
Nachdem ich für den ersten Band der Sammelbox fast vier Jahre gebraucht habe, las ich den zweiten Teil der Erzählungen, die eigentlich mehr Seiten haben, in ungefähr einem Jahr. Der dritte Band enthält vier Romane und ich habe gerade viel Freude daran, Sherlock zu lesen. Was glaubt ihr, schaffe ich den Band auch noch bis zur Mainacht?
Stilistisch unterscheidet sich dieser Band vom ersten. Irritierend ist, dass in diesem Holmes und Watson sich siezten, während sie sich im ersten Duzen. Als gute Freunde wäre ich ja für das Du, der Zeit angemessen, wäre wahrscheinlich das Sie. Im Englischen gibt es eben nur eine Form.
Dafür gibt es einige schöne Formulierungen, wie beispielsweise die Folgende aus „Die Gestohlenen Unterseebootszeichnungen“ über Mycroft Holmes, dessen üblicher Weg lediglich seine Wohnung, den Diogenes Club und Whitehall einbezieht. Bisher war er erst einmal bei seinem Bruder zu Besuch gewesen und nun kündet er sich an. Sherlock kommentiert diesen Besuch folgendermaßen:
Aber das Mycroft auf solch erratische Weise ausbrechen kann! Ein Planet könnte ebenso gut seine Bahn verlassen.
Sherlock Holmes, Die Erzählungen II, Arthur Conan Doyle, Seite 432
Dickes Lob
An Sherlock Holmes Geschichten schätze ich, wie er die Kriminalfälle ohne technische Hilfsmittel meist allein mit dem Verstand, nach genauer Beobachtung und logischem Schlussfolgern löst. Er stellt Hypothesen auf und überprüft diese, streng wissenschaftlich. Spannung entsteht dadurch, dass wir beim Lesen zahlreiche Details, aber noch nicht seine Hypothese erfahren.
Allerdings neigt Sherlock Holmes manchmal zu etwas krassen Maßnahmen, um sein Denkvermögen zu steigern. Die folgende Erklärung gibt er Watson, der ihn auffordert etwas zu essen.
Weil sich durch Fasten die Sinne verfeinern. Also wahrhaftig, mein lieber Watson, Sie als Arzt müssen doch zugeben, dass das, was der Verdauungsapparat durch Blutzufuhr gewinnt, dem entspricht, was dem Gehirn dabei verloren geht. Ich bin ein Gehirn, Watson. Der Rest von mir ist bloß ein Anhängsel! Daher gilt meine Rücksicht nur dem Gehirn.
Sherlock Holmes, Die Erzählungen II, Arthur Conan Doyle, Seite 572
Nicht zum Nachahmen empfohlen. Mit dem Verdauungsapparat hat er ja nicht ganz unrecht. Während des Verdauungsprozesses, ist unser Gehirn nicht gerade zur Höchstleistung bereit, dennoch brauchen wir Nährstoffe für unser Gehirn, dementsprechend ist Nahrungsaufnahme fürs Denken unerlässlich.
Scharfe Kritik
So sehr ich die Sherlock Holmes Geschichten auch liebe, stolpere ich immer wieder über die Worte, die Arthur Conan Doyle über Frauen zu sagen hat, für wie einfältig er sie hält. Ich weiß, es die damalige Zeit. Noch schlimmer ist es mit der Darstellung von PoC wie beispielsweise in der Geschichte „Wisteria Lodge“ in der der Koch als Wilder bezeichnet und ihm gruselige Voodoo-Rituale angedichtet werden. Solche Darstellung tragen leider dazu bei beängstigende Bilder über fremd erscheinende Menschen aufrechtzuerhalten und zu verbreiten.
Zitat Seite 572 „ich bin ein Gehirn ..
Storytelling
Zwei der letzten Geschichten in diesem Band wird aus Sherlocks Perspektive erzählt. In der Einleitung berichtet er, wie oft er mit Watson diskutiert habe, dass die Darstellung allein an den Fakten orientiert sein dürfe. Selbst die Feder in der Hand, gibt er zu, das Geschriebene müsse sich auch interessant für die Leserschaft darstellen.
Die Geschichte zeigt schön, welche Rolle Watson spielt. Er ist die Verbindung zwischen Sherlock und uns. der Geschichtenerzähler, derjenige, der die Spannung aufbaut und die passenden Fragen stellt.
Sherlock Holmes, Sämtliche Werke in 3 Bänden
Arthur Conan Doyle
Anaconda Verlag
ISBN: 978-3730601556
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