Auf der Suche nach Trauerbüchern bin ich sehr schnell Eva Terhorst als Autorin begegnet. Der Klappentext von „Alleine weiterleben“ hat mich neugierig gemacht und besonders angesprochen. So habe ich mir das Buch gekauft, als mein Mann schon einige Monate tot war.
Der Verlust des Partners, Ehemanns oder Lebensgefährten ist ein Schicksalsschlag. Wenn der geliebte Mann gestorben ist, erschüttert dies Körper, Geist und Seele. Eva Terhorst beschreibt in ihrem neuen Buch, wie Frauen die vielfältigen Herausforderungen nach dem Tod ihres Partners bestehen können. Sie begleitet die Frauen in der Zeit der Umwälzung, gibt Impulse, konkreten Rat sowie Tipps und unterstützt die Witwen mit Affirmationen und Traumreisen.
Alleine weiterleben, Eva Terhorst
So können Frauen ihren heilsamen Weg durch die Trauer finden.
Meine erste Reaktion, nachdem ich das Buch zum ersten Mal gelesen hatte war: „Das hätte ich früher lesen sollen.“ Für mich ein Buch, das man insbesondere wegen der praktischen Tipps unmittelbar nach dem Verlust des Herzensmenschen bräuchte. Nur hier liegt das Problem – da denkt man meist noch nicht über Trauerbücher nach.
Doch der Reihe nach.
Zum Inhalt
Das Buch richtet sich nicht allgemein an Trauernde, sondern speziell an Witwen, bzw. an Frauen, die ihren Partner durch den Tod verloren haben. Es ist sehr vielfältig und greift auf seinen 160 Seiten viele verschiedene Themen auf.
Es holt uns zunächst auf der Gefühlsebene ab, so dass man sich angenommen und verstanden fühlt. Dann folgt ein Kapitel, indem es um die körperlichen Auswirkungen der Trauer geht.
Weiter geht es mit den praktischen Dingen, den vielen Aufgaben, die jetzt zu bewältigen sind. Es folgt ein Kapitel, das sich mit trauernden Kindern befasst, danach kommt ein Rückblick auf die letzten Momente, aber auch auf die weitere gemeinsame Vergangenheit, indem es auch um alte Wunden und den Umgang damit geht.
Ungewöhnlich das darauf folgende Kapitel „Exfrauen und Geheimnisse“. Dieses Thema ist mir so in keinem anderen Trauerbuch begegnet.
Das letzte Drittel des Buches beschäftigt sich dann mit dem Blick nach vorne. „Veränderung aushalten und gestalten“, „Die Liebe weiterleben und die Erinnerung pflegen“ bis hin zu „Eine neue Liebe“. Es endet dann mit Tipps zu speziellen Angeboten für Witwen und einer Liste von Literaturempfehlungen.
Was das Buch allerdings ganz besonders macht, sind die Traumreisen, die man lesen, sich aber auch zum Hören kostenlos herunterladen kann.
Die Traumreisen
Ich mag Traumreisen, aber diese sind schon sehr speziell und waren nicht so ganz meins. Gar nicht klar kam ich mit der Traumreise „Begegnung im Park“, einer Traumreise, bei der man dem Verstorbenen begegnen und mit ihm sprechen kann.
Ich weiß aber von anderen Trauernden, dass sie gerade diese Traumreise lieben und als sehr hilfreich empfinden. Das muss halt jede für sich persönlich heraus finden.
Die Traumreise „Wenn die Sehnsucht zu groß wird“ finde ich jedoch sehr schön.
Gut gefallen hat mir auch die Traumreise für Kinder „Dein Papa bleibt immer in deinem Herzen“ und ich glaube, dass diese wirklich hilfreich sein kann. Schön auch die Empfehlung sie erst einmal gemeinsam mit dem Kind zu hören.
Mein Eindruck
Zunächst gefällt mir der Untertitel „Den heilsamen Weg der Trauer finden“, das ist ja genau das, was wir uns wünschen.
Besonders berührt hat mich der innenliegende Klappentext. Hier habe ich mich in jedem Satz wieder gefunden. Damit hatte Eva Terhorst es etwas schwer mit mir, hatte es schwer, die hier geweckte Erwartung zu erfüllen.
Sehr gut auch der Aufbau und die Einteilung. Gelungen die einzelnen Kapitelüberschriften, dank denen man ganz schnell findet, welchen Abschnitt man gerade braucht.
Ein Buch, das man nicht am Stück lesen muss, sondern indem man gleich zu dem Kapitel springen kann, das einen gerade anspricht. Auch wieder ein Buch, bei dem man sich verstanden fühlt, wobei es mir stellenweise etwas zu emotional war.
Besonders gut fand ich das Kapitel „Herzbewegungen“ und hier vor allem den Abschnitt „alte Wunden“. Verstorbene werden ja oft verherrlicht, aber es gibt sie wohl bei den meisten, diese alten Verletzungen. Hierzu gibt es hilfreiche Hinweise zum Umgang damit.
Klasse fand ich auch den Abschnitt, der sich mit Reaktionen aus dem Umfeld befasst und uns Tipps gibt, wie man hiermit umgehen könnte.
„Wie geht es dir?“, erscheint den meisten Menschen gegenüber Trauernden als passende Frage, es gibt aber meistens keine passende Antwort darauf, jedenfalls keine, die Sie mal eben so auf der Grillparty geben könnten. Auf diese und alle anderen Fragen können Sie aber immer antworten: „Ich weiß gerade keine Antwort.“ Oder lenken Sie die Aufmerksamkeit von sich selbst ab: „Ach lass uns doch lieber über dich reden.“
Alleine weiterleben, Eva Terhorst
Hilfreich sicher auch der Abschnitt, der sich mit der Trauer bei erwachsenen Kindern befasst und der „Ungleichzeitigkeit der Gefühle“.
Besonders schön, dass Eva Terhorst gegen Ende des Buches in Kapitel 9 noch einmal darauf eingeht, dass wir unseren Verstorbenen nicht loslassen müssen.
Die Liebe endet nicht mit dem Tod, wir müssen unsere Liebe nicht loslassen, sie kann weiterhin unser Herz wärmen, wir können uns von dieser Liebe durch schwere Zeiten tragen lassen und sie darf uns auch in guten Zeiten weiterhin begleiten. Das Wissen darum, dass die Liebe über den Tod hinausreicht, kann unser ganzes weiteres Leben und alles, was darin vorkommt, bereichern.
Alleine weiterleben, Eva Terhorst
Was mich jedoch gestört hat, war das Kapitel „Was im Körper passiert“, das leider schon sehr früh kam. Ja, es ist vielleicht gut, den Hinweis zu bekommen, dass der Basen-Säure-Haushalt durch den emotionalen Stress aus dem Gleichgewicht kommt, aber nein, in der akuten Trauerphase habe ich nicht die Kraft meine Ernährung grundsätzlich umzustellen und zum Vegetarier oder gar Veganer zu werden.
Fazit
„Alleine weiterleben“ ist ein Buch, indem eigentlich jede Frau, deren Partner verstorben ist, etwas finden kann, das sie anspricht und ihr weiterhilft. Ein Buch, das sehr viel Hilfreiches beinhaltet und damit auf jeden Fall sein Geld wert ist. Allerdings zählt es nicht zu meinen persönlichen Lieblingsbüchern.
Nachdem ich meinen Beitrag hier noch einmal lese, frage ich mich selber warum. Wahrscheinlich hat es mit meiner Ablehnung der Traumreisen zu tun. Ganz sicher hatte sie es nach Seite 18 mit ihren rigerosen Ernährungstipps – auch wenn sie selbst schreibt, dass wir hierzu vielleicht gerade nicht Kraft haben – schwer mit mir.
Diese innere Abwehr hat mich dann leider auch durch den Rest des Buches begleitet. Beim zweiten Lesen habe ich dieses Kapitel dann ausgelassen und fand das Buch gleich sehr viel besser.
Ich weiß aber von anderen Trauernden, dass diese gerade die Bücher von Eva Terhorst lieben.
Empfehlen kann ich das Buch auf jeden Fall und das nicht nur für Witwen. Es ist sicher auch interessant für Menschen, die Trauernde in ihrem Umfeld besser verstehen und/oder unterstützen wollen.
Weitere Trauerbücher, die ich hier bereits vorgestellt habe sind: „Trauer hat heilende Kraft“ von Jörg Zink und „Trauernacht und Hoffnungsmorgen“ von Antje Sabine Naegeli
Alleine weiterleben
Eva Terhorst
Verlag Herder, 2018
ISBN 978-3-451-60038-8