Eine Stadt, die nur betreten kann, wer seinen eigenen Schatten zurück lässt, das klingt doch sehr nach Fantasy oder?
Während des Hörens des Hörbuches von Haruki Murakami kann ich mich der Frage nicht ganz erwehren, welche Diagnose ich der erzählenden Figur wohl geben könnte …
Schließlich werde ich bei einer weiteren Figur hellhörig und diese wird schließlich als Savant beschrieben. Sehr interessant.
Es ist keine Fantasygeschichte, vielmehr ein philosophischer Roman, der viel Deutungsspielraum zulässt und das macht einen besonderen Reiz aus.
Die Geschichte des Erzählers in der eindeutigen Realität
Wir hören die Lebensgeschichte eines Mannes. Er erzählt uns von seiner ersten Liebe, die er mit 16 Jahren kennen gelernt hat. Auch Jahre später denkt er noch an sie zurück und die Geschichten, die sie sich erzählt haben, Geschichten über die Stadt.
Schließlich zieht es den Mann von Tokio in eine Kleinstadt, wo er die Leitung einer Bibliothek übernimmt. Hier kommt es zu Begegnungen mit verschiedenen interessanten Menschen und es bietet sich ihm vielleicht auch eine zweite Chance auf die Liebe …
Die Stadt
Es ist das Mädchen, welches er mit 16 kennenlernte und irgendwann einfach verschwand, dass mit der Geschichte über die Stadt anfing.
Sie sei nicht ihr warhes Ich, sagte das Mädchen. Ihr wahres Ich lebe in der ummauerten Stadt, es lebe dort ohne einen Schatten. Wenn er dort hinginge, würde er ihr wahres Ich treffen können, doch sie würde ihn nicht erkennen.
In dieser Stadt leben Menschen ohne ihren Schatten und er selbst könne dort eine wichtige Aufgabe haben, nämlich die alten Träume lesen.
Und die Erzählung rund um diese Stadt muten phantasisch an. Ist es dem Erzähler wirklich gelungen in diese Stadt zu reisen? Falls diese nur eine Metapher ist, wofür steht diese? Glaubt er, diese Stadt tatsächlich gesehen zu haben, obwohl alles nur in seinem Kopf stattgefunden hat?
Und was ist mit dem ursprünglichen Leiter der Bibliothek und dem Jungen mit dem Kapuzenpulli geschehen?
Viele spannende Fragen auf die jede*r Leser*in eigene Antworten finden darf.
Erzählweise
Ich bin begeistert von der Erzählweise, den Wiederholungen als Stilmittel, die mich gar nicht nerven und den Sprüngen zwischen Realitäten und Zeiten.
Und das Spiel mit der Realität ist wirklich genial.
Ich bin fasziniert wie alles am Ende miteinander verwoben und aufgelöst wird.
Ein literarisches kleines Kunstwerk.
Und ich bin sehr neugierig darauf, mehr von ihm zu lesen oder auch zu hören.
Hintergründe der Geschichte
Es gibt ein kleines Nachwort, in dem wir erfahren, dass die Geschichte zunächst eine Kurzgeschichte gewesen sei.
Lange blieb die Geschichte im Hinterkopf des Autors,
Die Kurzgeschichte erhielt einen neuen Erzählstrang für den Roman, die am Ende zu einem ganzen verschmelzen sollten.
Wie diese verschmelzen sollten, war ihm beim Schreiben selbst nicht bewusst. Er schrieb in der Gewissheit, dass „am Ende alles gut ging“ und sie verschmolzen mühelos zu einer. Dies ist ein anderer Roman.
Mit 71 schrieb 2020 er 40 Jahre nach der Kurzgeschichte endlich den Roman über die Stadt und seine ungewisse Mauer. Nach dem ersten Teil hatte er gedacht, den Roman fertig geschrieben zu haben. Dieser ruhte ein halbes Jahr und wurde dann weiter geschrieben. Es ist für Haruki Murakami wichtig diese Geschichte noch einmal neu geschrieben zu haben.
Jorge Luis Borges zu Folge gibt es im Grunde nur eine begrenzte Anzahl von Geschichten, die ein Schriftsteller im Laufe seines Lebens richtig erzählen kann. Wir können diese begrenzte Anzahl an Motiven nur in verschiedenen Formen und mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln bearbeiten, könnte man sagen. Mit anderen Worten, die Wahrheit liegt nicht in unveränderlichem Stillstand, sondern im steten Wandel. Das ist das Wesen des Erzählens, wie ich es sehe.
Schlussworte seines Nachwortes von Haruki Murakami
Das Hörbuch wurde mir als Rezensionsexemplar via Netgalley zur Verfügung gestellt.
Die Stadt und ihre ungewisse Mauer
Harumi Murakami
Hörbuch Hamburg, 2024
ISBN: 9783957133175
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