann wäre ich wahrscheinlich sofort aufgestanden und hätte Tee gekocht.
Etwas nur für mich selbst zu tun, fällt mir noch immer schwer.
Ein Umdenken findet bereits statt, aber festgefahrene Verhaltensmuster brauchen Zeit.
Und plötzlich war mir klar, warum das Posting mich so sehr geärgert hat. Etwas für mich selbst zu tun, ist nichts, was mir leicht fällt. Das hätte das Kernproblem keineswegs gelöst. Etwas für andere tun ist viel einfacher für mich.
Der Grundgedanke ist schön, mach es nicht für andere, sondern für dich selbst.
Mit dem Thema bin ich nicht alleine, das weiß ich. Wer damit kein Thema hat, etwas einfach nur für sich zu tun, kann den Rat sicher annehmen. Räum doch einfach für dich auf. Allerdings frage ich mich, ob diese Menschen das nicht bereits tun. Möglicherweise gibt es aber auch eine Schnittemenge von Menschen, denen Aufräumen schwer fällt, ohne, dass es ihnen schwer fällt, etwas für sich selbst zu tun. Für diese Menschen war der Post, nicht für mich.
Einfach weiter scrollen, wenn etwas nicht für dich passt.
Das habe ich nicht getan und das war auch gut so. Denn indirekt hatte der Post eine Botschaft für mich, eine die möglicherweise nicht beabsichtigt war.
Du darfst Dinge auch einfach für dich tun!
Und an dem Thema darf ich weiter arbeiten, in kleinen Schritten, in meinem Tempo.
Ich bin auf einem guten Weg! Diesen Satz sage ich gerne meinen Klient*innen in der Beratung und heute auch mal mir selbst, einfach nur für mich.
Und jetzt trinke ich meinen Tee, der ist nämlich fertig und abgekühlt.
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