Das Internet ist schnell, ein Tweet, ein Bild auf Instagram gepostet, es wird gesehen und vergessen.
Digitaler Content scheint kurzlebig. Alles muss immer brandaktuell sein. Die Informationen von gestern sind veraltet. Ist das so?
In einem Seminar an der Uni ermahnte uns ein Dozent einst, nicht nur die aktuellsten Publikationen zu berücksichtigen. Vieles von dem, was heute in der Psychologie erforscht wird, wurde bereits vor Jahren oder gar Jahrzehnten erforscht. Die Ergebnisse von damals sind teilweise auch heute noch gültig, insbesondere in der Kombination sind ältere wissenschaftliche Beiträge und aktuelle Forschungsergebnisse sehr spannend zu betrachten. Trotzdem konzentriert sich das Literaturverzeichnis eines neu erschienen Fachartikels häufig auf die aktuelle Forschungslage.
Natürlich ist es wichtig, aktuell zu sein. Dennoch verliert das „alte“ nicht an Wert – in unserer Wahrnehmung schon, aber das sollte es nicht. Ich habe mir diesen Rat zu Herzen genommen.
Wissenschaft und Alltagsthemen haben eines gemeinsam: Es gibt eine Flut an Content, wertvollem und weniger wertvollem Content. Suchmaschinen helfen uns, aktuellen Content zu finden, helfen vermeintlich relevanten Content zu unseren Suchbegriffen zu finden. Ob das, was wir finden, das ist, was wir suchen, können nur wir selbst entscheiden.
Twitter, Instagram und die Bloggerwelt
Timelines sind chronologisch aufgebaut (psst, gleich mehr dazu). Nach Hashtags kann gefiltert werden. Hier erscheinen sie wieder (relativ) chronologisch angeordnet. Bei Twitter kann ausgewählt werden, ob die beliebtesten Tweets oder die neuesten angezeigt werden sollen, weitere Suchfilter sind möglich.
Blogs sind meistens ähnlich strukturiert: chronologisch, das neueste nach oben. Dagegen verschwinden ältere Beiträge. Es kann nach Kategorien oder Begriffen geschaut werden, komplexere Blogs als meiner bieten direkt auf der Startseite verschiedene Kategorien und entsprechend verschiedene „aktuelle“ Beiträge.
Ins Spiel kommen die Algorithmen. Achte mal bei Twitter und Instagram darauf von wann das Posting ist. Die Timeline ist nicht perfekt chronologisch. Bei Facebook ist es ja ganz schlimm, dass viele Beiträge immer wieder angezeigt werden, die teilweise schon Wochen alt sind. Bei Twitter und Instagram ist das (noch) nicht ganz so extrem.
Gerade bei Twitter tauchen Tweets dann wieder auf, wenn jemand sie teilt, liked oder kommentiert. So bleiben Tweets erhalten, gehen nicht gleich wieder unter wie eine Sternschnuppe am Himmel. Einmal glitzern, dann für immer verglüht.
Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sagen, dass sowohl bei Twitter, als auch bei Instagram immer mal jemand etwas „älteres“ entdeckt und darauf reagiert. Ich freue mich jedes Mal darüber. Zum einen über die Beachtung, zum anderen über die Erinnerung für mich selbst.
Im Blog ist dieser Effekt noch viel stärker. Mit meinem Statistik-Tool kann ich sehen, welche Seiten aufgerufen werden und das sind jeden Tag deutlich mehr, als der aktuelle, den ich gerade veröffentlicht habe oder die Beiträge der letzten Tage, die noch einigermaßen aktuell sind, aber noch nicht von allen gelesen wurden. Nein, es sind alte Beiträge, ganz unterschiedliche, die immer mal wieder gelesen werden. Das bedeutet mir persönlich sehr viel und zeigt mir, dass auch Blogbeiträge keine Eintagsfliegen sind und auch berechtigte längerfristige Relevanz für die Leserschaft hat.
Relevanz statt Eintagsfliegen
Beiträge, die eine Veranstaltung ankündigen, sind irgendwann irrelevant, denn die Veranstaltung ist ja dann vorbei und man hat nichts von der Information. Nachberichte zu Veranstaltungen wie Barcamps haben dagegen eine längerfristige Relevanz, wenn sie gut geschrieben sind. Gut geschrieben bedeutet für mich, dass sie nicht nur für die anderen Teilnehmer, sondern vor allem für diejenigen einen Mehrwert haben, die nicht dabei waren. Es geht um wertvolle Informationen zu den besprochenen Themen, nicht um die Beschreibung, ich war da und bin dann zu diesen aufgelisteten Sessions gegangen und habe folgende Leute getroffen. Meine Barcamp-Berichte werden auch Monate später noch aufgerufen.
Aber auch Beiträge über Bücher sind nicht nur zum Erscheinungstermin relevant. Für die Verlage und Autoren vielleicht, die wissen wollen, ob das Buch gute Kritiken erhält, aber für die Leserschaft? So lange ein Buch verfügbar ist, ist eine Buchempfehlung wertvoll. Je älter es ist, desto schwieriger ist es möglicherweise es zu bekommen, aber unmöglich selten. Gebraucht oder in Bibliotheken findet sich fast jedes Buch. Dafür sind die Beiträge über ältere Bücher oder Titel abseits des Blogger-Mainstreams oft wertvoll, weil es weniger Blogger gibt, die darüber berichten. Lies nicht, was alle lesen, sondern genau das, was du lesen möchtest.
Nachhaltigkeit von Wissen
Auch andere Themen sind es wert keine Eintagsfliege zu sein. Es geht um Nachhaltigkeit von Wissen, Erfahrungen und darum, das Rad nicht jeden Tag neu erfinden zu müssen.
Neben der Fähigkeit ständig zu filtern, welche Informationen wir konsumieren möchten, brauchen wir auch gute Strategien, unser Wissen nachhaltig zu organisieren und bereit zu stellen. Ein wichtiger Punkt für mich ist hierbei, umzudenken, sich bewusst zu machen, dass Aktualität nicht bei allen Themen ein hilfreiches Qualitätsmerkmal ist. Wenn es um aktuelle Ereignisse in der Region oder der Welt, politische Themen oder auch wirtschaftliche Fragen geht, spielt Aktualität sicher eine entscheidende Rolle. Vor allem auch bei statistischen Kennzahlen. Doch bei vielen anderen Themen?
Scrollen und umschauen
Scroll ruhig hin und wieder bei Twitter oder Instagram etwas tiefer, wenn du einen neuen Hashtag durchsuchst, du könntest etwas interessantes entdecken. Dasselbe gilt für Blogs. Viele schlagen dir thematisch ähnliche Beiträge an, du kannst dich bei den Kategorien oder über die Schlagworte umsehen. Der Beitrag ist nicht von heute? Lies ihn trotzdem, es sei denn, es ist eine Ankündigung für etwas, das bereits vorbei ist.
Ute, die Social-Media-Gedöns-Tante erklärte mir neulich, dass Herzchen bei Twitter nicht kleben bleiben. Ein Beitrag kann nach einiger Zeit tatsächlich neu geliked werden, dadurch taucht er erneut in anderen Timelines wieder auf und bekommt erneute Aufmerksamkeit. Niemand sieht immer alles und so haben auch andere die Chance, diesen einen kleinen Tweet zu entdecken. Finde ich spannend. Allerdings nervt zu viel Wiederholung. Ein Tweet einer Social Media Expertin taucht immer wieder bei mir auf. Sie hat sehr guten Content, aber inzwischen folge ich ihr offenbar zu lange, dass mich manche ihrer Tweets, die sie meinem Eindruck nach immer wieder erneut teilt, nerven. Die Frequenz darf nicht zu hoch sein. Nur alter Kram und zu oft dasselbe schmeckt dann bitter. (Macht sie nicht!)
Aktualisieren und Kuratieren
Es lohnt sich auch ältere Beiträge mal zu überarbeiten und zu aktualisieren, so bleiben sie relevant und interessant. Du entwickelst dich und deinen Stil weiter. Systematisch habe ich das bisher auch noch nicht gemacht.
Verlinke auch ältere Beiträge in neuen Blogbeiträgen. Hin und wieder kann es sinnvoll sein, einen älteren Beitrag erneut über die Social Media Kanäle zu teilen. Er passt zu aktuellen Ereignissen, passt als Antwort zu einem Thema.