
Es ist Sonntag Mittag und ich sitze im RE 2 von Koblenz nach Frankfurt, meine Mission: Ein Sofa annehmen! Morgen!
Kleinigkeit oder? Die Bestellung ist über drei Monate her und die Lieferung der Stühle bereits gescheitert!
Auch das Sofa hätte längst da sein sollen, die Lieferung wurde verschoben, auf einen Tag, an dem meine Tochter arbeiten muss. Was tun? Wer kann helfen?
Ich kann das machen! Ich kann mich sonntags in den Zug setzen und montags von ihrer Wohnung aus arbeiten, kein Problem. Spontanität und Flexibilität führten mich in dieses Abenteuer.
Wie soll ich das Abenteuer angehen?
Dem Zeitpunkt im Zug ging ein für mich schwieriger Entscheidungsprozess voraus. Wann fahre ich? Übernachte ich?
Das Lieferzeitfenster lag ab 12 Uhr. Ein sehr früher Zug hätte mich rechtzeitig am Montag Morgen hingebracht mit einer Stunde Puffer. Und wenn doch etwas schief geht? Riskant! Machbar.
Montags anreisen und rückreisen wäre eine Option. Da wurde mir doch recht schnell klar, dass mindestens 4 Stunden Zugfahrt mal zwei mir definitiv zu anstrengend ist.
Montags hin und dienstags zurück? Wenn das Sofa da ist, könnte ich darauf schlafen. Dienstags früh los, um rechtzeitig zum Präsenztermin in Bonn zu sein? Wäre möglich, aber auch anstrengend.
Sonntags habe ich Zeit entspannt zu fahren, könnte nach der Arbeit meiner Tochter ankommen und wir würden noch Zeit miteinander verbringen. Wenn da nicht mal wieder Schienenersatzverkehr wäre … Die Verbindung kann doch nicht funktionieren, oder doch?
Ein weiterer Haken am Sonntag zu reisen: Ich bräuchte eine Übernachtungsmöglichkeit, denn das Sofa, welches einen Schlafplatz bietet, kommt ja erst an. Und die Alternative war beim letzten Mal eine Katastrophe, da wollte ich auf einer Luftmatratze schlafen, die leider den Dienst versagte … Es war eine harte Nacht.
Ich entschied mich für die Anreise am Sonnntag und das Hotel! Die bestmögliche Wahl für mich und die anstehende Mission.
Ich darf nämlich auch auf mich selbst achten!
Zugfahrt mit Gedanken über Heldentum
Während ich mich also auf den Weg machte, davon überzeugt, dass diese Verbindung nicht funktionieren könnte, schrieb ich auf Mastodon unter dem Hashtag #Bahngeschichten, über mein kleines Abenteuer.
An der Bushaltestelle las ich den morgendlichen Impuls von Anna über Held*innen. Wie passend, dachte ich noch, während ich dem Herr der Ringe Soundtrack lauschte. Erste Gedanken formten sich, einen Beitrag zu schreiben unter dem Titel „ein kometenhaftes Abenetuer“.
Der Schienenersatzverkehr kam mit etwas Verspätung, holte diese aber raus und brachte mich pünktlich nach Remagen, wo der RE5 bereits auf mich wartete.
Im Bus und dem RE5 las ich entspannt mein Buch „Baskerville Hall“. Ich liebe gute Geschichten, schreibe sie auch gerne und begleite andere bei ihrer persönlichen Geschichte. Selbst will ich doch gar keine Heldin sein.
Meine Gedanken reiften also, bis ich schließlich im RE2 an einem Tisch saß, die Chance annahm, in einem Zug zu schreiben. Das habe ich noch nie gemacht. Es war herrlich!
Während draußen also die wunderschöne Rheinstrecke an mir vorbeizog, enstand ein Blogbeitrag, der mehrere Gedankenstränge miteinander verband. Gedanken über das Heldentum, Bilbo und Gandalf, meine derzeitige Mission und politische Fragen, denn brauchen wir nicht jetzt gerade Heldenmut und Menschen, die die Welt retten?
Es hätte ein ermutigender Beitrag werden können, gemeinsam die Welt zu retten. Mut zum Heldentum, wenn in mir drin nicht eine Stimme stark gewesen wäre, die sich gegen das heldenhafte Bild gewehrt hätte.
Manchmal funktioniert ein Plan
Unfassbar aber wahr: Die Fahrt verlief tatsächlich wie geplant, ich holte meine Tochter von der Arbeit ab und wir hatten eine gute Zeit zusammen.
Es war herrlich und abends machte ich mich auf den Weg zu meinem Hotel. Es war verdammt kalt.
Vom Fenster aus konnte ich das Möbelhaus sehen, welches uns seit Monaten Nerven kostet. Gedanklich war ich schnell wieder bei Frodo aus dem Herrn der Ringe, der mich ja bereits im Zug gedanklich begleitet hatte.
Den Schiksalsberg vor Augen zog ich den Vorhang zu.
Mission Sofa und Mission Bloggen
Mach das Beste aus der Situiation, ist eine Haltung, die mir auf dieser Mission mehr als einmal nützlich war.
Die Zeit im Hotel habe ich gut für mich genutzt. Morgens noch zwei inspirierende Meetings, dann entspannt gepackt, ein Spaziergang und mir meinen zweiten Arbeitsplatz des Tages in der Wohnung meiner Tochter eingerichtet.
Dort kochte ich mir erstmal einen Tee und widmete mich dann dem begonnen Blogbeitrag. Es kam mir wie ein perfektes Timing vor, als die Nachricht der Spedition kam, dass sie gleich kämen, während ich nahezu fertig war mit Schreiben.
Der Moment der Lieferung war nochmal sehr spannend. Passt es durch den schmalen Eingang? Wir hatten gut gemessen, die Sorgen mit dem Verkäufer besprochen und nach dem Auspacken, war alles drin.
Super! Die Spediteure waren mega freundlich und gaben mir noch den Rat: „Es braucht einen guten Akkuschrauber für den Aufbau!“
Im Möbelhaus hieß es noch, es müsste nur zusammen gesteckt werden. Von Wegen! Das Sofa bekommt noch Füße und die Löcher dafür sind nicht mal vorgebohrt. Dieser Teil der Mission ist also noch nicht abgeschlossen.
Das Timing war auf jeden Fall super, ich konnte meinen geplanten Termin „unter besonderen Umständen“ mit einer Klientin ungestört abhalten. Als ich ihr verschiedene Termine angeboten hatte, habe ich ihr die Rahmenbedingungen genannt und sie wählte bewusst diesen, mit dem Risiko der Unterbrechung.
Den Blogbeitrag veröffentlichte ich noch vor dem Gespräch, mit ein wenig Bauchweh – wollte ich wirklich so einen Beitrag über mich veröffentlichen?
Mitsamt den Zweifeln, stellte ich den Beitrag ins #28TageContent Forum, dann ließ ich den Beitrag hinter mir und konzentrierte mich voll und ganz auf den Termin.
Auf der Rückfahrt im RE2 kamen die Zweifel wieder. Diesmal war es draußen dunkel, kein Blick auf den Rhein und die Burgen. Erneut saß ich am Tisch. Statt selbst zu schreiben, las ich im Forum Beiträge der anderen. Mein Beitrag ist nicht rund, dachte ich mir, war aber zu müde, mich nochmal daran zu begeben.
Ich bin eine Heldin mit kleinem Saboteur
Am nächsten Tag kam wertvolles Feedback. Ich erkannte: Der kleine Saboteur in mir, der kein Held sein will, hat eine laute Stimme im Beitrag.
Anna konnte die Heldenreise im Text erahnen und neben jedem starken Satz auch gleich eine Relativierung lesen. Es war ein Text geworden, der andere ermutigen könnte. Gleichzeitig schrie ich in die Welt hinaus, ich wolle keine Heldin sein!
Was habe ich gemacht?
Den Beitrag raus genommen und bin in die Selbstreflexion gegangen.
Was will dieser innere Anteil, dieser kleine Saboteur?
Das spannende an inneren Anteilen, die uns zu schaden scheinen, ist ja, dass sie es oft auch nur gut mit uns meinen. Als ich erkannte, dass auch dieser Saboteur mich nur beschützen wolle, musste ich genervt lachen.
Und was mache ich jetzt mit dir? Höre ich auf dich?
Ich war also noch nicht fertig. Wer ist denn da noch so? Innere Teilearbeit war angesagt. Mein erster Impuls war, das in die anstehende Intervision mitzunehmen. Doch die Fragen ließen mir keine Ruhe und ich begann selbst zu arbeiten.
Da lagen sie also meine inneren Anteile, als Karten auf dem Tisch. Interessant und jetzt?
Ich arbeitete mich weiter vor bis zur Klarheit.
Schließlich landete ich bei meiner Kernfrage: Wer bin ich und wer möchte ich sein?
Kann ich also nichtt auch für mich nutzen, wer ich für andere bin?
Kann ich, bin ja schon mitten dabei, während ich meine Moderationskarten beschrifte. Schließlich nutzte ich das Schreiben für mich als Methode, ging mit mir selbst in den Dialog und stellte mir Fragen.
Es ist vollkommen in Ordnung, wenn ich keine Superheldin sein möchte, steht auch am Anfang meines ersten Beitrages, dass niemand alleine die Welt retten muss. Es ist auch vollkommen in Ordnung Angst zu haben. Ich spürte genauer hin, wovor ich denn Angst habe. Es war mir immer wichtig, keine Angeberin zu sein, Bescheidenheit war ein Wert, für den ich als Kind gelobt wurde. Selbstbewusst zu sagen, dass ich Stärken und Schwächen habe, ist etwas völlig anderes als Angeberei.
Ich liebe meinen Beruf, ich liebe es Geschichten zu erzählen und ich bin in beidem gut! In beiden Bereichen lerne ich stetig dazu. Meine eigene Kometenreise dauert noch an.
Und genau deswegen erzähle ich dir von meiner Geschichte. Es geht auch mir so, dass ich zweifel, dass ich mich selbst sabotiere, um klein und unsichtbar zu bleiben. Das kenne ich, da fühle ich mich sicher. Allerdings brauche ich das nicht mehr.
Meine Selbstreflexion führte mich letztendlich zu einer Frage, die ich mir schriftlich beantwortete und schließlich zum Schreiben dieser Geschichte. Zum Abschluss teile ich mir dir, die Frage und meine persönliche Antwort:
Warum mache ich es (das Schreiben hier) trotzdem?
Weil es mir Spaß macht!
Weil ich es liebe, Menschen zu inspirieren und berühren will!
Sei du selbst, mit allen Zweifeln und Schwächen. Nutze die eigenen Stärken.
Es fällt auch mir nicht leicht, aber wir alle sind Held*innen!
Und was wurde aus dem alten Beitrag?
Er ist noch da, mit einem neuen ersten Abschnitt nach dem Bild, einer Ergänzung am Ende und einige Relativierungen habe ich sichtbar entfernt.
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