Der Bücherschrank

Anfang September war mein Mann ein paar Tage in Aachen. Am letzten Tag hatte er vor der Rückreise noch ein wenig Zeit und ich bat ihn, mir ein Buch aus einem Bücherschrank mitzubringen. Er wollte es versuchen, musste aber feststellen, dass in direkter Nähe zum Dom keiner zu finden war. Fußläufig war dann aber doch einer in einem Park zu erreichen.

Bücherschrank in Aachen

Bücherschrank in Aachen

Mit viel Liebe hat er mir einen kleinen Schatz mit nach Hause gebracht, den ich auch ganz schnell über das Wochenende ausgelesen habe. 🙂

Die Autorin Eva Heríková

Mitgebracht hat mein Mann mir den Debütroman der tschechischen Schriftstellerin Iva Heríková „Fünf Mädchen am Hals“. Der Titel klingt seltsam, das Buch ist wunderbar. Es ist 1967 sogar verfilmt worden.

Die Originalausgabe erschien 1966 in Prag unter dem Titel „Pět holek na krku“ und wurde im Wettbewerb „Bücher für die Jugend des Atomzeitalters“ ausgezeichnet. In Deutschland erschien das Buch 1974. Die beiden Folgebände „Ein Schritt weiter“ und „Alenas zweite Liebe“ sind ebenfalls auf deutsch im Signal-Verlag erschienen. Laut Wikipedia (leider konnte ich keine andere deutschsprachige Quelle finden) hat Iva Heríková viele weitere Bücher geschrieben, die scheinbar nicht in Deutschland erschienen sind.

Leider ist Iva Heríková bereits 2007 im Alter von 71 Jahren in Prag gestorben, wie Radio Prag berichtet.

Die Geschichte  – Mehr als ein einfaches Mädchenbuch

Erzählt wird eine klassische Geschichte über Freundschaft und die erste Liebe: Die fast 14-jährige Alena möchte gerne dazugehören. Die anderen vier Mädchen nutzen sie aus und schließen sie aus. Ein zeitloses Problem, das viele junge Mädchen durchleben.

Dann wäre da noch der „Prinz“, ein interessanter Jungen, den die Mädchen verfolgen …

"5 Mädchen am Hals" von Iva Herícová

„5 Mädchen am Hals“ von Iva Herícová

Auf den ersten Seiten dachte ich noch, es handle sich um eine schöne Geschichte aus den 60-ern, die ein zeitloses Thema behandelt. Es wäre reizvoll die Geschichte in unsere heutige Zeit zu übersetzen. Das wäre es auch nach der Lektüre noch, dennoch würde etwas ganz wichtiges verloren gehen, nämlich die Bühne auf der die Geschichte erzählt wird – Tschechien im Jahre 1966.

Auf dem Buchumschlag findet sich als letzter Satz:

Wichtig an dieser Erzählung ist jedoch nicht nur das Spannungsfeld (Alena und die Mädchenclique), wichtig ist vor allem der gesellschaftliche Hintergrund, der einen Einblick in das heutige Alltagsleben der CSSR gibt.

Betonen möchte ich, dass die vorliegende deutsche Ausgabe 8 Jahre nach dem tschechischen Original erschienen ist.

Alena hat es nicht nur mit einem Zugehörigkeitskonflikt zur Mädchenclique und deren Intrigen zu tun. Sie muss sich auch den gesellschaftlichen Fragen stellen. Die Mädchen beneiden sie um ihre Möglichkeiten. Sie muss sich keine Sorgen um die höhere Schule machen, dank der Stellung ihrer Eltern.

In einem Gespräch spricht Alena mit ihrer Mutter über Wohnungszuteilungen. Sie wundert sich, dass sie selbst ein eigenes Zimmer hat, einen Luxus den die anderen Mädchen nicht genießen. Es haben wohl noch nicht alle, die Wohnung, die sie brauchen. Die Mutter meint, es gehe wohl nicht alles auf einmal. Auf Alenas Feststellung, dass sie selbst aber eine schöne Wohnung haben, erwidert sie:

„Wir tun ja auch etwas für diesen Staat, dein Vater und ich, meinst du nicht?“

Alena stellt daraufhin die Frage, die sie die ganze Zeit beschäftigt hat, etwas was sie von den anderen gehört hat:

„Und sind wir Neureiche?“
Sie konnte sich nicht mehr erinnern, wann die Mutter sie das letzte Mal so angeschaut hatte. Wie einen Feind in den eigenen Reihen, fiel ihr ein.

Alena ist viel auf sich selbst gestellt, da beide Eltern arbeiten. Sie versucht die Dinge auf ihre Art zu regeln, verstrickt sich in Lügengespinste, bestiehlt ihre Eltern, um die anderen Mädchen zu beeindrucken.

Gegen Ende des Romans kommt sie ins Grübeln:

Wieso glaubte sie eigentlich ohne weiteres, daß der Prinz an allem Schuld war? Wieso glaubte sie es schon, ehe sie sich davon überzeugt hatte? Wieso war sie gleich wie die anderen? Wieso ging sie nicht zu ihm und fragte ihn einfach danach? Hatte sie denn nicht mehrmals erlebt, daß die Dinge ganz anders lagen, als es ausgeschaut hatte?

Fazit

Eine wunderschöne Geschichte auf einer grandiosen historischen Bühne gespielt.

Ich würde sehr gerne den Film sehen. Es scheint eine englische Version zu geben, aber ich konnte leider keine Quelle finden, um ihn mir anzusehen.

Die beiden weiteren Bände „Ein Schritt weiter“ und „Alenas zweite Liebe“ mag ich auch sehr gerne lesen, wenn sie mir in die Hände fallen. Mein Mann ist sich sicher, dass sie nicht im Aachener Bücherschrank daneben gestanden haben.

Mein Exemplar der „5 Mädchen am Hals“ geht demnächst wieder in einen Bücherschrank und erfreut hoffentlich bald jemand anderen.

 

5 Mädchen am Hals
Iva Hercíková
aus dem Tschechischen von Martin Schuster
Originaltitel: Pét holek na krku, Albatros Verlag, Prag, 1966
1974, Signal-VErlag, Hans Frevert, Baden-Baden
127 Seiten
ISBN: 3 7971 0129 5