Wir sagen es oft: Lebe dein Leben! Doch tun wir das auch?
Wolf Küper musste darauf von seiner Tochter hingewiesen werden und er hat auf sie gehört. Er hat inne gehalten in seinem Leben und sich Zeit genommen für seine Familie, viel Zeit. „Eine Million Minuten“ Zeit für die schönen Dinge im Leben hat sich Nina von ihrem Papa gewünscht und auch bekommen.
Nach zwei Jahren intensiver Familienzeit auf Reisen hat er ein Buch über die Zeit veröffentlicht. Am 13. April habe ich seine Lesung in Bonn besucht. Von meinen Eindrücken möchte ich euch berichten.

Das Team: Die Vertreterinnen der Initiative Torus, Lebenshilfe Bonn und von Bonn Lighthouse zusammen mit Wolf Küper
Rahmen der Lesung
Es handelte sich um eine Benefizlesung. Wolf Küper hat kein Honorar erhalten, auch die Location Fabrik 45 wurde kostenfrei zur Verfügung gestellt. Die Fabrik 45 befindet sich unterhalb der Viktoriabrücke, Ecke Heerstraße. Es ist eine interessante Location, die für verschiedene künstlerische Veranstaltungen und Workshops genutzt wird.
Statt eines festen Eintrittsgeldes wurden nach der Veranstaltung auf freiwilliger Basis Spenden gesammelt. Jeder gibt frei, was es ihm wert ist und was er geben kann. Die Erlöse gingen an die drei veranstaltenden Vereine: Initiative Torus, Bonn Lighthouse und Lebenshilfe Bonn. Sie leisten alle wichtige Arbeit, schaut euch die Verlinkungen einfach mal an und macht euch ein Bild.
Ich bin auf jeden Fall begeistert davon, dass sie sich nicht als Konkurrenz sehen, sondern zusammen so eine tolle Veranstaltung organisiert haben.
Wolf Küper
Vom Tropenforscher zum UN-Gutachter zum Papa. Seine Arbeit ließ ihm wenig Zeit zu leben.
Das gute in seinem Leben fing mit Nina an. Nina ist behindert zur Welt gekommen. Ärzte haben gar keine Fragen mehr beantwortet, ob sie wohl laufen können würde oder sprechen.
Er ist ausgestiegen aus diesem Leben. 90 Tage nach der Entscheidung auf Reisen zu gehen, war die vierköpfige Familie unterwegs. Nina war damals sechs Jahre alt Mr. Simon ein halbes Jahr. Auch nach dieser Reise sind sie noch viel unterwegs und leben ihr Leben.
Nina ist inzwischen 11. Sie war eine strenge Lektorin.

Wolf Küper
Die Lesung
Prolog
Wir machen einen psychologischen Standardtest, beginnt Wolf Küper seine Lesung.
Was ist nass und fällt vom Himmel?
Wir sagen Regen. Wird es einen signifikanten Lerneffekt nach der Lesung geben? Er hatte angekündigt, dies abschließend abzutesten. Doch er ist Autor und kein Psychologe, somit entfiel der Posttest.
Die Geschichte beginnt mit Dr. Dr. F., einem Psychologen. Der Diagnostiker setzt Intelligenz- und Verhaltenstests ein, die er teilweise selbst mit entwickelt hat.
und wenn sich jemand seine Laune wohl aussuchen darf, dann ein Psychologe.
Nina sitzt bei besagtem Fachkollegen und wird getestet. Eine von Ninas Eigenschaften ist, alles schön langsam zu machen. #KeineHastig ist ihr Schlagwort. Entsprechend lässt sie sich viel Zeit, die gestellten Fragen zu beantworten. Eine davon ist eben die nach dem vermeintlichen Regen. Ninas Antwort ist jedoch eine völlig andere.
Ein Hund
Der Papa lacht, kriegt dafür einen genervten Blick von Dr. Dr. F.. Der Papa ist Experte im ernsthaft gucken, niemals besser gelaunt sein als der Kunde. Folglich hat er sich schnell wieder im Griff. Dr. Dr. F gibt Nina erneut eine Chance.
Sie bleibt beim Hund, erklärt er sei zottelig und schwarz, man müsse da vorher mehrere Teppiche drunter legen oder ein Bällebad. Dann kann der Hund vom Himmel fallen, und man kann mit ihm spielen. Eventuell vorher trocken föhnen, denn nasser Hund stinkt ja.
Nina hat es Spaß gemacht, sich lustige Geschichten auszudenken, Herr F. sei nett gewesen. Der Vater war versucht etwas „erwachsenes“ zu seiner Tochter zu sagen.
Ich wünsche mir irgendwann eine so außergewöhnliche Testung wie die mit Nina @wolfkueper #Psychologie aber bitte keine Auswertung per Post
— Stephanie Braun (@StephKatBr) 13. April 2017
Der Auslösemoment
Gute Väter lesen mehr als eine Geschichte, erklärt Nina ihm abends vor dem Einschlafen. Dann folgt der berühmte Wunsch:
Ach Papa, ich wünschte wir hätten eine Million Minuten nur für die ganzen schönen Sachen, weißt du?
Wolf Küper kam ins Überlegen und rechnen.
Es folgte ein Riss durch ein To-Do-Listen-Leben. Ein Leben voller Listen, die sich bereits wieder füllten, während sie abgearbeitet wurden.
Auf den blöden Listen stehen die wichtigen Dinge nicht drauf, schimpft Wolf Küper.
Warum eigentlich nicht? Auf meinen schon. Da steht z.B. Lesezeit oder Familienzeit mit drauf, eben alles was mir wichtig ist. Neben kleinen oder großen lästigen oder auch schönen Aufgaben des Alltags sollte auch immer Zeit für das „Leben“ bleiben, was auch immer das für dich bedeutet.
Prolog Ende
Australien – Abkürzung ins irgendwann
Fliegende Fische, Flughörnchen und anderes fliegendes Getier begegnen Nina auf der Reise. Wie soll es da keine fliegenden nassen Hunde geben?
Nina ist Profi darin unerwartet große Fragen zu stellen. Nina und Papa scheinen ein gutes philosophisches Team zu sein.
Papa was willst du werden, wenn du groß bist?
Papa beginnt zu grübeln, über seine Träume, sein Leben. Solche Momente erlebt er immer wieder auf seiner Reise.
Ein Satz , der vielen vertraut sein dürfte lautet: „Man muss auch realistisch sein“. Wolf Küper setzt ihn gleich mit „voll auf das irgendwann setzen“. Das Irgendwann ist ein komplizierter Tag, der von komplexen Variablen abhängt.
Wenn man also ganz realistisch wartet, kann es bis zum richtigen Tag viele Leben dauern. Nach der Wahrscheinlichkeitsberechnung von Wolf Küper 3330 Leben.
Schweigen im Raum, diese Aussage wollte er wirken lassen. Denn genau das ist ihm wichtig, als Botschaft an uns.
Festivals
Wolf kommt aus einer Musikerfamilie. Festivals waren verpönt für ihn, seine Frau war schon oft auf welchen gewesen und hat ihm in Australien ein Hippie Festival geschenkt.
Dort begegnen sie Moses aka Rocky im weißen Gewand mit langem Rauschebart. Nina ist begeistert und bewundert sein Kleid. Moses dagegen hat eher Augen für Mama Vera.
Freie Liebe war ein Steckenpferd von Karl Marx laut seinem Kumpel Rocky. Männer haben Frauen in der Ehe zu lange als ihren Besitz behandelt, Rocky ist für Freiheit, vor allem für die Befreiung der Körper von Klamotten.
Sprung ins letzte Kapitel – Flugmodus
Mit dem dinosauriergroßen Wohnmobil „Eddie“ durch Neuseeland. Der Pass war gesperrt, Wolf Küper wollte drehen. Das Feld war ein schneegefüllter Graben. Dieser Moment, nachdem er das Wohnmobil in einer Schneewehe festgesetzt hatte, war wieder ein sehr philosophischer für Nina und ihren Papa.
Auf der südlichsten Insel von Neuseeland befindet sich die Familie am Antipol zur Heimat Deutschland. Egal in welche Richtung man sich wenden würde, man nähert sich wieder der Heimat.
Es ist ein besonderer Ort, ein verschneiter Ort. Eine besondere Stille.
Was ist eigentlich Zuhause?
Zuhause = Eddie?
Ist Zuhause ein Ort oder ein Gefühl?
Ist Zuhause das, was selbstverständlich ist?
Das Selbstverständliche löst sich nach zwei Jahren auf.
Der Lärm des Selbstverständlichen, der Sound des Alltags. Das Metronom des Alltags ist auf der langen Reise unhörbar geworden für Familie Küper.
Schnee und Dunkelheit löschen die Spuren der Menschen, bringen etwas wieder in Ordnung.
Mitten in der Stille erlebt Nina einen Moment von Zuhause: Papa ist da, Nina ist da, Mama und Mr Simon sind auch da.
Jetzt ist es so richtig schön Zuhause.
Fragen an Wolf Küper
Abschließend hatten wir Gelegenheit dem Autor Fragen zu stellen. Eine Frage beschäftigte mich bereits im Vorfeld. Nach dem Gehörten an diesem Abend war auch eines ganz klar, eine Rückkehr in den Alltag vor der Reise kann nicht möglich gewesen sein.
Wie war es für euch nach Hause zurück zu kehren? Nach Hause, nach Deutschland?
Heimkehren nach Bonn war für die Kinder eine weitere Station. Sie wunderten sich darüber, dass es ein ungewöhnlich längerer Zeitraum war. Vera hat sich als rheinische Frohnatur wieder sehr wohl gefühlt. Es gab viele Familientreffen.
Wolf fiel es schwerer. Sie reisen weiter.
Eine weitere Frage, die sicher vielen in den Sinn kommt, wenn man diese Geschichte hört wurde ebenfalls gestellt:
Wie haben Sie die Reise finanziert?
Wolf Küper gab eine zweiteilige Antwort:
Es kann sich sicher nicht jeder leisten.
Die Familie hat einen Konsumkredit in Höhe von 25T € aufgenommen, im Wert eines Neuwagens. Ein Neuwagenkredit ist normal, ein Kredit um seine Träume zu verwirklichen nicht.
Abschließendes Zitat
Wolltest du schon immer mal was machen, dann los.
Fazit
Wolf Küper hat etwas gewagt, von dem viele träumen. Eine Weltreise wäre nicht mein Traum.
Sein Buch regt zum nachdenken an über das eigene Leben, über eigene Wünsche und Ziele im Leben. Aber es ist nicht Wolf Küper, der uns zum nachdenken anregt, es ist seine Tochter Nina. Wir können viel von dem jungen Mädchen lernen. Ebenso können wir von unseren eigenen Kindern lernen.
Die Welt ein wenig mehr mit Kinderaugen zu sehen, ist eines meiner liebsten Lebenseinstellungen.
Die Take-Home-Massage lautet:
Nimm dir Zeit! Folge deinen Träumen, es muss keine Weltreise sein.
Eine Million Minuten
Wolf Küper
Knaus
ISBN: 978-3-8135-0743-0
Erschienen: 19.09.2016