Rückblick
Wieder sind ein paar Monate vergangen. Zuletzt habe ich hier einen sehr positiven Beitrag eingestellt. Ein Beitrag über meinen bewussten Neubeginn.
Und ja, die ersten Monate des Jahres waren toll. Es ging mir endlich mal wieder so richtig gut, ich habe mich wie befreit gefühlt. Eine Zeit in der Körper und Seele sich erholen konnten.
Natürlich waren da immer wieder zwischendurch die Momente der Trauer, aber das gehörte dazu, war in Ordnung.
Rückschlag
Ein kleiner Rückschlag war schon im April, als der Geburtstag von Klaus immer näher kam. Diese besonderen Tage bleiben einfach schwierig.
Doch jetzt im Juni wurde es richtig heftig. Sobald mein Blick auf die 17 im Kalender fiel, kamen mir die Tränen. Nicht nur die Seele hat gelitten, auch der Körper, was sich in heftigen Magenschmerzen gezeigt hat.
Es war anders
Ja, natürlich war es die Trauer, die mich wieder fest im Griff hatte. Heftig wie in erster Zeit. Aber ja, es war Trauer, die ich zwar so nicht wollte, aber trotzdem annehmen konnte. Es war Trauer, die einfach über mich gekommen ist. Es waren keine Tränen, die ich unterdrücken konnte – sie sind einfach gekommen, leider auch in der Öffentlichkeit. (Zur Heuschnupfenzeit kann man das dann ganz gut überspielen.)
Irgendwie ist da plötzlich auch das schlechte Gewissen, das Gefühl nicht soviel Freude in meinem Leben haben zu dürfen, mehr trauern zu müssen. Rational ist mir natürlich vollkommen klar, dass das Blödsinn ist.
Ja, ich weiß, Klaus würde sich für mich freuen, war doch seine größte Sorge, dass ich mich nach seinem Tod verkrieche.
Unerledigtes
Es ist ganz viel wieder hoch gekommen. Nicht nur aus der Zeit der Krankheit und des Sterbens, nein auch aus früheren Zeiten und ich war überrascht, dass da doch noch Unerledigtes schlummert, dem ich mich widmen muss.
Es ist also mal wieder Zeit für einen Brief.
Ja, ich habe ihn geschrieben. Der Brief an Klaus war einfach, seine Antwort ging heute nicht.
Drei Jahre
Unfassbar. Wie kann der Schmerz nach drei Jahren noch so heftig wieder hoch kommen?
Ja, ich glaube ich kenne die Antwort. Da steht gerade extrem dieses „nie wieder“ im Raum.
Ein Beispiel dazu: Ich war mit einer Freundin ein paar Tage weg. Ja, es war ok, aber es war nicht optimal. Da sind jetzt vor allem die Erinnerungen an unsere zahlreichen gemeinsamen Reisen hochgekommen. Nie wieder werde ich zum Beispiel die Möglichkeit haben solche Rundreisen zu machen, Gegenden mit dem Auto so entdecken, wie wir es getan haben. Andere reisen gerade an Orte, wo sie gemeinsam mit dem verstorbenen Mann waren, für mich wäre das – zumindest jetzt noch – tabu, das würde über meine Kräfte gehen.
Und ja, wahrscheinlich werde ich nie diese Schiffsreise durch Norwegen machen, die wir als letzte tolle Reise gemeinsam geplant hatten.
Aber auch abgesehen von den Reisen ist da soviel „nie wieder“.
Zum Glück ist mein verrückter Plan für heute gescheitert. Wir hatten die Idee für einen Weinpatengutschein als Geschenk für meinen Vater. Ich hatte geplant dafür ausgerechnet heute nach Bad Neuenahr zu fahren, um den zu kaufen. Da haben wir kurz vor seinem Tod noch ein paar Tage gemeinsam verbracht und ich hätte dazu auch noch zu einem ehemaligen Kunden von Klaus gemusst …
Das hätte mich ganz bestimmt verdammt an meine Grenzen gebracht, aber nach dem Motto: heute geht es dir eh schlecht…
Was so sehr fehlt
Da ist er einfach nicht mehr, dieser Mensch, der mich fast 40 Jahre begleitet hat. Da ist keine Nähe mehr, keine Zärtlichkeit. Da ist keiner vor Ort mit dem man die Nachrichten oder den Spielfilm diskutieren kann, dem man erzählen kann, was einem draußen begegnet ist, der einem Rat und Unterstützung geben kann. Alles alleine regeln und entscheiden zu müssen kann manchmal so mühsam, so kräftezehrend sind.
Und dann sind es diese Kleinigkeiten. Ausgerechnet heute stand ich unter der Dusche und hatte vorher vergessen, mir ein frisches Handtuch zu holen …
Da ist, was mir jetzt in den letzten Wochen erst bewusst geworden ist, trotz der vielen tollen neuen Kontakte irgendwie auch eine innere Einsamkeit in mir.
Der 17. Juni 2023
Ich habe mich in diesem Jahr – eben weil es mir die letzten Tage so schlecht ging – entschieden, den Tag alleine zu verbringen. Meine Tochter und meine Enkelin sind zum Mausoleum gefahren und darüber freue ich mich. Ich hätte das heute einfach nicht gekonnt und das in Ordnung so.
Ich bin weinend aufgewacht, wollte erst auch gar nicht aufstehen, aber ich hatte zum Glück so einiges zu tun. Auf meinem Handy finde ich dann eine liebe Nachricht von meinem Bruder. Es rührt mich, dass er an den Tag gedacht hat und in Gedanken bei uns ist.
Meine Aufgaben: Das Kirchenblatt ist gestern gekommen und wollte von mir ausgetragen werden und das habe ich wegen der Hitze gleich in der Frühe gemacht.
Da war einiges für meinen Chor zu erledigen und das waren zum Glück schöne Aufgaben. Da war ein spannendes Buch, das ich entspannt im Schatten lesen konnte und vor allem war da bewusste Zeit, in der ich mich meiner Trauer und meinen Erinnerungen gestellt habe.
Ausblick
Ich bin mir sicher, dass es mir ab morgen (nicht nur, weil ich den Tag mit meiner Familie verbringen werde) besser gehen wird, auch wenn es insgesamt sicher noch ein paar Tage dauert. Aber der Tag, der dann nicht so schlimm war wie die Zeit vorher, ist dann geschafft.
Und tja, dann bin ich wieder an dem Punkt, die Leere in meinem Leben zu füllen. Ohne Druck und ganz in Ruhe.
Ich kann es mir einfach nicht einfach nur gut gehen lassen.
Warum ich heute nochmal hier schreibe
Vielleicht, um zu zeigen wie nah Neubeginn und Schmerz doch beieinander liegen. Ich habe so Vieles begonnen, was ich in meiner Ehe nicht gemacht habe und auch nie gemacht hätte. Dafür ist da auch so Vieles, was nie wieder sein wird und schmerzt.
Die Trauer endet auch nach drei Jahren nicht. Der Schmerz wird weniger, seltener, aber man muss immer damit rechnen, dass er auch ganz unerwartet plötzlich und vor allem auch nochmal unerwartet heftig hoch kommt und seine Zeit fordert.
Vor allem aber, klärt sich für mich immer einiges beim Schreiben. Schreiben in der Trauer war für mich schon immer ein guter Weg und so war es auch heute.