Und plötzlich ist man ungewollt Single und steht neben der Trauer vor neuen Herausforderungen. Durch das Alleinsein ist vieles anders. Doch ich denke, als Witwe unterscheidet man sich trotzdem von den anderen, die auch ungewollt Single sind. Von denen, die verzweifelt auf der Suche nach einem Partner sind, von denen, die die Einsamkeit vielleicht noch mehr spüren, weil die Liebe in ihrem Leben fehlt und vielleicht nie wirklich gewesen ist.
Wir sind trotz allem irgendwie noch eingehüllt in unsere Liebe. Uns fehlt nicht irgendwer, uns fehlt konkret genau diese eine Person, die trotz allem aber ja noch irgendwo bei uns ist. Wir durften die Liebe erleben und können da vielleicht noch eine Weile von zehren, können Kraft daraus schöpfen, geliebt worden zu sein.
Trotzdem stehen wir alle vor denselben praktischen Problemen.
Die Waschmaschine wird nicht mehr voll, der Einkauf wird schwieriger und die Aufgaben, die bisher der Partner übernommen hat, muss man jetzt übernehmen. Mir fehlt jetzt oft der Handwerker im Haus. Für manche fehlt auch der Buchhalter, der Steuerexperte und und und. Man muss sein Leben jetzt alleine bewältigen. Daran muss man sich erst einmal gewöhnen und das in dieser Ausnahmesituation. Keine leichte Aufgabe.
Der Einkauf
Das war jetzt tatsächlich für mich schwierig geworden und dabei war das nun nicht mehr vorhandene Auto das kleinste Problem.
Fast automatisch wollten immer wieder Lebensmittel, die Klaus geliebt hat und die ich jetzt nicht mehr brauchte im Einkaufswagen landen. Vor allem Sahne, die immer im Hause sein musste und das kann ich auch bis heute noch nicht ganz ablegen. Was früher nie passiert wäre, kommt jetzt leider vor, Sahne läuft bei mir – zum Glück nur vereinzelt – tatsächlich schonmal ab. Allerdings merke ich das dann so gerade noch rechtzeitig und verwende sie irgendwie noch.
Die normalen Mengen von sonst sind jetzt einfach zuviel. Ich brauche kleinere Packungen, Einheiten. Teilweise schwierig z.B. bei der Mayonnaise. Es gibt da eine Sorte, die wir immer besonders gerne mochten, aber die ist halt in einer großen Tube. Ich habe schon Verschiedene ausprobiert, geschmeckt haben mir die Inhalte der kleinen Packungen aber nicht. Doof.
Teilweise kann das aber auch ein Vorteil für die Umwelt sein, da man bei Obst/Gemüse jetzt eher zur losen Ware greift, wie beispielsweise bei Champignons. Eine Handvoll reicht mir, ich benötige keine ganze Packung mehr.
Kochen und Essen
Zu sagen „ich habe es genossen“, wäre vielleicht etwas übertrieben, aber doch, in gewisser Weise stimmt es. Ich brauchte jetzt keine Schonkost mehr zu kochen, sondern konnte endlich wieder Pfeffer und Zwiebeln verwenden. In der ersten Zeit gab es fast ausschließlich herzhaftes Gemüse, was Klaus entweder nicht mochte oder nicht essen konnte.
Allerdings gab es auch die Gerichte oder Zutaten, die ich jetzt einfach nicht mehr essen konnte, weil die Verbindung zu Klaus dabei zu groß war.
Mir tut jetzt noch meine arme Mama leid, die mir bei meinem Besuch etwas Gutes tun wollte und mir Tafelspitz gekocht hat. Leider gab es dazu nicht die von mir geliebte Merrettichsauce sondern Sauce Bernaise, die Ersatzsauce für Klaus. Weinend bin ich vom Tisch aufgestanden, die Sauce konnte ich einfach nicht essen. Sorry, Mama. Aber sie hat es dann verstanden und ihr tat es sehr leid.
Auch heute gibt es noch Gerichte, die ich meide. Das Gefühl, nie wieder Creme brullée – Klaus Lieblingsnachspeise – machen zu können, ist immer noch da und wird mich sicher noch lange begleiten.
Das Problem der Portionengröße habe ich nach wie vor und daher auch schon einiges zugenommen. Ich finde es unglaublich schwierig für nur eine Person zu kochen und dabei genau die Menge zu erzielen, die passt, um satt, aber nicht voll gestopft zu sein.
Der Handwerker
Ja, auch das ist ein Problem. Klaus hat sich da Vieles angeeignet, auch wenn er in den letzten Monaten nicht mehr die Kraft hatte, handwerklich etwas zu machen.
Ich durfte nie auch nur einen Nagel einschlagen, obwohl ich das natürlich trotzdem mal gemacht hatte. Nun stand ich da mit einem sanierungsbedürftigen Haus und einer Situation, in der Handwerker kaum zu kriegen waren. Es gab da zwar sehr nette handwerklich begabte Nachbarn, die mir auch Hilfe angeboten hatten, aber Hilfe annehmen und ich, das passte nicht so gut. Ein paar mal konnte ich doch über meinen Schatten springen und ja, sie waren dann auch gerne für mich da.
Nie durfte ich mein Fahrrad aufpumpen, auch eine Aufgabe, bei der ich aktuell noch versage und mir dabei so entsetzlich blöd vorkomme.
Zum Glück konnten Klaus und ich uns vorbereiten, weil wir wussten, dass der Tag X schneller als gedacht kommen würde und einige technische Dinge konnte er mir so vorher noch zeigen. Das Wasserauffüllen der Heizung, den Umgang mit dem Kaminofen und dem Fernseher, der durch die angeschlossene Sound/DVD Anlage und den Freenetreceiver schon kompliziert war.
Seine Aufgaben
Ja, ich habe es geliebt am gemütlichen Feuer zu sitzen, aber puuuh, was für eine Arbeit. Klaus hat sicher da oben geschimpft, weil ich oft bequem geschummelt habe. Sorry, ja, ich habe nicht jedes Mal die Glasscheiben vorher sauber gemacht, wie es eigentlich auf dem `ToDoPlan´ stand. Klaus hat das Kaminanzünden bis zuletzt zelebriert.
Und tja, eigentlich fand ich es gut, jetzt Herrin der Fernbedienung zu sein. Meist hat Klaus entschieden, was wir abends geguckt haben. Nur ab und zu habe ich mich eingemischt, wenn mich etwas dringend interessiert hat. Ich hatte mich damit abgefunden, dass es meist seine Krimiserien waren, auf die seine Wahl fiel.
Heute finde ich es ganz schön anstrengend alle Programme zu lesen und oft schalte ich dann ab, weil ich mich mal wieder für Blödsinn entschieden habe. War doch nicht so falsch, dass er das übernommen hatte.
Schlimm für mich ist jetzt auch die Aufgabe, das Leergut zurückzubringen. Ich hasse das wirklich, habe da keine Geduld für und dementsprechend streikt der Automat dann ständig. Wo sind die Flaschensammler, wenn ich das Leergut dabei habe? Aber immerhin gehe ich jetzt – nachdem ich ja keine andere Wahl habe – immer brav und zeitnah zum Glascontainer, auch nicht gerade meine Lieblingsaufgabe.
Die Buchhaltung. Listen führen war ganz sein Ding, hatte er von seinem Vater. Es gibt gefühlt nichts, über das er keine Listen geführt hat. Mein Ding ist das nun wieder so ganz und gar nicht, aber ja, einen Überblick über meine Ausgaben zu behalten erscheint mir wichtig, von daher habe ich das übernommen und kriege das auch einigermaßen, wenn auch nicht unbedingt so ordentlich, hin.
Die Liste wie oft ich mein Monatsticket nutze, habe ich inzwischen eingestellt. Es schien sich zu lohnen. Ja, es ist teuer, aber es ist gut und wichtig, dass ich es habe also abgehakt und Punkt.
Überweisungen. Da fehlt Klaus mir auch sehr. Er war der jenige, der immer mit viel Geduld die Kontonummern/Rechnungsnummern diktiert hat, weil ich diese schlecht lesen konnte. Inzwischen sind meine Augen zwar operiert, zu Zweit wäre das aber immer noch bequemer.
Klaus war auch der Freizeitplaner bei uns, war der, der die Ideen hatte, was wir unternehmen könnten. Nun gab es Sonntage, wo ich so lange hin und her überlegt habe, was ich denn mal machen sollte, bis es zu spät und der Tag vorbei war.
Auch was den Urlaub anging, war er der Vorreiter. Er hatte die Ideen, wo es sich lohnen würde hinzufahren, ich war dann die, die das Hotel oder die Ferienwohnung (in stundenlanger Kleinarbeit) ausgewählt hat. Da waren wir ein richtig gutes Team. Ja, so irgendwie kommt langsam Sehnsucht auf nach Urlaub, aber ohne Klaus? Ich weiß noch nicht.
Das Alleinsein
Das Alleinsein ist sicher die größte Aufgabe für alle. Ich bin zum ersten Mal allein. Nach der Schule habe ich zwar woanders eine Ausbildung begonnen und da auch gewohnt, aber immer in einer Wohngemeinschaft mit Kollegen. Nach bestandener Prüfung habe ich dann meinen Klaus geheiratet und kenne das Singleleben daher nicht.
Aber ja, ich kann Alleinsein, kann mich beschäftigen, finde das teilweise sogar schön. Trotzdem habe ich mich natürlich besonders in der ersten Trauerphase und unter Coronabedingungen oft einsam gefühlt.
Es hat allerdings auch schon was, seinen Tagesrhythmus selber bestimmen zu können. Nach Lust und Laune aufstehen und schlafen gehen, essen, wann man hungrig ist, das spannende Buch so lange lesen, wie man mag … Keine Rücksicht auf den Partner nehmen müssen, aber ja, ich gebe zu, eigentlich ist das Schönrederei. Ich würde viel lieber noch mal Rücksicht nehmen können … Rücksicht auf Klaus, nicht auf einen anderen Mann, das ist für mich kein Thema.
Den Alltag neu erfinden
Man hat keine andere Wahl, man muss seinen Alltag neu erfinden. Man muss die Aufgaben des Partners mit übernehmen, muss sein Leben leben, sein Leben als ungewollter Single. Man muss sich vernetzen, muss Situationen planen, vorbereiten, die kommen könnten und wo man Hilfe braucht. Wer bekommt einen Schlüssel für die Wohnung, wer eine Patientenverfügung? Wer kann im Notfall für einen einkaufen?
Es geht, es spielt sich ein, man wächst mit seinen Aufgaben und ja, das Leben als Single kann auch schön sein.
Ich bin umgezogen, habe neue Kontakte geknüpft, bin jetzt in einem Chor, mache LineDance, bin ehrenamtlich tätig. Meine Woche ist ausgefüllt und so kann ich die ruhigen Tage zwischendurch auch meist genießen. Trotzdem sind da natürlich immer wieder die Stunden, wo sich alles in mir aufbäumt, ich das alles nicht will, wo ich einfach nur mein altes Leben zurück haben möchte.
Alleinsein bedeutet nicht zwangsläufig einsam. Die Tage habe ich einen interessanten Artikel zu diesem Thema gelesen: Alleinsein heißt nicht einsam sein , den ich euch hier mal verlinkt habe.
In der nächsten Woche erzähle ich euch dann, wie und warum mein persönliches Kartenhaus eingestürzt ist.