Heinzelmännchenbrunnen in Köln – eine Kölner Geschichte

Beim Sozialcamp 2017 hat Mélina Garibyan mich zum ersten Mal für Storytelling begeistert, erneut beim Barcamp Bonn 2018, als sie die Heldenreise vorstellte.

Mélina hat mir die Augen geöffnet und gezeigt, dass all das was ich gerne tue und mir wichtig ist, unter einem Schlagwort zusammenfällt: Storytelling. Ich erzähle Geschichten, erlebe Geschichten, höre, lese, sehe Geschichten und teile diese gerne. Mélina hat mir aber auch gezeigt, dass Storytelling zwar ein modernes Buzzword ist, aber eigentlich uralt und für viele Menschen selbstverständlich ein Teil ihres Lebens ist, so auch für mich. Inzwischen befasse ich mich mit dem Thema „professionelles Storytelling“ und habe schon viel interessantes gelesen.

Astrid Nierhoff hat zusammen mit Mélina Garibyan das Story-Atelier in Köln gegründet und am 30. Mai 2018 einen interessanten Gastvortrag an der „Hochschule Macromedia Campus Köln“ gehalten:

„Wahre Geschichten als kommunikative Treiber. Digital Storytelling im Spagat zwischen Authentizität und klar definierten Kommunikationszielen“

Und weil ich eine Geschichtenerzählerin bin, erzähle ich euch gerne weiter, was ich aus Astrids Vortrag für mich mitgenommen habe.

Die Anfänge des Digital Storytelling

Die erste große Inspiration für das Digital Storytelling war Ken Burns mit seinem Projekt „Civil War“, ein großer Dokumentarfilm aus zahlreichen persönlichen Schnipseln zusammengestellt.

Dana Atchley ist mit seinem Film „Turns“ ein Pinoeer des Digital Storytellings.

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Eine Geschichte über den Storyteller Dana Atchley habe ich auf whileiremeber.it entdeckt, öffnet unbedingt das Feld „about this story“.

In den 90ern gründete Dana Atchley mit Joe Lambert das Storycenter in Berkley, USA.

Inzwischen ist die Methode weit verbreitet. Der Fotograf Daniel Meadows brachte sie nach Europa. Eines der größten Storytelling-Projekte ist das „Culture Shock“ Projekt. Menschen erzählen ihre Geschichte anhand eines Objektes aus dem Museum, ein Kunstobjekt oder ein Artefakt. Anschließend wurde diese Geschichten selbst wieder im Museum integriert.

Was macht Storytelling so besonders?

Es sind

„kurze persönliche Multimedia -Geschichten, die von Herzen kommen“

Die Geschichten sind immer persönlich und werden in der Ich-Perspektive erzählt. Es gibt keine klassischen Interviews, sondern eine direkte Beziehung zwischen Erzähler und Empfänger der Geschichte.

Wer erzählt eine Geschichte und für wen?

Die Frage wer erzählt für wen ist alles andere als trivial. Auf der einen Seite stehen die Projektträger mit ihren Ideen und Zielen. auf der anderen Seite die einzelnen Menschen mit ihren persönlichen Geschichten. Die Ziele und Interessen der Projektverantwortlichen und der Erzähler decken sich nicht immer. Manchmal ist das überhaupt nicht schlimm. Astrid hat uns beispielsweise den Film einer Frau gezeigt, die ihre persönliche Geschichte erzählt und dabei ihren Vater persönlich anspricht. Der Vater ist zwar der persönliche Adressat ihrer Aussage, dennoch spricht die Geschichte auch andere an, Menschen, die sich von ihr inspirieren lassen oder ihre eigenen Erfahrungen und Gefühle bestätigt sehen.

Es ist dennoch nicht immer einfach und gerade hier ist es die Aufgabe der beauftragten Storytelling-Agentur wie dem Story-Atelier Köln, die Bedürfnisse der Erzähler und die Kommunikationsziele der Auftraggeber genau im Blick zu haben, zu kennen, verstehen und zu kommunizieren. Wie bei jedem Projekt, ist auch ein Blick auf die Zielgruppe wichtig, um die Kommunikationsziele erreichen zu können.

Schwierigkeiten bei Storytelling-Projekten

Bei einem Projekt gab es beispielsweise ein Problem. Es ging um ein sehr heikles und intimes Thema, um die Beschneidung von Frauen. In Kooperation mit der belgischen Organisation GAMS sollten Frauen ihre Geschichten erzählen mit denen anschließend eine große Aufklärungskampagne geplant war. Es fanden sich auch Frauen, die bereit waren ihre Geschichte zu erzählen. Sie waren wütend, wollten anklagen, aufklären, reden. Sie wollten über ihre Erfahrungen sprechen und das taten sie auch. Nach dem durchgeführten Storytellingprojekt wollten sie aber keiner Veröffentlichung vor der breiten Öffentlichkeit mehr zustimmen. So blieben die Geschichten im geschützteren Rahmen, doch auch auf diesem Pfad kann viel bewirkt werden. In kleinen Kreisen wird etwas ins Rollen gebracht. Es muss nicht die große Leinwand oder das U-Bahn-Plakat sein. Die Organisation macht weiter, denn der Prozess ist genau so wichtig, wie die fertige Story am Ende.

Bewegende Inspiration

Ein paar wunderbare Worte hat Charlie Chaplin anlässlich seines 70. Geburtstages gesprochen, im Video auf deutsch rezitiert von Helmut Kräutner.

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Eine großartige Rede von Chimamanda Ngozi Adichie in diesem Ted Talk von 2009 „The danger of a single story“ über die Macht von Geschichten und warum wir viele und vor allem vielfältige Geschichten brauchen.

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Das Problem mit Stereotypen ist nicht, dass sie nicht wahr wären, sondern dass sie unvollständig sind. (Zitat aus dem Video)

Wer genau wie ich zum ersten Mal von dieser beeindruckenden Frau hört, findet auf ihrer Webseite weitere interessante Informationen über sie, ihre Bücher und Auftritte.

Ethik und Risiken des Storytelling

Wir haben also zwei Seiten: die Interessen des Storytellers und die des Auftraggebers, daraus ergeben sich mögliche Konflikte. Doch eines sollen die Geschichten doch immer sein: Authentisch!

  • Die erzählte Geschichte passt nicht in das Gesamtkonzept, es wird etwas erwähnt, dass dem Erzähler wichtig, dem Auftraggeber unangenehm, unpassend ist und nicht zu der Botschaft passt, die nach außen gesendet werden soll.
  • Risiko, dass die Geschichte des Erzählers auseinander gepflückt wird. Zitate in einen falschen Kontext gesetzt werden, wenn sie einmal öffentlich ist.
  • Schutz der Persönlichkeit – hierzu erzählte Astrid uns von einem jungen Mädchen, der Tochter einer Prostituierten. In einem Video erzählen Mutter und Tochter, wie ihnen geholfen wurde. Hier stellt sich die Frage, ob beide ausführlich aufgeklärt wurden, was mit ihrer Geschichte passiert oder ob sie aus reiner Dankbarkeit mitgemacht haben.
  • Retraumatisierung – ist jemand im Storytelling-Team befähigt das aufzufangen?
  • Druck
  • Angst vor Versagen – In dem Moment, in dem Menschen ihre Geschichte erzählen, geht es ihnen gut, sie haben etwas geschafft, bewältigt, überlebt, überstanden. Doch, was ist, wenn es ihnen wieder schlechter geht? Was, wenn die positive Botschaft in der Geschichte an Wahrheit verliert? Ist der Weg zu der Organisation, die einmal geholfen hat, dann versperrt, wenn man doch inzwischen der Held einer Geschichte ist?

Wie gelingt der Spagat?

Astrid hat in ihrem Vortrag einige Antworten auf diese Probleme gegeben, wie der Spagat zwischen den verschiedenen Interessen und Bedürfnissen gelingen kann. Das Story-Atelier Köln sieht sich ganz klar in der Verantwortung die Erzählenden zu befähigen und zu empowern. Sie sind von Anfang bis Ende Teil des Prozesses und werden umfassend informiert und beraten.

Einige weitere wichtige Punkte dazu als Stichworte:

  • Leitprinzip „Do no harm“
  • klare Richtlinien, Verhaltenskodex
  • ausführliche Einverständniserklärung mit Aufklärung, vor und nach dem Prozess
  • Aufklärung wie im Anschluss mit Journalisten umgegangen werden kann.
  • Eine Partnerschaft auf Augenhöhe zwischen den Verantwortlichen, den Prozessbegleitenden und Erzählenden.
  • Die Erzählenden bleiben bis zum Schluss eingebunden.
  • Vertrauen in die Erzählenden haben und ihnen Tools in die Hand geben ihre Geschichte zu erzählen.

Das Story-Atelier Köln macht seine Grundprinzipien und den ethischen Kodex transparent.

Fazit

Wir brauchen vielfältige Geschichten!

Noch eine Empfehlung für ein Storytelling-Projekt: „Wir haben mehr gemeinsam, als wir denken. #wirgemeinsam“ von der Aktion Mensch. (Link zur Youtube-Playliste)

Oral History

Eine andere Form des Storytelling ist „Oral History“.

Ein aktuelles Beispiel ist die Netflix Doku „November 13“. In drei Teilen berichten Augenzeugen, wie sie 2015 die Anschläge in Paris überlebt haben. Bereits der kurze Bericht im Radio bei 1-Live ging mir nahe. Weitere Informationen zum Projekt bei „Der Tagesspiegel“.


Dieser Bericht basiert auf meinen Notizen, die ich mir während dem Seminar gemacht habe, ergänzt durch zusätzliche Recherche zu einzelnen Stichworten, die eingebundenen Videos basieren auf den Empfehlungen von Astrid Nierhoff. Der Beitrag hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es sind die Punkte, die für mich persönlich wichtig waren. Andere sind eventuell mit anderen Fragen in den Vortrag gegangen … it´s a single Story. für weitere Informationen und Fragen verweise ich daher gerne auf die Seite des Story-Atelier Köln (Twitter, Facebook). 

WIR SCHAFFEN RÄUME FÜR MENSCHEN UND IHRE AUTHENTISCHEN GESCHICHTEN MIT DEM ZIEL BARRIEREN ABZUBAUEN, ZUSAMMENARBEIT ZU STÄRKEN UND PERSÖNLICHE POTENZIALE ZU FÖRDERN. LEG MIT UNS HAND AN DEINE GESCHICHTE!“  (Mélina & Astrid)