Es war einmal eine Schultheatergruppe
Damals waren wir aus der siebten Klasse die Großen. Aufgeführt werden sollte „Der gestiefelte Kater“, ein Märchen, welches mich bis dahin noch nicht sonderlich begeistert hatte. Wir „Großen“ sollten auch gar nicht auf die Bühne, sondern das Publikum spielen. HÄ?!
In dem Alter findet man ja erst einmal alles doof, aber die Rollen waren tatsächlich witzig. Statt auf der Bühne zu stehen, saßen wir lässig davor, gekleidet wir altmodische feine Herren. Unsere Rollen bestanden darin, das Stück auf der Bühne dumm zu kommentieren. Dumme Kommentare abgeben ist eine Stärke von Teenies des 7er Jahrgangs.
Der gestiefelte Kater
Trotz Schultheater hatte ich das Märchen nur noch wage im Kopf. Auf Spotify habe ich mir das Märchen der Brüder Grimm erzählen lassen. Tatsächlich war meine wage Erinnerung doch recht konkret, allerdings hatte ich das Gefühl, da müsse doch noch mehr sein.
Für euch eine flinke Nacherzählung
Als der Müller stirbt, erben seine Söhne die Mühle, den Esel und den Kater. Der jüngste Sohn denkt, er habe mit dem Kater Pech gehabt. Dieser kann sprechen und fordert von ihm Stiefel, dann könne er ihm helfen. Das tut er auch. Er fängt mit einer List Reebhühner und bringt sie dem König mit den besten Empfehlungen seines Herrn dem Grafen. Dafür wirf er reich entlohnt. Das Gold bringt er dem Müllerssohn. Dies geht eine Weile so, bis eines Tages der König mit seiner Tochter eine Spazierfahrt macht. Der gestiefelte Kater arrangiert es so, dass der König den Eindruck erhält, sein Herr sei ein reicher Graf, dem Ländereien gehören. Schließlich verlieben sich der Müllerssohn und die Prinzessin und nach der Eheschließung wird er zum König.
Kater unterm Korallenbaum
Um dieses Märchen neu zu erzählen brauchen wir also eine Erbschaft und einen Kater, der das Leben seines Herren oder auch das einer Frau auf den Kopf stellt und sich alles zum Guten wendet hinsichtlich Geld, Liebe und Karriere (wenn wir König sein als Job betrachten). Um es interessant und modern zu gestalten gehören noch ein paar neue Elemente dazu.
Christina Löws Müllerssohn heißt Juki, Sie ist Grafikdesignerin in Köln, das dritte Kind japanischer Einwanderer. Die Prinzessin der Geschichte heißt Isabelle …
Es steckt so viel mehr in Christinas Kater unterm Korallenbaum, als im ursprünglichen Märchen. Sie füllt mir die Lücke des Gefühls, da müsse doch noch mehr sein. Es ist eine interkulturelle Geschichte, eine Familiengeschichte, eine persönliche Geschichte und eine lesbische Liebesgeschichte.
Eine interkulturelle Geschichte
Juki wurde in Deutschland geboren und wuchs in Köln auf. Ihre Eltern stammen aus Japan und haben sich bemüht ihren Kindern japanische Traditionen zu vermitteln. Doch ihre jüngste Tochter wehrte sich gegen diese kulturellen Einflüsse, sie wollte eine ganz normale Deutsche sein.
Es ist ein spannender Prozess, wie sie innerhalb des Romans zu sich selbst findet und diese kulturellen Einflüsse miteinander vereinen und wertschätzen lernt. Ganz nebenbei erfahren wir Lesenden so einiges über japanische Bräuche und begleiten Juki sogar auf eine Reise nach Japan …
かわいいですね
Ich war bisher nie dort, lernte allerdings zwei Semester japanisch, von denen ich kaum noch etwas kann, was mich sehr traurig macht.
Eine Familiengeschichte
Jede Woche essen die drei Geschwister zusammen beim Vater. Eine zeitweise lästige Tradition für Juki, auch wenn sie ihrem Vater sehr nahe steht. Zu Beginn der Geschichte ist sie damit dran, ihm beim Kochen eines japanischen Gerichts zu helfen …
Als junge ledige Frau sieht sie sich einem Thema gegenüber, welches wahrscheinlich viele kennen: Wann heiratest du und bekommst Kinder? Ihre Schwester ist bereits Mutter und bei ihrem Bruder wartet die Familie darauf, dass er seine Freundin heiratet …
Im Laufe der Geschichte erfahren wir mehr über die Familienverhältnisse, stehen Konflikte mit ihr durch und erleben einen Familienwahnsinn, wie er vielen wahrscheinlich nicht völlig fremd ist. Allerdings hat sie auch das Glück eine wunderbare Erfahrung zu machen, die eher wenigen Menschen vergönnt ist, wie ich vermute.
Eine lesbische Liebesgeschichte
Juki hat sich nie vor ihrer Familie oder Kollegen geoutet. Sie mag kein großes Ding aus ihrer Sexualität machen und auf mich wirkt ihre Einstellung sympathisch. Ich persönlich finde, dass niemand sich outen müssen dürfte, aber dafür dürfen muss. Sie selbst hatte nie eine ernsthafte Beziehung, keine Freundin, die sie ihrer Familie hätte vorstellen können und so war es nie ein Thema.
Die Liebesgeschichte ist erfrischend unkitschig! Kein unsterbliches Verlieben und glücklich bis ans Ende aller Tage. Christina Löw schreibt ja auch eine moderne Märchenadaption und nicht über eine Disneyprinzessin. Gefällt mir!
Eine persönliche Geschichte
Auch wenn der Kater im Titel steht, geht es um Juki. Im Grunde ist sie nicht wirklich unglücklich, doch es gibt einige nicht ganz ungewöhnliche Probleme in den grundlegenden Lebensbereichen: Familie, Beziehung, Job und Wohnen.
Ich wage zu behaupten, dass sich nahezu jeder von uns zumindest mit einem der angesprochenen Probleme in ähnlicher Form beschäftigt. Oder gibt es bei euch jemanden ohne Familienprobleme in einer glücklich Beziehung im Traumzuhause mit Traumjob?
So lebensnah die Probleme sind, liest es sich nicht banal oder langweilig. Die Konflikte wollen schließlich gelöst werden und da ist ja noch die Märchensache, die liebevollen Glitzer über alles streut ….
Wünschen will gelernt sein
So lautet der alternative Titel zu „Der Kater im Korallenbaum“. Tja, so einfach wie die Gebrüder Grimm es dem Müllerssohn machen, macht Christina es Juki sicher nicht. Einen magischen Kater stellt sie ihr auf jeden Fall zur Seite, aber zu viel verrate ich euch nicht …
Weißt du, was du wirklich willst?
Wenn du einen Wunsch frei hättest im Bereich Familie, Job, Wohnen, Beziehung, was würdest du dir wünschen? Was würdest du in deinem Leben verbessern?
Denke fest an deinen Wunsch, stell es dir so richtig schön vor.
Ist es wirklich das was du willst? Weißt du genau, wie es sein soll?
Wenn du dir ganz sicher bist, was du in deinem Leben erreichen oder ändern möchtest, stellt sich die Frage:
Was bist du bereit dafür zu tun?
Leider bin ich nur ein kleiner Komet, kein gestiefelter Kater oder japanische Glückskatze.
Jeder ist seines Glückes Schmied.
Sprichwort
Also sind wir doch alle selbst für unser eigenes Glück verantwortlich, aber auch füreinander, miteinander.
Ich weiß selbst, wie schwierig es ist. Allerdings merke ich auch, dass ich manchmal die Frage des Wie vor dem Was beantworten möchte. Da darf ich mich eigentlich nicht wundern, wenn das nicht funktioniert.
Wenn du selbst nicht genau weißt, was du willst, wie sollen andere es dann wissen und deine Wünsche erfüllen?
Manches ergibt sich von selbst, sei offen und verpass dein Glück nicht!
Ich wünsche dir von Herzen, dass du deinen Weg zu deinem persönlichen Glück findest! Du hast es in deiner Hand!
„Der Kater unterm Korallenbaum oder Wünschen will gelernt sein“ ist als 17. Buch in der Reihe der Märchenspinnerei erschienen. In dieser Reihe erscheinen Märchenadaptionen unterschiedlicher Autor*innen. Jedes Buch ist einzeln und unabhängig zu lesen. Bereits gelesen habe ich „Im Bann der zertanzten Schuhe“ von Janna Ruth.
Das Buch wurde mir als E-Book von der Autorin zur Verfügung gestellt. Link zur Seite der Märchenspinnerei mit weiteren Informationen zum Buch.
Der Kater unterm Korallenbaum oder Wünschen will gelernt sein
Christina Löw
Märchenspinnerei, Selfpublsiher, 2019
Coverdesign: Sameena Jehanzeb
ISBN: 9783964434180