
Dann habe nun auch ich die Hälfte der Challenge erreicht, nach über 4 Jahren … Für die andere Hälfte bleibt mir bis zur Mainacht 2021.
Candide oder der Optimismus
Was für ein schöner Titel. Ich freute mich auf ein positives kleines Büchlein, dachte, ich könnte es mal eben lesen. Aber nein, es war ganz furchtbar. 30 kurze Kapitel hat das Buch auf 159 Seiten und ich schaffte maximal zwei am Stück.
Der Anfang mutet etwas biblisch an, es ist Candides Verbannung aus dem Paradis, dem Schloss seines Onkels. Was hat er getan? Welche Frucht begehrt? Kunigunde.
Es beginnt eine abenteuerliche Reise durch Europa und nach Übersee, getrieben von äußeren Faktoren und der inneren Sehnsucht nach der wunderschönen Kunigunde.
Warum schlimm zu lesen?
Entgegen dem Titel, der Optimismus in sich trägt, läuft in der Geschichte so ziemlich alles schlecht für Candide, aber auch die anderen Figuren. Wir befinden uns zu Voltaires Zeiten, im 18. Jahrhundert, der Zeit der Aufklärung. Ja, es waren andere Zeiten, aber ist es deswegen leichter zu lesen, wenn Vergewaltigung von Frauen als normal angesehen wird? Ich könnte mir vorstellen, dass die Darstellung von Voltaire für die damalige Zeit krass war. Das er es überhaupt thematisiert hat und vielleicht sogar damit darauf hinwies, dass diese vermeintliche Normalität nicht in Ordnung ist. Er legt den Frauen die Worte in den Mund, sie hätten Glück gehabt und der Weg einer Frau scheint zwangsläufig in einer Form von Prostitution zu enden. Selbstbestimmung scheint unmöglich.
Es gelten nicht nur sexuelle Übergriffe gegen Frauen als normal, auch hübsche Jungs werden beispielsweise von der Kirche gerne gesehen. So wurde Kunigundes Bruder halbtot gefunden und gepflegt. Er schilder sich selbst als hübschen Bengel, der jeden Tag hübscher wurde.
Kein Wunder also, dass der ehrwürdige Pater Croust, der Prior des Hauses, in heftigster Zuneigung zu mir entbrannte. Er steckte mich ins Novizengewand.
Candide, Volitaire, Seite 65
Zwischenfazit
Candide ist ein furchtbarer Mensch. Nach gut der Hälfte der Geschichte bin ich mir sicher, dass ich ihm ein tragisches Ende wünsche.
Voltaire ein Philosoph
Es ist nicht einfach ein gesellschaftskritischer Roman, denn die zynische Kritik bezieht sich nicht auf eine Gesellschaft. Candide bereist verschiedene Länder Europas, sowie Südamerika. Er kommt mit Menschen verschiedener Gruppierungen zusammen und letztendlich zeigt sich: Die Menschheit ist schlecht und Geld reagiert die Welt.
Bei Candide läuft so einiges schief, so ziemlich alles, was schief laufen kann und doch geht es irgendwie immer weiter, er kommt auch mit Mord davon …
An seiner Seite hat er immer wieder unterschiedliche Wegbegleiter, die unterschiedliche Auffassungen vertreten. So erfahren wir verschiedene Perspektiven aus Voltaires Zeitalter, dem 18. Jahrhundert, welches er stark als Philosoph der Aufklärung geprägt hat. Es sind auch viele Kleriker darunter.
Ein früher Wegbegleiter, Pangloss, vertrat den Gedanken des Optimismus.
Als ihn Cacambo später fragt, was Optimismus sei, antwortet Candide:
das ist die Sucht, alles gut zu finden, wenn es einem schlecht geht.
Candide, Voltaire, Seite 90
Dann trifft Candide auf einen Gelehrten, der die Ansicht, die Welt sei aufs beste „physisch und moralisch eingerichtet, ganz und gar nicht teilt. Es laufe alles schief:
Keiner hierzulande weiß seine Aufgabe in der Gesellschaft; keiner weiß, wie er seinen Rang, seinem Stand gerechnet wird; keiner weiß, was er tut, und keiner, was er tun soll.
Candide, Voltaire, Seite 111
Und zunehmend häufiger stellen die Figuren sich die Frage: ‚Was ist das schlimmste Schicksal?, ‚ oder ‚Ist doch alles wunderbar?‘
Vielleicht sollten wir ab und an hinterfragen nach was wir streben und ob es wirklich das ist,was wir uns sehnlichst wünschen.
Wenn Lucifer aus der Serie fragen würde: „Was wünschst du dir wirklich?“, weißt du, was deine Antwort wäre?
Fazit
So furchtbar ich die Lektüre der ersten Hälfte fand, um so klarer wurde mir in der zweiten, um was es hier möglicherweise geht. Ich wünschte ich könnte Candide noch besser in den historischen Kontext einordnen, so geht es mir bei nahezu allen Klassikern. Ich weiß schlicht zu wenig …
Es ist ein wertvolles Buch, vielleicht nicht nur für die damalige Zeit. Wenn auch heute schwer lesbar, insbesondere auch in den Begrifflichkeiten und Verhaltensweisen gegenüber PoC oder Juden.
Das Ende hat mir gut gefallen, es passte zu der Geschichte und hat dem Buch eine klare Aussage gegeben.
Aber wir müssen unseren Garten bestellen.
Candide, Voltaire, Seite 159, letzter Satz
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Candide oder der Optimismus
Voltaire
Marix Verlag, 2012
ISBN: 3865392695