Digitale Intelligenz - Verena Gonsch

Digitale Intelligenz – Verena Gonsch

Wir können die Digitalisierung verfluchen, für Probleme verantwortlich machen, sie fürchten und hassen.

Wir können uns aber auch mit ihr auseinandersetzen, herausfinden, wie wir sie sinnvoll für uns nutzen und unsere Zukunft aktiv gestalten können.

Denn eines steht fest: Die Digitalisierung geht nicht mehr weg! So verrückte manche Innovationen auch sind, sie sind da. Manche werden in Vergessenheit geraten, andere sich durchsetzen. Welche das sein werden, entscheiden wir Menschen.

Unser Alltag, unser Arbeitsleben und ganz langsam auch die Schulen werden immer digitaler. Das hat zunächst einmal eine Menge Vor- und Nachteile und stellt manch einen vor Herausfoderderungen, verschafft aber auch Erleichterungen.

Medienkompetenz versus Mediensucht

Ja, es gibt das Problem der Computerspielsucht, das hat die WHO inzwischen offiziell anerkannt und die Diagnose ist in den ICD-11 aufgenommen. Das bedeutet aber NICHT, dass Computerspiele alle süchtig machen und sie genau so gefährlich sind wir manch eine stoffliche Droge! Weitere Mediensüchte werden von Wissenschaftlern, Praktikern und in der Gesellschaft heftig diskutiert. Jeder, der aktiv Soziale Netzwerke nutzt, hat darüber wahrscheinlich schon mal die Zeit vergessen und kann sich vielleicht vorstellen, dass manch einer „süchtig“ nach News und Likes werden kann. Eine tatsächliche Sucht bedeutet, sein Leben auf das Computerspielen oder ein Verhaltensbereich auszurichten und die anderen Lebensbereiche zu vernachlässigen. Wer so weit ist, braucht meistens professionelle Hilfe dabei, das eigene Leben neu zu gestalten.

Der Mediensucht gegenüber steht der Ruf nach Medienkompetenz, dem sinnvollen und reflektiertem Umgang mit digitalen Medien. Wie in allem Dingen des Lebens ist es auch mit dem Computerspielen, den Sozialen Netzwerken und anderen digitalen Angeboten: Sie können uns gut tun oder einfach Spaß machen. Werden sie exzessiv genutzt,  entwickeln wir ein problematisches Verhalten und es geht uns nicht mehr gut damit.

Generelle Verbote sind ein schwieriger Weg, denn alles was verboten ist, ist auch verlockend, egal ob es Süßigkeiten oder Spiele sind. Daher empfehle ich allen Eltern, gemeinsam mit ihren Kindern einen guten Weg zu finden, der Genuss und Spaß ermöglicht, ohne den Dingen einen zu großen Wert beizumessen. Je älter die Kinder dabei werden, desto selbstbestimmter dürfen sie mit digitalen Medien umgehen. Ein elterliches Interesse an dem, was die Kinder da tun, bleibt empfehlenswert.

Verena Gonsch

ist Systemischer Coach, Moderatorin, Journalistin und Autorin des lesenswerten Buches „Digitale Intelligenz“. Ein Buch, das mal einen wohlwollenden Blick auf die heutigen Kinder und Jugendlichen, inklusive ihrem digitalen Konsum wirft. Mehr über Verena Gonsch und ihre Tätigkeiten auf ihrer eigenen Webseite.

Ich hatte die wunderbare Gelegenheit, dieses Buch im Rahmen eines Recherschestipendiums am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln zu schreiben und meine Thesen gehörig von wissenschaftlichem Sachverstand und kritischen Nachfragen durchpusten zu lassen. (Nachwort Digitale Intelligenz)

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Digitale Intelligenz

Gespräche zwischen Eltern über ihre Kinder, deren Computerspiele und Smartphones sind schwierig, häufig sehr kontrovers. Gelassenheit trifft auf Besorgnis, gemischt mit Unwissenheit, was die eigenen Kinder da eigentlich treiben. „Mein Kind soll nicht“ oder „Mein Kind ist vernünftig“, sind nicht seltene Sätze.

Die Deutschen stehen der digitalen Welt tatsächlich besonders kritisch gegenüber.

Der „German Angst“ und ihren Hintergründen widmet sich Verena Gonsch ausführlich und anschaulich. Eine Übertragung einer grundlegenden Ängstlichkeit aus den Kriegszeiten von Eltern auf ihre Kinder, hätte ich niemals in einen Zusammenhang mit der skeptischen Haltung gegenüber der Digitalisierung gesetzt. Daher war der Gedankengang für mich sehr spannend zu lesen.

Bei aller Angst wäre es gut, wenn wir uns und unseren Kindern nicht selbst im Weg stehen würden. Ich habe schon viele interessante Gespräche mit neugierigen Eltern geführt, die dankbar waren, dass ich ihnen Fragen beantworten konnte.

Die Diagnose, dass deutsche Eltern sich oft gar nicht für das interessieren, was ihre Kinder im Netz treiben, deckt sich mit den Ergebnissen repräsentativer Studien.

Dabei zeigt sich ein interessantes Phänomen, dass nicht für alle Eltern gilt:

Je kritischer die Eltern auf die Computerspiele und die Internetnutzung ihrer Kinder achten, desto weniger fühlen sie selbst sich in der digitalen Welt sicher.

Die Lebens- und Lernwelt der Kinder verändert sich und das hat viele Vorteile. Es wird in der Schule weniger auswendig gelernt, dafür mehr in Gruppen und an Projekten gearbeitet. Das bereitet die Kinder besser auf die Zukunft vor.

Sie beherrschen Teamwork und Gruppenarbeit und üben schon in der Schule die Work-Life-Balance.

Erziehung im Elternhaus passiert zwar auf „Augenhöhe“ und auch die Pädagogik in der Schule ist eher auf „Verständigung“ ausgelegt, was die sozialen Kompetenzen der Heranwachsenden stärkt. Es gibt nur einen Haken:

dass Schule und Elternhaus ihnen viele digitale Kompetenzen nicht vermittelt haben. Die müssen sie jetzt nachträglich erwerben, um im Studium und in der Berufswelt erfolgreich zu sein.

Das Buch bietet anschauliche Geschichten und Impulse, die Mut zur Gelassenheit im Umgang mit der Digitalisierung machen. Ich glaube, das es besonders wichtig ist, Ängste und Sorgen offen auszusprechen, anstatt an ihnen festzuhalten. Möglichkeiten und Chancen dürfen dabei nicht aus dem Blick verloren werden. Viele Sorgen sind berechtigt. Wer sich allerdings vor lauter Angst zu Hause abschottet, verpasst das Leben. Daher gilt es einen mutigen, aber nicht wagemutigen Weg zu finden, die Möglichkeiten der digitalen und analogen Welt anzunehmen.

Empfehlung

Für ein Sachbuch habe ich dieses Buch erstaunlich schnell gelesen. Es ist interessant und ansprechend geschrieben und befasst sich mit einem Thema, dass mich persönlich beschäftigt.

Das Buch sei Eltern, Lehrern und Skeptikern gleichermaßen empfohlen. Es bietet guten Stoff für Diskussionen und Denkanstöße, die eigene Haltung gegenüber der Digitalisierung ein wenig zu entspannen. Trau dich, mal mehr auszuprobieren und die digitale Welt zu entdecken. Kinder und Jugendliche sind dir dabei sicher gerne behilflich. Die meisten von ihnen kennen sich aus.

Allerdings ist die Erwartungshaltung des Auskennen nicht immer fair, denn die digitale Welt ist komplex, wenn auch intuitiver für diejenigen, die dort aufwachsen, sofern sie denn dürfen, so doch nicht überall transparent und ohne Fallen (Kosten, Viren, persönliche Daten, etc.). Der Austausch mit den neugierigen und zugleich besorgten Eltern, kann die Blickwinkel der digitalen Kids erweitern.


Das Buch wurde mir vom Verlag über NetGalley zur Verfügung gestellt.

Digitale Intellingez (Link zur Verlagsseite mit Leseprobe)
Verena Gonsch, mit Texten von Till Raether
Bastei Lübbe
ISBN: 978-3-404-60979-6
Erscheinungsdatum: 24.11.2017