Kurz vor Weihnachten bekam ich eine Nachricht, mit einer Einladung:

Hast du vielleicht Lust an einem kollaborativen Prozess zu Nachhaltigkeit, Umweltbildung und zukünftigem Lernen teilzunehmen?

Kollaborative Prozesse liebe ich, Lernen der Zukunft ebenfalls und Nachhaltigkeit ist extrem wichtig. Zudem kam die Einladung von Saskia Kutsche. Diese Frau hat eine besondere Fähigkeit Menschen zu begeistern und Dinge umzusetzen. Auf jeden Fall wollte ich dabei sein.

Es sollte bei dem kollaborativen Event um einen Teil der bonNova Vision gehen. Im Rahmen der Neugestaltung der Müllverwertungsanlage (MVA) in Bonn soll dort eben auch ein Kompetenzzentrum entstehen, ein Ort der mehr kann als nur Müll verbrennen. Ich habe Saskia schon öfter über die Vision sprechen hören und bin sehr begeistert von den Ideen. Noch besser finde ich, dass diese Idee nicht von wenigen klugen Köpfen entwickelt und umgesetzt wird, sondern ein Dialog mit möglichst vielen Menschen gesucht wird. Ein Teil davon war die Veranstaltung im Januar 2024, von der ich euch heute erzählen möchte, wie ich sie erlebt habe.

Was ist die MVA?

Jahrelang war es für mich der Ort, an dem der Müll der Stadt landet. Dort wird der Restmüll verbrannt, der Schornstein raucht und wenn ich mal mehr Müll habe, als in die Tonne geht, kann ich hinfahren und die Sachen abgeben. Elektro, Batterien, Papier oder auch Restmüllsäcke nach Renovierung oder Aufräumaktionen.

Ab und an nutze ich die Möglichkeit zum Wertstoffhof an der MVA zu fahren. Dort arbeiten freundliche Männer, die behilflich sind, alles korrekt zu sortieren und auch schon mal mit anpacken und helfen.

Seit ich Saskia auf verschiedenen Barcamps treffe, weiß ich, dass die MVA viel mehr leistet, als meinen Müll zu verwerten. Ich folge den Social Media Kanälen und nutze die Möglichkeit zu lernen.

Mülltrennung faszinierte mich als Kind. Damals war der grüne Punkt neu und ich erlebte mich im Grundschulalter zum ersten Mal als Expertin gegenüber meinen Eltern. Für uns alle war diese Art der Sortierung neu und mehrfach fragte mein Vater mich, ob etwas in den gelben Sack gehöre oder nicht. Ich suchte auf den Produkten nach dem grünen Punkt, erarbeitete mir die Logik, was wiederverwertet wurde und schimpfte über Menschen, die nicht bereit waren, diese neue Mülltrennung mit zu gehen.

Nachhaltigkeit und MVA – ein Widerspruch?

In der MVA landet der Müll der Stadt. Müll ist ein wichtiger Teil des Nachhaltigkeits-Themas. Müll vermeiden und Müll verwerten, Müll richtig sortieren und Verpackungsmaterialien auswählen, die eben möglichst nachhaltig sind.

Die MVA leistet dazu ihren Beitrag, nicht nur durch die Verwertung, sondern eben auch durch Informationen und Diskussionen, die angeregt und geführt werden. Es gibt dort bereits Kleidertauschbörsen und ein Repair-Café.

Dieser Ansatz soll mit der Vision bonNova weiter ausgebaut werden.

Und damit kommen wir zum kollaborativen Event.

Ankommen

Die MVA liegt in einem speziellen Viertel in Bonn. Es war lange das Rotlichtviertel der Stadt. In den letzten Jahren wurden dort mehr Bürogebäude gebaut und der Straßenstrich verkleinert. Ein Stadtgebiet im Wandel …

Ich habe es nicht weit dorthin, suchte nach einer Verbindung und fand einen Bus, der nur alle halbe Stunde fährt. Also hatte ich die Wahl zwischen knapp oder sehr früh. Daher wählte ich die frühe Verbindung und kam zeitig an.

Es war winterlich kalt, aber sonnig und so genoss ich noch ein paar Minuten draußen, vor dem Verwaltungsgebäude, machte Fotos und atmete die kühle Luft ein. Ja, die Luft neben der MVA ist frisch und angenehm!

Drinnen wurde ich freundlich begrüßt und wie bei einem Barcamp bekam ich ein Badge, auf das ich meinen Namen, meine Institution oder Berufsfeld und mein Themenschwerpunkt (Nachhaltigkeit) schreiben konnte.

Hmm, Themenschwerpunkt Nachhaltigkeit? Abgesehen von meiner frühkindlichen Begeisterung für Mülltrennung, an die ich diesem Moment auch überhaupt nicht dachte, fühle ich mich absolut nicht als Nachhaltigkeits-Expertin, auch wenn ich das Thema super wichtig finde. Ich bin offen für konkrete Ideen, die ich umsetzen und besser machen kann. Ich möchte Solarpanelen auf meinem Dach haben, habe aber wenig Ahnung von dem Thema, was ok ist, da sich andere Personen in der Familie für diese Thematik begeistern und ich darauf vertrauen kann, dass dieses Thema auch für uns umgesetzt wird.

Ich schweife ab! Schließlich entschied ich mich dazu, das auf die Karte zu schreiben, was mich ausmacht: Storytelling & Neugier.

Beim letzten Nachhaltigkeitscamp habe ich eine Storytelling Session gegeben zur Herzensgeschichte, denn genau das ist es, was ich mir von der Nachhaltigkeits-Szene wünsche, von den Menschen, die sich mit Leidenschaft mit den Themen befassen. Erzähle mir deine Geschichte, erzähle mir, so dass ich es verstehe, was ich tun kann.

Saskia ist wirklich gut darin. Kurz und knapp auf den Punkt:

  • Pizzakartons gehören nicht in den Papiermüll, weil sie vor Feet triefen und das Papier kontaminieren. Es kann nicht verwertet werden.
  • Beim Plastikmüll gibt es verschiedene Sorten, die sortiert werden. Muss ich mir nicht im Detail merken. Wichtig ist: Mach ab, wenn du es in den Müll wirfst, dann geht es leichter.

OK, setze ich um.

Dann kam die nächste Herausforderung. Schreibe auf einen Post-It, was deine Vision für den Abend ist.

Was ist das beste, was geschehen sein kann, wenn ich um 20 Uhr die MVA verlasse?

Ich war mir noch nicht ganz klar darüber, was mich erwarten würde und empfand es als schwierig eine Vision zu formulieren. Auf ein kreatives Ping Pong freute ich mich. Inspiration geben und nehmen, Ideen weiter denken.

Wer früh da ist, hat die Möglichkeit zu beobachten, wer noch so dazu kommt und nach und nach kamen einige bekannte Gesichter und es war ein schönes Wiedersehen. Viele Menschen, die ich noch nicht kannte waren ebenfalls da und ich kam mit einigen davon im Laufe des Abends ins Gespräch und auch dafür schätze ich Events in Bonn sehr.

Ablauf des Abends

Nach einer gemeinsamen Begrüßung wurden wir in drei Gruppen eingeteilt. Simpel, entsprechend der drei aufgestehlten Stuhlreihen. In diesen Gruppen würden wir drei Stationen durchlaufen, die jeweils moderiert werden.

Parallel gab es einen rasenden Reproter, der Fotos machte und Ideen einfing, welche ihr in der Dokumentation findet (Link am Ende des Beitrages).

Zwischendurch konnten wir uns an dem veganen Buffet bedienen und zum Abschluss würden wir noch einmal alle zusammmen kommen und ein gemeinsames Fazit ziehen.

Station 1: Experimente an der MVA

Ein großer Tisch auf dem wir unsere Ideen schriftlich sammeln konnten. Dazu einige Fragen zur Orientierung. Genau mein Ding und ich merkte wie ich ungeduldig wurde während der Erklärung, weil ich anfangen wollte zu schreiben.

  • Was würde dich reizen an die MVA zu kommen?
  • Wann wären deine Besuchszeiten?
  • Welche Besuchsanlässe siehst du für dich und deine Gruppe?
  • Was benötigst du mit deiner Gruppe?

Meine Ideen gingen in Richtung, Spiele und Kreativität. Abenteuer erleben, Kunst aus Müll gestalten und vielleicht könnten wir auch StoryUp Your Artefact Workshops an der MVA durchführen.

Bei den Spielen dachte ich eben nicht nur an Kinder, sondern auch an Erwachsene. Escape-Games oder sportliche Aktivitäten. Saskia hatte mir mal erzählt, sie könnte sich eine Kletterwand gut vorstellen, nicht mein Hobby, aber die Idee finde ich trotzdem cool, weil ich weiß, dass viele Menschen es lieben würden.

Ich dachte daran, was mich motiviert hatte, an diesem Abend her zu kommen. Es war die Aussicht darauf, mit interessanten Menschen in Austausch zu kommen und ich finde diesen Gedanken wichtig, Menschen auch zu motivieren, alleine wo hingehen zu können. Gruppe nicht nur als fertige Gruppe zu denken, sondern als offene, zu der jede*r dazu kommen kann.

Erleben und Lernen germeinsam denken. Singles und Familien, Jung und Alt.

Es war schön, die Ideen anderer zu lesen und weiter zu denken. Schnell fand ich mich in einem Gespräch über Gastronomie an der MVA wieder. Eine Rooftop-Bar, ein familienfreundliches Restaurant mit moderaten Preisen. Ein Ort der Begegnung, warum nicht?

Seitens der MVA muss an Vorgaben und den Kernauftrag gedacht werden. Mit Sub-Unternehmenden zusammenarbeiten ist eine Option, dies zu lösen.

Es ging übrigens nicht nur darum attraktive Möglichkeiten rund um das Gebäude der MVA zu entwickeln, sondern auch Ideen für das bonNova mobil zu sammeln. Ein Lastenfahrrad mit großen Anhänger. Was könnte dieses mitbringen? Wo könnte es hinfahren?

Für uns hatte es übrigens kleine Pakete geladen, die wir mitnehmen durften, eine MVA zum selberbauen aus Klemmbausteinen (Siehe Foto am Ende des Beitrages). Ich hatte unfassbar viel Spaß dabei. Als Kind habe ich mehr mit Palymobil als mit Lego gespielt. Es ist nie zu spät, ein neues Hobby zu entdecken …

Station 2: Wie soll die neue MVA aussehen?

Nachdem wir uns der Frage gewidmet hatten, was wir bei der MVA erleben wollen, durften wir in die äußere Gestaltung gehen. Zur Inspiration hingen attraktive Bilder an der Wand. Reale Verwertungsanlagen und futuristische Bilder. In Kopenhagen steht eine MVA mit einer Skianlage auf dem Dach. Kann man machen, reizt mich jetzt so gar nicht.

Wir durften uns kreativ zeichnerisch der Frage widmen, oder auch auf Karten sammeln, welche Elemente die MVA auf jeden Fall haben sollte.

  • Welcher zukünftige Anblick der MVA macht Freude?

  • Welche Elemente dürfen auf keinen Fall fehlen?

Ich entschied mich bei meinem Element der Worte zu bleiben. Auch hier passierte viel im kokreativen Prozess.

Mein erster Gedanke war Solar, der zweite Pflanzen. Ein Bild an der Wand hatte mir besonders gut gefallen.

Schließlich kamen wir gemeinsam auf die Idee, es brauche Tiere. Saskia sprach über Kommunikation – wir sollten später noch an anderer Stelle schreiben, wie wir gerne mit der MVA weiter in Kontakt bleiben wollten. In meinem Kopf explodierte eine Assoziationskette zu Brieftauben, über die Tauben und Hühner meines Nachbarn. Ich teilte die Gedanken mit Stefan und schrieb Tiere auf die Karte.

Konkret wünsche ich mir Bienenstöcke an der MVA und das Mitdenken der Tierwelt. Dieser Gedanke darf gerne weiter gedacht werden. Das städtische Tierheim befindet sich übrigens um die Ecke, wird mir beim Schrieben bewusst.

Station 3: Reallabor

Diese Station wurde von Professor Oliver Ruf betreut, der mir bisher bekannt war als Dozent im Studiengang Technikjournalismus der Hochschule Bonn Rhein-Sieg. Er stellte sich uns als als Design Theoretiker vor mit der Qualifikation Zauberei. Einen Zauberer hatte er auch bereits auf dem Tisch platziert.

Es war toll an dieser Station die dritte Gruppe zu sein. Die erste Gruppe hatte ganau wie wir an der ersten Station einen leeren Tisch vor sich, auf dem sie sich kreativ entfalten konnte. Die zweite Gruppe durfte die ersten Ideen weiter denken und wir die dritte durften die Muster der bestehenden Ideen suchen und verdichten. Hierzu bekamen wir einen neuen Tisch und unterstützdene Moderation durch Oliver Ruf.

Nach anfänglicher Irritation, entstand ein spannedes Gespräch und die Aufgabe Muster zu erkennen, sprach mein Systemisches Denken sehr an. Es war toll, um den Tisch herum zu gehen, zu entdecken, weiter zu denken und zu verdichten. 
Während wir redeten, schrieb Oliver Ruf die Kernideen auf.

Mein besonderer Moment aus der Diskussion rund um das Reallabor war:

Wir stehen mitten drin im Reallabor. Egal ob diesen an die MVA angeliedert ist, sich auf die gesamte Stadt Bonn bezieht oder als App oder Webseite realisiert wird. Wir alle in diesem Raum sind gerade mitten im Reallabor, wir experimentieren, tauschen Ideen aus und schreiben unsere Story.

Genau darum geht es doch, möglichst vielfältige Begegnungsmöglichkeiten schaffen, Austausch anzuregen. Lernen durch Ausprobieren und Kommunikation. Entwickle deine Story. Mit welcher Story gehen die einzelnen an diesem Abend nach Hause? Welche Story bleibt bei der MVA? Wer entwickelt diese weiter?

Wir waren an diesem Abend Teil der Entwicklung der Zukunft unserer Stadt, Teil der Vision bonNova. Wir haben diese mitgestaltet und das fühlt sich großartig an.

Die Fragen zu dieser Station lauteten übrigens:

  • Wie sieht das Reallabor aus, welches du selber baust?
  • Welche Lernwerkzeuge brauche und nutze ich im Reallabor?
  • Wie möchte ich im Reallabor lernen und arbeiten?

Am Ende verband Oliver Ruf beide Tische miteinander, dazu nutze er ein Element, welches sich bereits auf dem Tisch befand und bildete daraus eine Art Brücke.

Mitten im Prozess

Dieser Abend war ein Teil eines großen Prozesses, an dem sich viele Menschen beteiligen, Expert*innen, Mitarbeitende der MVA, Bürger*innen wie wir und natürlich auch die Politik, denn finanziert wird die MVA durch öffentliche Gelder.

Wir können über eine Vision sprechen und diskutieren. Spannend wird, wie sie umgesetzt wird.

Folgt den Kanälen der MVA, denn diese Entwicklung ist spannend und es geht um so viel mehr als Abfall. Es geht um unsere Zukunft und wir dürfen mitreden und mitgestalten. Das freut mich sehr.

Weiterführende Informationen:

Der Prozess dauert an, wenn du magst, bring dich selbst gerne noch mit ein. Für Bonn, die Region und die Welt.

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