Lärm und Licht – alles Zahlen

Eine ungewöhnliche Geburtstagsnacht

(c) Stephanie Katharina Braun für Alyschah

Paul soll schlafen.

Aber wie soll er das?

Der Mond scheint hell in sein Zimmer und es ist viel zu laut.

Er hört die Eltern fernsehen. Seine Schwester telefoniert mal wieder endlos mit ihrer Freundin.

Warum soll er schlafen, wenn die anderen noch wach sind?

Draußen fahren Autos vorbei. Paul schließt die Augen und zählt:

1 kommt von links, 2 wieder von links und 3 von rechts.

4, 5, ein LKW, 6, 7, der Bus, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15.

„Niemals“, schreit seine Schwester im Nebenzimmer.

16, 17, 18.

Lachen aus dem Wohnzimmer, der Vater.

19, 20, 21, 22, 23, 24, die Straßenreinigung.

25, 26, 27, 28, 29.

Die Mutter niest.

30, 31, 32, 33, 34.

Paul blinzelt, da leuchtet etwas.

35, 36.

Es sind keine Scheinwerfer vorbeifahrender Autos, die ins Fenster leuchten. Damit kennt Paul sich doch aus. Es muss etwas anderes sein.

37, 38, 39, 40.

Paul steht auf. Das muss er sich genauer ansehen.

Er schiebt die Vorhänge beiseite. Schnell schließt er die Augen. Es blendet.

„Komm“, sagt eine freundliche Stimme.

Erneut öffnet Paul die Augen, gewöhnt sich an das seltsame Licht. Es sieht aus, als würde ein kleines leuchtendes Männlein auf dem Fensterbrett sitzen.

Paul öffnet das Fenster. Das leuchtende Wesen springt vom Fensterbrett und ist verschwunden. Der Junge wundert sich, beugt sich aus dem Fenster und wundert sich noch mehr.

Ein leuchtender Komet schwebt unterhalb seines Zimmerfensters.

„Steig auf.“

Es ist dieselbe freundliche Stimme.

„Bist du ein sprechender Komet?“, flüstert Paul noch immer verwundert.

„Das bin ich. Komm mit, ich möchte dir etwas zeigen.“ Paul kann keinen Mund entdecken. Noch immer leuchtet der Komet sehr hell. Unten auf der Straße gehen Leute vorbei, aber keiner bleibt stehen, niemand schaut zu ihnen hoch.

„Wie kann ich mitkommen, ich kann doch nicht aus dem Fenster klettern.“

„Steig auf meinen Rücken.“ Auffordernd wippt der kleine Komet mit seinem Schweif.

Ohne weiter nachzudenken, sitzt Paul schon auf dem Fensterbrett. Der kleine Komet schwebt näher heran und kaum sitzt der Junge auf seinem Rücken, geht die Reise auch schon los.

Sie fliegen höher und höher.

Sein Haus wird immer kleiner, die Straße ist kaum noch zu erkennen.

Das Licht des kleinen Kometen blendet nicht mehr. Die Stadt unten leuchtet unglaublich hell. Es sind noch viele Autos unterwegs. Aus den Fenstern strahlt Licht. Es ist auch immer noch laut.

Je weiter sie sich von der Stadt entfernen, desto ruhiger wird es.

Der sprechende Komet ist ganz still, sagt kein Wort. Auch Paul schweigt und beobachtet.

Bald erkennt er nur noch Lichtpunkte. Ein Flugzeug fliegt an ihnen vorbei.

Es geht noch höher.

Zwischen den Lichtpunkten gibt es auch dunkle Flecken. Dort ist es bestimmt schön ruhig, denkt Paul.

Es geht noch höher.

„Wo bringst du mich hin?“

Der kleine Komet gibt keine Antwort, aber in diesem Moment ist Paul sich sicher, dass sie die Erde verlassen haben.

Kurz darauf nähern sie sich einem felsigen Untergrund.

Der kleine Komet hält an und Paul rutscht von ihm runter.

Der Boden fühlt sich seltsam an. Vielleicht hätte er Schuhe anziehen sollen.

Erst jetzt wird ihm bewusst, dass er im Schlafanzug unterwegs ist.

Paul fühlt sich seltsam leicht. Testweise hüpft er leicht in die Luft. Ganz langsam landet er wieder auf dem felsigen Boden.

Er schaut sich um, nichts als Felsen um ihn herum.

Dann blickt er zum Himmel. Es ist eine sternenklare Nacht.

Doch was ist das? Ein blauer Mond am Himmel, blau und voller Lichtpunkte.

Paul beginnt zu begreifen und hüpft dabei noch einmal.

Das blaue dort draußen ist die Erde und er selbst steht auf dem Mond.

Unendlich weit weg leuchtet sein Heimatplanet.

Ein Planet voller Menschen. Laute Menschen, die die Erde zum Leuchten bringen.

Ich bin nur einer von ihnen, denkt Paul. Ich stehe hier auf dem Mond und ein Komet leuchtet für mich.

Lange steht er einfach da und betrachtet die Erde.

Da sind verschiedene Lichtflecken, dazwischen Dunkelheit.

Das sind die Städte, denkt sich Paul und beginnt sie zu zählen:

1,2,3 …

79, 80, 81.
Der kleine Komet stupst ihn an.

„Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!“

„Dankeschön“, murmelt Paul. Es muss Mitternacht sein.

Gilt hier auf dem Mond überhaupt dieselbe Zeit?

Paul gähnt.

Der kleine Komet stupst ihn sanft an.

Es ist schön, dass er nicht so viel redet. Die Kinder in der Schule reden ständig, selbst im Unterricht sind sie kaum still.

Paul klettert wieder auf den Rücken des Kometen.

Sie fliegen los. Paul sieht die Lichter immer näher kommen. Er döst ein.

Plötzlich sieht er, dass sie sich seinem Haus nähern. Sie fliegen am Schlafzimmer der Eltern vorbei. Das Fenster steht offen, es ist eine warme Nacht. Die Eltern schlafen, alles ist ruhig.

Alles ist so schön vertraut.

Schon halb schlafend klettert Paul durch das Fenster. Er macht sich nicht mehr die Mühe das Fenster und die Vorhänge zu schließen. Kaum hat er sein Bett erreicht, ist er auch schon eingeschlafen.

Draußen vor dem Fenster leuchtet der kleine Komet.

„Gute Nacht mein Freund, hab einen schönen Geburtstag!“