Connect ~ Julian Gough
Connect ~ Julian Gough

Dieser Roman wird ihre Sicht auf die Welt radikal verändern.

Zitat der Sunday Times auf dem Klappentext des Buches.

NEIN!

Meine Sicht auf die Welt ist dieselbe. Es gibt schlimme Dinge in dieser Welt und es gibt fiese Bücher, die ich lieber nicht lese. Dieses ist eines davon, allerdings habe ich es gelesen …

Es war stellenweise interessant und spannend, aber auch abstoßend und mir fehlt der versprochene Aha-Effekt, die neuen Erkenntnisse, die ich über die Welt erhalte. Dagegen erhalte ich Einblicke in sexuelle Phantasien, die ich nicht lesen wollte.

Ein Weltbild

Das Universum ist lebendig und wir Menschen sind vergleichbar mit winzigen Blutkörperchen. Eine Metapher? Ein Weltbild?

Aber alles ist eine Metapher. Religion, Kunst, sie alle sind nur Möglichkeiten, um die Realität zu beschreiben, und jede Beschreibung der Realität ist massiv komprimiert und geht mit einem fast vollständigen Verlust an Informationen einher.

Connect, Julian Gough, Seite 161

Ein lebendiger Organismus mit Blutkörperchen braucht ein Immunsystem, dieses muss sich erst einmal entwickeln, braucht einen Ursprung. Der Ursprung des Immunsystems für die Erde ist ein Wissenschaftler des Militärs, ein Biologe. Er startet es, ohne Notausschaltsystem …

Klingt absurd? Das Model konnte mich im Roman auch weder von der Idee her noch der Entwicklung überzeugen. Die Entwicklung spielt in auf künstliche Intelligenzen an, auf autonome Systeme, netter Ansatz, aber zu oft hatte ich beim Lesen den Eindruck, dass den Ideen jegliche logische Basis fehlt.

Naomis Forschungen basieren unter anderem auf ihren Erkenntnissen über Barbarie-Enten, welche sich evolutionär durch Vergewaltigung und Entwicklung komplexer weiblicher Geschlechtsorgane als Schutz selbst eliminiert haben. Das klang so verrückt, dass ich es prüfen wollte. Barbarie-Enten gelten als Delikatesse, das ist alles, was ich herausgefunden habe. Allerdings sind die Weibchen tatsächlich winzig im Vergleich zu den Männchen …

Die Figuren, Sohn, Mutter und Vater mit ihren Problemen sollen vielleicht ablenken, verschleiern. Ich weiß es nicht …

Die Metaebene der Geschichte ist interessant, denn genau so betrachte ich Geschichten, als Gedankenexperimente der Wirklichkeit. Mein Deutschlehrer sagte einmal, eine Geschichte sei wahr, wenn sie genau so wirklich passiert sein könnte. (Ich glaube er hat jemanden zitiert.)

Eine Geschichte ist nichts anderes als ein Programm, Instruktionen. Die dich auf die große Veränderung vorbereiten.

Der Typ, der das schreibt, ist nur ein wenig früh dran, das ist alles. Wie ein Schmetterling , der im Winter aufwacht.

Connect, Julian Gough, Seite 183

Menschen und die Welt reparieren

Während das Immunsystem die Welt in Ordnung bringen soll – Frieden ermöglichen, indem Bedrohungen ausgeschaltet werden, gibt es in der Geschichte eine weitere Ebene der Reparatur.

Diskutiert wird ein neuartiger biotechnischer Ansatz, der sowohl körperliche als auch psychisch Menschen reparieren könnte. Gliedmaßen nachwachsen lassen, aber auch auf neurologischer Ebene Zellen wachsen lassen.

Dilemma der Wissenschaft

Spannend an diesem Szenario finde ich das Dilemma der Wissenschaft. Colts Mutter ist Wissenschaftlerin, forscht mit dem Ziel zu helfen. Als Colt ihre Ergebnisse weiter leitet, ist sie bereit auf einer Konferenz über ihre Erkenntnisse zu sprechen, sie mit der Wissenschaft zu teilen. Doch wie es so häufig ist, können wissenschaftliche Erkenntnisse, nicht nur für heilende Zwecke eingesetzt werden, auch für militärische zerstörerische Zwecke. Beispielsweise könnten Gliedmaßen auf dem Schlachtfeld ersetzt werden und Soldaten so unverwundbar gemacht werden … Der andere Aspekt ist, die Möglichkeit Menschen zu verändern, so wie Colt sich selbst verändert …

Neuro-atypischer Protagonist

Julian Gough erwähnt an keiner Stelle des Romans Colts Diagnose. Gegen Ende zieht Colt den Vergleich zu Neurotypen, was ihn zu einem neuro-atypischen Protagonisten macht, vielleicht zu jemandem aus dem Autismus Spektrum, vielleicht zu einem Savant?

Er wird im Buch nicht ein einziges Mal als Autist bezeichnet, aber in allen Rezensionen, die ich bisher gelesen habe. Sein Charakter entspricht einem Prototypen, wie ich mir selbst einmal Autisten vorgestellt habe, bevor ich mich intensiver mit dem Thema befasst und vor allem bevor ich überhaupt einen einzigen getroffen hatte. Eventuell liegt hier auch ein ähnlicher Effekt wie bei dem Film Rainman vor, den ich nie gesehen habe. Alle halten Rainman für einen Autisten, dabei basiert seine Figur auf einem Savant. Für Nichtbetroffene ein vernachlässigbarer Unterschied.

Es gibt nicht den einen Autisten und ich denke das solche Extrem-Darstellungen von Typen der Aufklärungsbewegung über das Autismus Spektrum und andere tiefgreifende Entwicklungsstörungen eher schaden als helfen.

Wäre es nur die Darstellung einer Figur würde es mich weniger stören. Schlimmer noch finde ich das Streben danach Colt zu reparieren.

Colt lebt zurückgezogen in einer Gamerwelt, mit Logik kommt er gut klar, mit Menschen nicht.

Seine Mutter ist seine einzige persönliche Kontaktperson. Er ist hochintelligent, versteht ihre komplexe Forschung und kann sich auch in diese einmischen … sie auf sich selbst anwenden … Ein Genie mit sozialem Defekt (Allein diesen Satz so stehen zu lassen widerstrebt mir, aber das ist das Bild, welches Colt darstellt.)

Die Erklärung für diesen Defekt ist ein dünnes Corpus Callosum, ein Symptom des Savant-Syndroms. Neurologische Ursachen können doch theoretisch auch repariert werden, oder? Aber sollten sie das auch?

Es entsteht beim Lesen der starke Eindruck, dass Colt massiv darunter leidet, andere Menschen nicht zu verstehen. Er begegnet tatsächlich einer anderen Person, die ähnliche Probleme zu haben scheint, allerdings gelernt hat mit sozialen Situationen umzugehen … Sie fühlt sich wohl bei ihm, scheint aber nicht unter einem „Defekt zu leiden“.

Ich komme mit Menschen nicht so gut zurecht. Aber mit dir komme ich ziemlich gut zurecht.

ihre Worte, Connect, Julian Gough, Seite 139

Tatsächlich verändern die Reparaturen Colt, ermöglichen ihm einerseits übermenschliches, andererseits kann er auch besser Humor und Gefühle verstehen.

Kaputte Figuren in einer kaputten Welt

Nicht nur Colt wird als kaputt dargestellt, auch seine Eltern, die schon seit Jahren getrennt sind.

Seine Mutter hat psychische Probleme, die einen Zusammenhang zu ihrer Kindheit haben, auch die Probleme des Vaters werden mit seiner Kindheit erklärt. Freud lässt grüßen.

Entsprechend stand ihre Beziehung natürlich auf einer schwierigen Basis, es wird hinterfragt, ob es wirklich Liebe zwischen ihnen war und vielleicht noch ist …

Es ist alles so klischeehaft und ich mag mich gar nicht tiefer damit befassen. Womit ich mich auf gar keinen Fall befassen wollte, war ihre Sexualität, aber leider nimmt diese einen großen Raum im Roman ein …

Offenbar steckt hinter dem Label Techno-Thriller ein Psycho-Thriller, auch wenn wir es mit keinem Psychopathen zu tun haben. Ich kenne mich im Thriller-Genre nicht aus …


Das Buch wurde mir vom Bloggerportale zur Verfügung gestellt. Link zur Verlagsseite mit Leseprobe.

Connect
Julian Cough
übersetzt von Karl-Heinz Ebnet
C. Bertlesmann, 2019
ISBN: 978-3-570-10297-8