Eine perfekte Welt. Du akzeptierst die Regeln, befolgst sie, lebst sie.
Doch dann wird jemand aus deinem Bekanntenkreis verhaftet, weil er fehlerhaft ist.
Ist das gerecht?
Ist das Teil einer perfekten Welt?
Oder wünschst du dir die Person wäre gewarnt gewesen?
Hättest du gerne eine Ausnahme?
Bedeutet eine Ausnahme Chaos? Zerstörung der Perfektion?
Was passiert, wenn du selbst in eine Situation kommst in der du entscheiden musst? Wie würdest du dich entscheide? Nach den Gesetzen des Systems oder deinem eigenen moralischen Gefühl folgen?
Das Streben nach Sicherheit
Unsre eigene Realität ist weit entfernt von Perfektion. Immer wieder ist da diese starke Angst vor Terror, vor einer Bedrohung, die plötzlich und unerwartet zuschlagen kann. Zunächst war die Bedrohung weit weg – der 11. September in den USA, schrecklich, aber es war nicht bei uns.
Die Anschläge in Paris und Brüssel und viele andere ereigneten sich hier in Europa, bei uns um die Ecke. Viele von uns waren schon dort gewesen, kennen vielleicht persönlich Menschen, die dort leben.
Die Situation bei uns, Silvester 2016 in Köln, Weihnachtsmarkt Berlin 2016, brennende Flüchtlingsheime … Ihr könnt die Liste beliebig fortsetzen.
Was passiert jedes Mal?
ANGST
Schrei nach mehr Sicherheit.
Silvester 2017 – mehr Sicherheit, aber dann doch Kritik an den Polizisten. Verunsicherung.
Was ist wirklich passiert? Wer hat hier Fehler gemacht?
Wir suchen nach den Schuldigen, den Verantwortlichen.
Wir wollen Schlimmes verhindern.
Doch wie soll das funktionieren, welchen Preis sind wir bereit dafür zu zahlen?
Wie gehen wir mit Fehlern um?
Wir alle sind Menschen, wir alle machen Fehler.
Es gibt kleine Fehler, die niemandem schaden. Es gibt Fehler, für die kann man sich entschuldigen. Es gibt Fehler, die nicht hätten begangen werden dürfen.
Gibt es unverzeihliche Fehler?
Was ist eigentlich ein Fehler?
Der Duden sagt hierzu folgendes:
- etwas, was falsch ist, vom Richtigen abweicht; Unrichtigkeit
- irrtümliche Entscheidung, Maßnahme; Fehlgriff
- schlechte Eigenschaft, Mangel
- Stelle an einer hergestellten Ware, die nicht so ist, wie sie sein müsste
Bei der ersten Definition klingelt bei mir doch gleich das vertraute Zitat:
Irren ist menschlich. – Errare humanum est (Seneca)
Diese lateinische Weisheit ist inzwischen fest in unserem Sprachgebrauch verankert. Interessant ist die Aussage aber in seiner vollständigen Fassung, die ich im Wiktiornary gefunden habe:
„Errare (Errasse) humanum est, sed in errare (errore) perseverare diabolicum.“ (Hieronymus; Seneca, Epistulae morales VI,57,12; Cicero, Orationes Philippicae 12,2)
„Irren ist menschlich, aber auf Irrtümern zu bestehen ist teuflisch.“
Dies impliziert, dass wir Menschen in der Lage sind Fehler einzusehen und aus ihnen zu lernen. Es in der nächsten ähnlichen Situation besser zu machen.
Es impliziert auch, sich nicht zu sehr auf das fehlerhafte Verhalten eines Menschen zu konzentrieren.
Die zweite Definition, bezieht sich auf Fehler, als schlechte Eigenschaft. Der Fehler ist ein Teil des Menschen.
Bedeutet das, der Mensch kann gar nicht anders, als sich fehlerhaft verhalten?
Determiniert eine schlechte Eigenschaft fehlerhaftes Verhalten?
Fiktion?
An dieser Stelle setzt der Roman „Flawed“ von Cecilia Ahern an. Fehler sind in ihrer Geschichte unverzeihlich. Menschen können als fehlerhaft gebrandmarkt werden.
Sie sind für alle sichtbar als Fehlerhafte erkennbar. Zu ihrem Brandzeichen tragen sie auch eine Armbinde, die sie eindeutig jederzeit in der Öffentlichkeit als fehlerhaft erkennen lässt.
Diese Zeichnungen erinnern mich an die Zeiten der Judenverfolgung, als Juden auch offen Zeichen tragen mussten, die sie als Juden identifizierten.
Es erinnert mich aber auch an die Diskussionen um den Umgang mit Sexualstraftätern. Niemand wünscht mit einem solchen Menschen in der Nachbarschaft zu wohnen. Wie können wir uns vor diesen Menschen schützen?
Menschen die ein solches Verbrechen begangen haben, insbesondere an Kindern, haben in unserer Gesellschaft etwas unverzeihliches getan.
Kann sich ein solcher Mensch ändern? Kann und darf er ein normales Leben führen?
Dies sind große Fragen, die u.a. in der Rechtspsychologie diskutiert werden. Ich habe größten Respekt vor den Kollegen und Kolleginnen, die sich mit Straftätern befassen und bereit sind ihnen zu helfen, wieder ein „normales“ Leben zu führen.
Es kann viele Gründe gegeben haben, warum ein Mensch gehandelt hat wie er gehandelt hat.
Dem Opfer nützt diese Erklärung wenig. Es wird oft gesagt, eine schlechte Kindheit sei keine Entschuldigung für ein Verbrechen.
Gehen wir in Gedanken weg von den Sexualstraftaten. Könnt ihr euch dann verzeihliche Verbrechen vorstellen?
Taten, die vor dem Gesetz verurteilungswürdig wären, aber rein menschlich verständlich und nachvollziehbar?
Der Roman unterscheidet zwischen „Fehlern“ und „Verbrechen“.
Jemand, der zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde, darf anschließend sein Leben normal weiter leben.
Jemand der als fehlerhaft gekennzeichnet wurde, bleibt dies sein Leben lang. Es ist eingebrannt in seine Haut.
Wohin geht es mit uns in Zukunft?
Jemand, der eine Straftat begangen hat, wird bestraft. So funktioniert unser Rechtssystem.
Nach Absitzen der Strafe wird er entlassen und darf wieder sein Leben aufnehmen. In der Realität ist das nicht einfach, aber derjenige hat das Recht dazu.
Jemand, der noch keine Straftat begangen hat, kann aber unter Beobachtung stehen.
Jemand kann ein Risiko sein für die Gesellschaft.
Jemand kann als Risiko gelten und harmlos sein.
Jemand kann zur falschen Zeit am falschen Ort sein.
Das Herkunftsland kann ausreichend sein, um beobachtet zu werden.
Wollen wir die totale Überwachung?
In „Flawed“ ging der Wahn nach Perfektion so weit, dass sogar Menschlichkeit ein Fehler sein kann. Denn es ist ein Fehler einem Fehlerhaften zu helfen.
Oder ist das perfekte System selbst fehlerfrei?
Das Buch
Cecilia Ahern zeigt uns eine Welt, in der wir zum Glück nicht leben müssen. Sie beginnt damit, die Welt als perfekt darzustellen. Zeigt uns eine angepasste Protagonistin, die glücklich ist. Doch dann bricht alles über ihr zusammen. Celestine folgt einmal ihrem Gefühl und das wird ihr zum Verhängnis.
Sie begeht einen Fehler, obwohl sich ihr Handeln so richtig anfühlt.
Wie soll sie sich verhalten? Kann sie der Markierung entgehen? Zu welchem Preis?
Anschaulich erhalten wir einen Blick hinter die Kulissen des Systems, das so gar nicht unseres ist. Dennoch erkenne ich so manche Idee wieder.
Fazit
Lies das Buch.
Du kannst es als wunderbar spannenden Roman lesen.
Du kannst dich aber auch einlassen auf das Gedankenexperiment.
Du kannst ein wenig nachdenken, über Celestines Welt und unsere.
In unserer Welt kannst du noch handeln und mitentscheiden. Gerade dieses Jahr, denn 2017 ist Wahljahr! Nutze dein Wahlrecht!
Bist du noch nicht wahlberechtigt, so darfst du trotzdem eine Meinung haben und mit diskutieren.
Nachdem der Entwurf für den Artikel fertig war, habe ich auf Facebook einen passenden Beitrag entdeckt.
Das Tagebuch der Anne Frank gehört für mich auch auf die Liste der Bücher, die man gelesen haben sollte. Ich habe es gelesen, aber es ist viel zu lange her.
Flawed
Cecilia Ahern
Original: „Flawed“ by Harper Collins, 2016
aus dem Englischen von Christine Strüh und Anna Julia Strüh
Fischer-Verlag
ISBN: 978-3.8414-2235-4