In Bonn habe ich inzwischen fast alle Bücherschränke aufgesucht, zum Glück stellt die Bürgerstiftung Bonn noch weitere auf. Am 30.4. wird um 17 Uhr auf dem Klufterplatz in Friesdorf ein neuer eröffnet.
Trotzdem heißt es für mich nach nun drei vollendeten Jahren im Projekt Bücherschrank, gezielter die Auswahl der offenen Bücherschränke zu planen, sonst kommt es doch bald zu einer Doppelung. Eine Liste der bisher aufgesuchten Bücherschränke pflege ich kontinuierlich weiter.
Nach langen Überlegen, wohin ich im Januar noch einen Ausflug machen könnte, wurde ich dann krank und wählte den kostbaren Joker-Schrank. Mein Joker steht in Duisdorf, dem Stadtteil in Bonn, in dem ich zehn Jahre gewohnt habe. Dem dortigen Metzger sind wir nach wie vor treu und so begleitete ich meinen Mann bei zum Glück strahlendem Sonnenschein zu einem kleinen Einkauf – will sagen, er kaufte ein und ich ging den Duisdorfer Esel besuchen …
Zufall oder Auswahl
Als ich im Februar 2016 mit der Idee begann, jeden Monat ein Buch aus einem anderen Bücherschrank zu wählen, überließ ich die Auswahl dem Zufall. Meine Kollegin Sonja hatte viel Spaß dabei mit Hinweise zu geben, ich solle das x. Buch nehmen oder das erste einer bestimmen Farbe. Damit hatte ich unheimlich viel Glück.
Wie viel Glück ich hatte, wurde mir 2018 bewusst, als ich anfing in den offenen Bücherschränken zu stöbern. Ich wollte mit Hilfe dieser Bücher die Aufgaben aus Daggis Buchchallenge lösen. Es steht so einiges in den Schränken, was ich nicht gerne lesen möchte. Bücher in mir unverständlichen Sprachen würde ich in jedem Fall stehen lassen, macht für mich einfach wenig Sinn zu lesen.
Tatsächlich habe ich mich im Januar nicht getraut, die Auswahl völlig dem Zufall zu überlassen und habe im Schrank nach einem Titel gestöbert, der mich ansprach.
Lilith
Kennt ihr die Geschichte über die erste Frau Adams? Irgendwann hatte ich mal davon gehört, war mir dessen aber in dem Moment nicht bewusst, als ich das Buch in den Händen hielt. Hobbit Presse als Verlag und Fantasy klang gut. Es war nicht zu dick, also noch in den wenigen verbleibenden Tagen des Januar zu schaffen. Der Klappentext klang vielversprechend.
MacDonald hat den Leser mit vier oder fünf glücklichen Lesetagen reichlich entschädigt, der Übersetzer Uwe Herms ihm ein großes sprachliches Kunstwerk vermittelt: ein Märchen, das wie alle schönen Märchen trotz seiner rund 350 Seiten viel zu kurz ist.
Auszug aus dem Klappentext von Lilith, Zitat von Hans Jürgen Fröhlich
Es war ein biblisches Märchen, ein Abenteuer wie Alice im Wunderland, mit einer erwachsenen männlichen Alice. Ein junger Mann, waise, die Schule gerade beendet, kehrt heim in sein Elternhaus. Ein seltsames Haus mit einer scheinbar unendlich wachsenden Bibliothek. Eine besondere Überraschung für mich war, dass die Geschichte bereits 1895 erschienen war. Entsprechend verwundert es nicht, dass diese besondere Bibliothek zahlreiche Handschriften enthält. Während der junge Mann so durch sein großes seltsames Haus wandert, findet er einen Weg in eine andere Welt …
Sein
Ein Märchen, eine Geschichte, eine Philosophie. Die zentrale Frage des Lebens: Wer bin ich und warum?
Niemand kann sagen, daß er selbst ist, bis er erstens weiß, daß er ist, und dann, was er selbst ist. Tatsächlich ist niemand er selbst, und er selbst ist niemand
Lilith, Seite 20
Ein Buch kann Fragen stellen, inspirieren, vielleicht auch Antworten anbieten. Doch deine eigene Antwort musst du selbst finden.
Ein Buch (…) ist eine Tür, die nach innen führt, und daher eine Tür, die hinausführt.
Lilith, Seite 53
Es geht um die Tür in dem Haus, die ihn in die andere Welt geführt hat. Und doch geht es um die Tür, sich selbst zu begreifen. Daher die doppeldeutige Spielerei mit hinaus und hinein. Finde deinen Weg, in dem du in dich selbst hineinblickst, dich und deine Ziele, Motive verstehst.
Der Weg zu sich selbst ist kein leichter. Bei der Suche nach uns selbst dürfen wir unsere Mitmenschen nicht aus den Augen verlieren, vor allem nicht diejenigen, die ein Teil von uns sind, weil sie ein Platz in unserem Herzen haben. Sind sie nicht auch ein Teil unseres Selbst, machen uns zu dem, der wir sind?
Fazit zum Buch
Eine bunte, morbide und zugleich lebendige Geschichte. Ich habe sie gerne gelesen, auch wenn sie mir stellenweise ein wenig verrückt anmutete. Die Einflüsse der christilichen Mythologie sind stark, nicht nur in den Figuren, auch in den Werten.
Lilith
George MacDonald
übersetzt von Uwe Herms
Originalausgabe von 1895, Lilith
Hobbit Presse, 1996, 1. Auflage
ISBN: 3-608-87515-8